Marathon

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JACK
Als ich mich auf den Weg zum Frühstück machte, begegneten mir zahlreiche Schüler und Lehrer; Alisha war aber nicht unter ihnen.

In der Cafeteria roch es angenehm nach Café, Zucker und Meer. Ich goss mir einen Kaffee ein und setzte mich mit einer Schale Müsli zu Farryn in eines der Boote.
„Na, Du bist aber spät dran heute.", begrüßte er mich.
„Nicht so spät wie Alisha.", entgegnete ich. „Ich habe sie noch gar nicht gesehen."
„Sie ist eine erwachsene Frau." Farryn war mein sorgenvoller Unterton nicht entgangen. „Sie wird schon auftauchen. Aber zwischen euch ist alles in Ordnung?"
Ich seufzte. „Keine Ahnung. Sie war gestern so abweisend. ... Irgendwas beschäftigt sie."
Wie schwiegen eine Weile, dann erhob ich mich.
„Ich werde mal nach ihr sehen."
Farryns Blick folgte mir, während ich zwei Croissants auf einen Teller legte und dann nach draußen ging.

Oben angekommen klopfte ich an Alishas Tür, doch auch auf ihren Namen reagierte sie nicht.
Probehalber drückte ich die Klinke der Tür nach unten und musste erstaunt feststellen, dass sie nicht verschlossen war.
Zögerlich betrat ich nun ihr Zimmer.
„Alisha?", fragte ich in die Dunkelheit. Nur die Ritzen ihres Rolladens ließen wenig Licht in den Raum. Sie bewegte sich unter einem Berg Decke. Ich trat näher an sie heran.
„Wenn du nicht zu spät kommen möchtest, musst du bald aufstehen." Ich ging am Bett vorbei und öffnete langsam den Rolladen.
Das Licht fiel auf eine verdrehte Decke, unter der sie sich versuchte herauszuwinden.
Mein Blick fiel auf die vielen kleinen Kratzer auf Unterarmen, Handflächen und Knien.
„Was hast du denn gemacht?!" Sorgenvoll setzte ich mich auf ihre Bettkante.
„Ich war heute Nacht laufen. ... Ich konnte nicht schlafen."
Ein wenig entsetzt schüttelte ich den Kopf. So ungewöhnlich war es nicht, dass Alisha manchmal vor dem Unterricht Joggen oder Schwimmen ging; aber mitten in der Nacht? Das kam quasi nie vor. Nur wenn etwas sie wirklich beschäftigte trieb sie selbst nachts exzessiv Sport.
„Schatz was ist denn los?" Ich versuchte sowohl verbal als auch körperlich näher an sie heranzukommen, aber in ihren Augen konnte ich sehen, dass ich nicht zu ihr durchdringen konnte. Sie wandte sich bin mir ab.
„Danke, dass du mich geweckt hast."
Als sie an mir vorbei griff und sich eines der Croissants nahm, dachte ich für einen lächerlichen Moment, dass sie mich küssen wollte, aber davon war sie gerade meilenweit entfernt. Sie hatte ihre Mauern um sich herum wieder aufgebaut und mich hatte sie ebenfalls ausgeschlossen.
„Ich ziehe mich schnell um.", sagte sie mit einem Blick auf die Uhr und stand mit einem leisen Stöhnen schwankend auf. Sie hatte einen höllischen Muskelkater. Und damit das bei ihr vorkam, musste sie heute Nacht einen Marathon gelaufen sein.

Während sie im Bad war, nippte ich an dem Kaffee und ging unruhig im Raum auf und ab.
Dabei bemerkte ich die Kiste mit den Fotos. Obwohl ich nicht neugierig oder übergriffig sein wollte, griff ich nach dem Foto welches draußen lag und studierte es.
Zu sehen war eine deutlich jüngere Alisha, die aber obwohl ihre Kleidung oft getragen und eine Nummer zu groß wirkte, so schön wie jetzt noch war. Ein Mann hatte den Arm um sie gelegt; allerdings konnte ich nicht genau sagen, ob die Geste liebevoll oder aufdringlich war.

Als Alisha aus dem Bad kam, fragte ich: „Was ist das?" und deutete mit einer vagen Handbewegung auf den Karton und die Bilder.

Jack und Alisha (Jacklisha) Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt