Kapitel Fünf: Tränen Aus Schmerz

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Nun stand ich vor der dunklen Haustür und zögerte. Sollte ich wirklich klingeln? War ich es ihm wirklich schuldig?
Hätte er etwas gegen die Beendung unserer Freundschaft gehabt, hätte er mich doch früher darauf aufmerksam machen können.
In dem Falle: Selber Schuld, dachte ich.
Mit leichten Gewissensbisse drehte ich mich gerade um, als...
... Die Tür aufging.
Ich rollte mit den Augen.
"Da bist du ja," stellte der scjwarzhaarige Junge fest.
Ich setzte ein falsches Lächeln auf und drehte mich zu ihm um.
"Natürlich. Ich hab es dir doch versprochen."
Lüge. Eigentlich habe ich kein Versprechen gegeben, als müsste ich das hier nicht machen.
Dreh dich um! Lauf einfach weg!
Ich wusste, dass ich es nicht ertragen könne, ihm weh zu tun, ihn zu belasten und erst recht nicht wieder mit ihm befreundet zu sein.
Doch mein Kopf schaltete auf Standby und mein Körper übernahm.
Mit schweren Schritten trat ich durch die geöffnete Haustür und folgte ihm hoch in sein Zimmer.

Es war ganz anders eingerichtet als bei meinem letzten Besuch vor sechs Jahren.
Die Wandfarbe war von einem knalligen blau zu einem dunklen grau gewechselt worden, an der Wand neben der Tür stand ein großes Doppelbett, unter dem großem Fenster stand ein Schreibtisch und der Klamottenachrank war riesig und eine Tür war geöffnet.
Ein Spiegel stand an der Wand mit der Tür.
An dem Spiegel hingen ein paar Fotos, zwei von mir und ihm aus der Kindheit, Fotos mit dem Team und von seinen Eltern.
Iwaizumi setzte sich auf seinen Drehstuhl und sah mich an.
Ich legte meine Sporttasche auf dem Boden ab und stand betreten im Raum, als wäre ich Gast auf einer Beerdigung.
"Warum wolltest du eigentlich, dass ich zu dir gehe?", fragte ich ihn und schaute an ihm vorbei.
"Ich... Wollte mit dir reden," sagte er.
"Okay, dann rede."
Er sah mich an. "Dann setzt dich. "
"Wo soll ich mich denn hinsetzen?", fragte ich etwas giftig.
"Keine Ahnung, auf mein Bett?"
Ich blickte ihn gleich irritiert an, jedoch setzte ich mich auf das weiche Polster. Die graue Bettwäsche passte zur Wandfarbe und fühlte sich weich an.
"Also," fing er an.
"Weshalb hast du den Kontakt abgebrochen. Wir haben seit sechs Jahren kein Wort mehr gewechselt, außer im Volleyball, und dann grinst du mich heute auf dem Klo an, als wäre nie etwas gewesen."
Es überraschte mich etwas, wie direkt er war. Doch gleichzeitig war das einer der Aspekte, den ich an ihm mochte.
" Ich, ähm, also ich... " fing ich an.
" Ich will einfach nur eine Erklärung, Oikawa. "
Sein Ton war auch wie vorhin etwas verletzt. Das tat mir aus irgendeinem Grund weh.
Doch zum ersten Mal seit einigen Jahren hatte ich nicht das Gefühl, den Drang, eine Klinge durch meine Haut zu ziehen. Nicht das Bedürfnis, mich zu verletzen und erst recht keine Einsamkeit.
"Es tut mir leid, Iwa. Ich habe etwas durchgemacht. Und, das hat mir wehgetan. Also, ähm... Als ich sieben war, ist... Ist... M... Mein Vater gestorben. Ich war bei dem U... Unfall dabei gewesen. Seit dem... Seit dem..." Meine Stimme wurde durch ein Schluchten unterbrochen.
Ich fing an zu weinen.
Statt Iwaizumi anzusehen, blickte ich auf die Bettwäsche, die ich zwischen meinen Finger rieb.
" Hey, du musst nicht weiterreden, " sagte er bedrückt.
Mein Körper wurde durch einen neuen Schlichter geschüttelt und die Tränen verdeckten meine Sicht.
Ich fühlte mich schwach, doch gleichzeitig war es unglaublich gut, endlich alles rauszulassen .
"Es tut mir so leid, ich w... Wollte d... Das nicht..."
Ich spürte plötzlich, dass ich umarmt wurde. Iwaizumi kniete vor mir auf dem Boden und schlang seine Arme um mich. Seine Hände lagen auf meinem Rücken und sein Oberkörper presste sich an meinen.
Ich drückte mein Gesicht gegen seine Brust und atmete zitternd seinen Geruch ein.
Sein dunkelblaue Pullover roch nach Waschmittel und Parfüm. Es gab mir ein Gefühl der Geborgenheit und ich entspannte mich in der Umarmung.

Nachdem ich mich beruhigt hatte, löste ich mich aus der Umarmung und lächelte Iwaizumi verlegen aber ehrlich an.
"Danke," murmelte ich und wischte mir die Tränen, der Beweis meiner Schwäche, weg.
Iwa nahm mein Gesicht in seine Hände. Ich spürte seine warmen Hände an meinen feuchten Wangen und merkte, wie diese heiß wurden.
"Ich bin für dich da, Kawa."
Kawa.
Er hatte mich damals, als Kind so genannt. Ich hatte diesen Spitznamen so lange nicht mehr gehört, dass er mir fast fremd vorkam.
Er nahm seine Hände auf einmal weg, als hätte er sich verbrannt.
"Wollen wir einen Film schauen?", fragte ich, um abzulenken.
"Klar," sagte er, als wäre ihm dieser Themenwechsel willkommen.
"Welchen willst du sehen?",ergänzte er.
"Keine Ahnung, entscheide du."
"Gast ist König," meinte er nur und schaltete seinen Fernseher an. Dann ging er auf Netflix und dann auf Kategorie Filme.
Der erste Film, der erschien, war Uncharted.
"Mach den an," riet ich ihm und er tat es.

Nach dem Film aßen wir selbstgemachten Ramen. Es war gut, mal wieder etwas selber gekochtes zu essen. Obwohl ich eigentlich wie immer keinen Hunger hatte, aß ich für ihn den ganzen Inhalt meiner Schüssel aus.
Nun lagen wir oben gemeinsam in seinem Bett und schaute uns gegenseitig an.
"Oikawa, hast du dich eigentlich auch geritzt?", fragte er auf einmal.
Ich wusste, dass Lügen nichts brachte und ich wollte auch nicht Lügen.
"Ja," gab ich nur leise zurück.
Er setzte sich auf. Der Stoff raschelte gleich und ich sah zu ihm hoch.
"Darf ich... darf ich deine Arme sehen?" fragte er.
Seufzend setzte ich mich hoch und zog direkt meinen Pullover aus.
Die Narben, welche er erblickte, ließen ihn zurückschrecken.
Ich hatte frische und alte Wunden an meinem Arm und sehr viele helle Striche auf meiner Haut verteilt.
Sanft Strich er mit seinen nun irgendwie kalten Fingerspitzen über ein paar der helleren Erhebungen.
Eine kleine Gänsehaut machte sich auf meinem Körper breit.
"Die... Die Meisten Narben sind vom Unfall, " nuschelte ich und sah ihm in seine wunderschönen Augen.
Er sah mit einer Art Faszination auf meinen blassen Oberkörper.
Ich verspürte das Bedürfnis, ihn zu küssen, doch ich tat es nicht.
Ich zog nur meinen Hoodie wieder an und legte mich wieder hin.

Nach einer Weile machten wir uns bettfertig und legten uns neben nebeneinander.
Es fühlte sich beinahe komisch an, neben ihm zu liegen.
Wieder sahen wir uns an.
Müde blinzelte er und bald schon schloss Iwa die Augen.
Zum Glück war heute Freitag, dachte ich.
Minuten später hörte ich, wie Iwaizumi gleichmåßig zu atmen begann.
Ich dachte nach.
Vielleicht war das Leben ja doch nicht so scheiß, wie es jetzt gerade auf mich wirkte. Wenn ich bei ihm war, fühlte es sich jedenfalls so an.
Ich strich ihm eine Strähne aus der Stirn und schaute ihn weiterhin durch die leichte Dunkelheit an.
Seine Hand lag nahe an meine und es fehlten nur noch ein paar Zentimeter, bis meine auf seiner liegen könnte.
Ich bewegte meine Finger näher an seine und schaute ihn weiterhin an.
Der Drang nach Schmerz, die Einsamkeit und der Selbsthass waren für diese Zeit wie weggeblasen und ich fühlte mich glücklich.
Vielleicht will ich doch leben.

Sooo Leude, es dauert nicht mehr lange, bis eine kleine Romanze zwischen unseren kleinen Turteltäubchen entsteht.
Is hier hin, ich bemühe mich auf weitere Ideen und erst recht weitere Kapitel.
❤️❤️

IwaOi- |The Night We Met|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt