Kapitel 9

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Gegen Abend war ich nochmal zu Cany in den Stall gegangen. Beranilahs Box war leer, ich ging davon aus, Magnus war mit ihr ausreiten, da ich sie auch nicht auf dem Reitplatz gesehen hatte. Ich schnappte mir das schwarze Halfter mit den silbernen Verzierungen und zog es Cany über den Kopf. Dann kratzte ich ihm die Hufe aus, bevor ich ihn nach draußen führte.

Im Vorbeigehen nahm ich noch eine Peitsche und eine Longe mit, die ich in sein Halfter klippte. Wir gingen aus dem Stall und hinüber zu den beiden Roundpens, die etwas weiter hinten hinter dem großen Reitplatz lagen. Dort angekommen schloss ich das Gatter und ging dann in die Mitte des runden Sandplatzes. Cany beschnupperte mich bereits neugierig und ich griff in die Tasche meiner Reithose, um einen Haferkeks herauszuziehen.

Ich hatte Kochen und Backen schon immer geliebt und im Gegensatz zu meiner Schwester hatte ich es auch relativ gut drauf. Kurz vor unserer Reise war ich also nochmal in die Küche gestanden und hatte Pferdekekse gebacken. Dem Wallach schienen sie sehr gut zu schmecken, denn er kaute genüsslich darauf rum.

Lächelnd gab ich ihm etwas Longe und trat zwei Schritte zurück, während ich mit der Zunge schnalzte. Cany wusste offensichtlich genau was zu tun war, denn er trottete langsam los. Also gab  ich ihm noch mehr Longe und lenkte ihn auf den äußeren Hufschlag. Dort ließ ich ihn erstmal ein paar Runden gehen.

Dann schnalzte ich wieder mit der Zunge und Cany trabte an. Die Peitsche schwang ich nur locker hinterher, aber bei ihm war sie eigentlich nicht nötig. Auch beim Reiten war eine Gerte meist überflüssig. Hurricane reagierte erstaunlich gut auf einfache Kommandos und Hilfen. Möglicherweise war das aber auch so, da er in seinem früheren Zuhause immer sofort fühlen musste, wenn er mal nicht gehorcht hatte...

Ich blickte zu dem Wallach, der fröhlich um mich herum trabte und mir immer wieder Blicke aus seinen treuen Augen zuwarf. Es war kaum vorstellbar, dass jemand diesem Tier schon so viel Leid zugefügt hatte, dass es nun völlig traumatisierte von Stangen war. Ich war froh, dass es ihm hier gut ging und konnte wirklich nur hoffen, in seinem nächsten Zuhause würde es genauso sein, wenn Céline und Stephen ihn wirklich verkaufen sollten.

Während Cany mich umrundete, blickte ich zum Wohnhaus, wo gerade Jace und Clary vorbei liefen. Mit Jace hatte ich mich bereits in so kurzer Zeit schon angefreundet. Er war zwar ein echt mieser Verlierer bei Gemeinschaftsspielen, aber man verbrachte gerne Zeit mit ihm. Ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. Und ich bewunderte ihn für seine Talente beim Reiten. Im Wohnzimmer standen einige Pokale und Bilder von ihm und Dreamcatcher auf Turnieren.

Zu Clary konnte ich nicht viel sagen, aber Izzy mochte sie, deshalb akzeptierte ich den Rotschopf. Ich verstand nur ihr Verhältnis zu ihrem nerdigen besten Freund Simon nicht so ganz, der meistens wie ein Schoßhündchen an ihr klebte. Doch Clary schien das nichts auszumachen. Oder sie bemerkte es gar nicht erst, weil sie nur Augen für Jace hatte. Ich war gespannt, was sich da bis zum Ende der Reiterferien noch entwickeln würde.

Tja und Magnus... Er war eben Magnus. Soweit ich mitbekommen hatte, hatte er schon sein ganzes Leben mit Pferden verbracht. Seine Mutter war gut mit Céline befreundet gewesen und nach ihrem Tod hatten die Herondales Magnus und Beranilah bei sich aufgenommen. Einen Vater hatte er wohl noch, dieser hatte allerdings kein Sorgerecht und war sowieso ständig auf Geschäftsreisen. Dennoch schien Magnus hier eine Familie gefunden zu haben und das freute mich sehr.

Schnaubend kam Cany auf mich zu und blieb vor mir stehen, was mich aus meinen Gedanken riss. Ich zog zwei Kekse aus der Tasche und gab sie ihm, während ich sanft über deine Blesse strich. Der Wallach schien schon jetzt vollstes Vertrauen in mich zu haben. Ich wusste, er würde bedingungslos alles für mich tun. Da kam mir eine Idee.

Ich hakte die Longe aus Canys Halfter aus und brachte sie mitsamt der Peitsche an den Rand, wo ich beides ablegte. Dann blickte ich mich um und entdeckte am Rand des großen Reitplatzes einige Stangen. Geschickt schlüpfte ich unter dem Zaun des Roundpens hindurch und griff nach einer simplen, weißen Stange. Es war mir wichtig, dass sie für den Anfang kein Muster hatte.

Langsam ging ich zurück zum Roundpen, wo mich Cany fragend musterte. Als er die Stange sah, wich er zurück und legte die Ohren an. Ich redete beruhigend auf ihn ein und kam im Schneckentempo Schritt für Schritt näher. Der Oldenburger gab einen Laut von sich, der wie ein Quietschen klang. Mittlerweile war ich vorne am Zaun angelangt.

"Näher werde ich nicht kommen", versicherte ich ihm ruhig und mit einem sanften Lächeln. Er sollte sehen, dass ich die Stange gefahrlos in der Hand halten konnte. Ich würde sie ihm auch nicht für die Füße werfen oder erwarten, dass er sie beschnupperte. Er sollte einfach nur sehen, dass sie anderen nicht weh tat und vollkommen ungefährlich war. Doch Cany schien sich immer noch nicht zu beruhigen und als er etwas auf die Hinterbeine stieg, beschloss ich, meinen Versuch zu beenden.

Seufzend brachte ich die Stange zurück an ihren Platz und kehrte dann zum Wallach zurück, der noch immer etwas nervös wirkte. Vorsichtig strich ich ihm über den Hals. Diese kleine Therapiestunde schien zwar keine Wirkung gehabt zu haben, dennoch war es einen Versuch wert gewesen.

"Nicht schlecht", kommentierte Magnus, der sich gerade von Beranilahs Rücken schwang. Offensichtlich hatte ich mit meiner Vermutung Recht gehabt und sie waren wirklich im Gelände gewesen. Die Stute trug lediglich einen gebisslosen Zaum, keinen Sattel.

"Leider recht erfolglos", gab ich mit einem Seufzen zurück.

"Wenn es nur so einfach wäre. Ich habe das Gleiche auch schon probiert, aber im Gegensatz zu dir, hat Cany mich für die nächsten Tage überhaupt nicht mehr an mich rangelassen", meinte Magnus mit hochgezogener Augenbraue und betrachtete den Wallach argwöhnisch. Ich wollte gerade etwas erwidern, da wurde ich von Simon unterbrochen, der auf uns zulief. Ich war absolut ratlos, was der Nerd von mir oder Magnus wollte, also sah ich ihn lediglich gespannt an.

"Hey Alec, weißt du, wo meine Handschuhe sind?", fragte er und deutete Richtung Stall. Ich runzelte die Stirn.

"Woher soll ich wissen, wo deine Handschuhe sind?"

"Na weil du sie doch neulich beim Reiten ausgeliehen hast. Du meintest, du hättest sie danach in Caramels Spind gelegt, doch da waren sie nicht."

"Da kann ich dir auch nicht weiterhelfen", gab ich zurück und zuckte die Schultern. Ratlos blickte ich Simon hinterher, der zurück Richtung Stall stapfte. Merkwürdig...

Love on Hooves - Malec AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt