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Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich, nur sechsunddreißig Stunden nach meiner Ankunft in Seoul, mit einer einzelnen, peinlichen Rose und gekleidet in einem Outfit, dass Opernreif war, vor diesem Café im Studio-Ghibli-Stil gelandet war

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Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich, nur sechsunddreißig Stunden nach meiner Ankunft in Seoul, mit einer einzelnen, peinlichen Rose und gekleidet in einem Outfit, dass Opernreif war, vor diesem Café im Studio-Ghibli-Stil gelandet war. Die braune Holztür versperrte mir den Blick auf das Innere. Nicht einmal durch die großen Scheiben hatte ich viel sehen können, weil sie erstens nicht gerade gut gepflegt waren und zweitens es im Café so dunkel war, dass kaum etwas nach außen drang. Ich spähte nach oben und wusste sofort, dass die in Mitleidenschaft gezogene goldene Glocke, meine Anwesenheit ankündigen würde, bevor ich allerdings dafür bereit wäre.
Ich war noch so sehr in meinem Jetlag-Stadium, dass ich Mühe hatte, gedanklich zu rekonstruieren, wie ich mich überhaupt in diese Lage gebracht hatte.
Es musste damit angefangen haben, als ich Hoseok, einem Freund, den ich in den USA kennengelernt und mit dem ich die letzten beiden Jahre zusammengearbeitet hatte, angetrunken von der Sache mit Young erzählt hatte. Hoseok hatte mich gefragt, warum ich eigentlich keine Frau so wirklich an mich heranließ, nicht einmal für einen Hookup oder dergleichen. Er hatte sogar im Scherz gefragt, ob ich ein Zölibat abgelegt hatte.

"Und wenn schon, was wäre so schlimm daran?"
Hoseok hatte die Augen gerollt und mir abermals verständlich gemacht, dass es bloß ein Scherz gewesen sein sollte. Er hatte mir versichert, dass er nur neugierig gewesen war. Vor allem weil ich erst letzte Woche einer Freundin einen Korb gegeben hatte. Unabsichtlich. Und ich hatte es anscheinend nicht einmal gemerkt. Sie hätte ja auch mal Klartext sprechen können. Was sollte ich unter ständigem Augengeklimper und einem normalen Lachen denn verstehen?
Für Hoseok war die Sache angeblich schon lange klar gewesen, denn er, und offensichtlich auch der Rest unseres Freundeskreises, hatten schon lange darauf gewartet, dass einer von uns den ersten Schritt tat und wir zusammenkamen. Ohne zu merken, dass ich nichtmal was bemerkt, geschweige denn ein romantisches Interesse an ihr gehabt hatte.
Mit meinem taktlosen Benehmen, das wirklich keine Absicht gewesen war (versprochen!), hatte ich sie wohl sehr verletzt, denn sie war am Boden zerstört gewesen. Aber den finalen Stoß hatte ich ihr anscheinend gegeben, als ich, einen Tag danach und nach einem ausführlichen Gespräch mit ihr, allen erklärt hatte, dass Hoseok und ich zurück nach Seoul zogen, weil es sich eben so ergeben hatte.

Naja, deswegen waren wir eben in dieser Bar gelandet. In der ich mich hatte zulaufen lassen, weil mich die ganze Sache an das erinnert hatte, was ich damals Young angetan hatte. Und weil ich nicht mehr aufhören konnte, an sie zu denken - ein Zustand, der immer wieder vorkam, aber seit zwei Jahren nur noch selten -, ließ mich Hoseoks Gestachel und Fragerei schwach werden und ich erzählte ihm von ihr.
"Sechs Jahre und du denkst immer noch an sie? Und du hattest nicht vor, mir das eher zu erzählen? Bro, ich hätte dir die ganze Zeit über helfen und dich darauf aufmerksam machen können, dass Lou auf dich steht."
Ich hatte noch einen Whiskey geordert und in einem gebechert, als der ankam.
"Ich denke nicht immer noch an sie. Ich denke wieder an sie. Wie niedergeschlagen sie war, als ich das Land verlassen und hier versucht habe, mir ein Leben aufzubauen. Die Anfangszeit war schlimm. Hab' Kontakt zu meinen Freunden gehalten und mich gleichzeitig mit Arbeit überhäuft, weil ich mit der Distanz doch nicht so gut klarkam. Also habe ich irgendwann aufgehört. Mit ihnen zu schreiben, meine ich. Young hat sich zuerst auch als einzige zurückgehalten und mich nicht ständig bombardiert, wie die anderen. Aber als alle aufgegeben haben, hat sie sich gemeldet und ihre Nachricht hat mich beinahe alles einfach wieder in den Sand setzen lassen."

The Lonely Life of Min Yoongi || TULOGY NovellaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt