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Unsicher ließ er seinen Blick über den Bildschirm vor sich gleiten. Immer und immer wieder wiederholte er diese eine Sequenz.

Carlos versuchte den Fehler zu finden, den Fehler beim RedBull-Piloten zu finden, doch er konnte nicht. So sehr er es auch wollte, er fand nichts. Und mit jedem weiteren Mal, bei dem er seine Augen über die Szenen fliegen ließ, wurde für ihn klarer, dass der Fehler beim McLaren lag.

Der McLaren mit der Nummer 4 hatte einfach nicht genügend Platz gelassen. Weder Verstappen noch die Kurve konnten etwas für diese Kollision, einzig und allein Lando trug die Schuld.

Er war, wieder einmal, zu ungeduldig gewesen. Das Auto ist gut, keine Frage, aber so gewinnt man keine Rennen, geschweige denn tut dem Team einen Gefallen.

Carlos' Gedanken schweifen zu seinem Freund ab, wie schon so oft an diesem Tag. Immer wieder ist der Brite in seinem Kopf, in seinem Denken, präsent.

Immer wieder beschleicht ihn allerdings auch ein ungutes Gefühl, wenn er an seinen Partner denkt. In letzter Zeit verspürt der Ferrari-Pilot dieses Gefühl öfter und wenn er genauer darüber nachdachte, hatte sich Lando ihm gegenüber schon ziemlich stark verändert.

Am Beginn ihrer Beziehung war er noch der schüchterne, liebevolle, britische McLaren-Fahrer und jetzt ist er nur noch selten bei Carlos. Er sucht wenig bis gar keine Nähe mehr zu seinem spanischen Freund und wenn er es doch tut, geht es ihm dabei meistens um Sex, um die alleinige Befriedigung seiner Bedürfnisse.

Carlos fühlt sich ausgenutzt und hintergangen.

Frustriert schließt er seinen Laptop, auf welchem noch immer das Replay des Rennen in Spielberg läuft, bringt sich in eine liegende Position auf seinem Bett und drückt seinen Kopf in die Kissen.

Leise grummelt er vor sich hin und versucht wieder klare Gedanken zu fassen. Es ist nicht das erste Mal, dass Carlos so über seinen Freund denkt und es ist nicht das erste Mal, dass er sich schlecht fühlt, wenn er so über ihn denkt.

Bis jetzt hatte er noch nicht den perfekten Moment gefunden mit Lando darüber zu sprechen, doch dies wollte er nun ändern. Entschlossen drehte er sich herum, richtete sich auf, griff nach seinem Handy und wählte die Nummer seines Briten, welcher den Anruf erst nach einer Weile annahm.

„Lando? Wo bist du? Alles in Ordnung?" Carlos konnte die Enttäuschung in seiner Stimme nicht verstecken, denn im Hintergrund hörte er laute Musik und kreischende Stimmen, was darauf hindeutet, dass sein Freund mal wieder einen über den Durst am trinken war.

„Wasch willscht du?", war die Antwort, mit der er schon fast gerechnet hatte, allerdings trotzdem immer wieder hoffte, sie nicht hören zu müssen.

„Alles in Ordnung bei dir?"

„Aber sicherr!", brüllte der Brite schon fast in den Hörer, bevor Carlos mit einem müden „ok" antwortete und das Gespräch beendete. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte in diesem Zustand mit Lando zu reden oder zu diskutieren.

Langsam ließ er seinen Arm sinken und für einen Moment starrte er einfach nur an die Wand. Er erkannte seinen Freund nicht wieder. Lando war nie so gewesen.

Früher hätte er mit ihm geredet, doch heute trinkt er einfach bis zum bitteren Ende und vergisst dadurch auch oft, dass Carlos sein fester Freund war und nicht nur irgendein Typ, den er abschleppen könnte.

Der Spanier musste schon häufig mit Wut- und Eifersuchtsausbrüchen von Landos Seite umgehen.

Mit einem verzweifelten Seufzen ließ er sich zurück in die Kissen fallen und bemerkte dabei erst, dass ihm die Tränen bereits in Strömen über die Wangen liefen.

Er konnte nicht mehr.

Er wollte nicht mehr.

Er musste mit jemandem reden.

Jetzt.

Etwas umständlich griff er nach seinem Handy und musste kurz überlegen, wer denn an einem Sonntagabend so spät noch Zeit hatte. Normalerweise hätte er sich direkt an Charles gewandt, doch dieser war bestimmt gerade bei Verstappen und da wollte er nicht stören.

Nach längerem hin und her Überlegen kam ihm plötzlich eine Person in den Sinn.

Oscar. Landos Teamkollege.

Vielleicht kann er ihm etwas zu Landos Verhalten sagen. Allerdings gibt es da ein Problem – Carlos hat weder Oscars Nummer noch weiß er, wo sich der Australier im Moment aufhalten könnte.

Doch gerade, als er die Idee wieder verwerfen möchte, fällt sein Blick auf die Instagram-App auf seinem Handy. Ok, darauf hätte er auch schneller kommen können.

Somit öffnete er die App, suchte rasch das Profil des McLaren-Piloten hervor und tippte in die Tasten, bevor er die Nachricht abschickte und sein Handy sperrte. Allerdings musste er nicht lange auf die Antwort warten.



Carlos

Hey, kannst du mir deine Zimmernummer sagen?

Oscar

278


Im Nachhinein betrachtet hätte er die Frage natürlich charmanter formulieren können, doch Oscar schien es nicht zu stören, deshalb machte sich Carlos auch gleich auf den Weg zu besagtem Hotelzimmer und klopfte, dort angekommen, dreimal kräftig gegen die Tür.

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