Ballett vs. Realität

Kapitel 3: Der Neue

Jetzt bin ich auch schon an der Schule angekommen und wie ich mit einem Blick auf die Uhr feststelle, habe ich noch massig Zeit. Zeit genug um mich in eine ruhige Ecke zu begeben und meine Choreografie zu üben. Wir haben bald nämlich ein Vortanzen, bei dem dann entschieden wird, wer welche Rolle tanzt. Wir tanzen ein sehr modernes Stück, dass unsere Ballettlehrerin extra choreografiert hat. Es geht darin um zwei Gruppen von Menschen, die Reichen und die Armen. Der Kontrast dieser beiden Welten wird dargestellt. Die Hauptrollen spielen ein reicher Junge und ein armes Mädchen, die am Ende des Auftrittes zueinander finden.

Ich finde die Idee echt meega! Und ich würde natürlich furchtbar gerne die weibliche Hauptrolle tanzen. Ich denke, ich habe auch gute Chancen, da ich eine der Besten aus unserem Kurs bin, aber es dürfen auch Schüler aus den höheren Kursen mitmachen, das heißt, das Konkurrenzfeld ist größer. Aber wie es immer so schön heißt, man ist nur der wahre Sieger, wenn man auch Gegner hat. Außerdem ist das mit der starken Konkurrenz sehr gut, da ich, falls ich den Sprung schaffe, immer wieder solchen Situationen ausgesetzt sein werde, denn von nichts kommt schließlich nichts.

Ich gehe in die Startposition, denke mir die Musik und fange an. Ich liebe es, zu tanzen, egal wo, egal wann, ich mache es einfach bei jeder Möglichkeit. Als ich fertig bin schaue ich auf die Uhr. Ich sollte mich dann mal auf den Weg ins Innere machen, ich hab nur noch fünf Minuten. Schnell packe ich meine Sachen zusammen und renne los. Hach, wie die Zeit vergeht...

Ich biege gerade in den Gang, wo mein Klassenraum ist, als ich plötzlich jemanden umrenne. Wir fallen beide unsanft hin. Ach Menno! Das hat mir gerade noch gefehlt.

"Sorry, ich hab dich nicht gesehen!"

"Schon gut."

"Ich bin Leon, und du?"

"Das geht dich nichts an."

"War ja nur ne Frage. "

"Ich muss jetzt weiter, war noch was?"

"Ähm, kannst du mir zufällig den Weg zum Klassenzimmer der 10f zeigen?"

"Komm mit, das ist meine Klasse."

"Danke, du bist meine Rettung!"

"Übertreibs nicht."

"Bist du immer so unfreundlich?"

"Ja."

"Okaaaaay"

Ich gehe mit großen Schritten weiter, denn es hat gerade eben gegongt. Er folgt mir, nachdem er mich abgecheckt hat. Mann, Jungs gehen mir so auf die Nerven! Wie die einen immer abchecken. Vor allem, erst mal auf die Oberweite kucken, und dann erst das Gesicht. Hallo? Mann, die sind alle total Schwanzgesteuert!

Am Klassenzimmer angekommen, klopfe ich, gehe rein und setze mich auf meinen Platz. Der Junge bleibt unschlüssig vorne stehen, bis der Lehrer ihn vorstellt und meint, er wäre unser neuer Mitschüler und wir sollen nett zu ihm sein und blablabla...

Können wir jetzt bitte Mathe machen? Ja, das kam grad rüber als wäre ich ne Streberin, was ich definitiv nicht bin, aber ich kann es einfach nicht leiden, wenn die Lehrer nicht zu potte kommen. Und was der Neue über sich erzählt, interessiert mich auch nicht wirklich. Aber die ganzen Mädels schauen alle gebannt zu ihm und hören ihm aufmerksam zu. Ja, er hat eine gute Figur und ist auch nicht von schlechten Eltern, aber muss man den dann trotzdem so anschauen? Das ist echt bescheuert! Zum Glück bin ich nicht so! Ich halte mich von Jungs fern, die kann ich in meinem Leben grad echt nicht gebrauchen! Ich stehe auch nicht, so wie circa 99% der Mädchen auf die sogenannten "Badboys". Das ist völliger Schwachsinn! Die sind alle hohl in der Birne! Ich weiß echt nicht wieso die alle so auf solche Jungs abfahren. Na ja egal, ich mache mein eigenes Ding und was die anderen machen, interessiert mich eher wenig. Ballett ist mein Leben und nichts anderes! Zum Glück haben wir nächste Stunde Sport und danach drei Freistunden, dann kann ich mich bei Sport schon mal vor aufwärmen und dann danach gleich zum Training gehen, die Tanzschule ist ja gleich um die Ecke.

Ding Dong...

Na dann, auf zu Sport. Sport ist das einzigste Fach, dass nicht so furchtbar langweilig ist. Und unsere Sportlehrerin ist eigentlich auch ganz nett. Das einzig doofe ist nur, dass wir gleichzeitig mit einer der elften Klasse Sport haben, weil unsere beiden Lehrer finden, je mehr es sind, desto mehr kann man machen und blablabla. Und wer hätte das gedacht, in dieser Klasse sind auch die drei "Bad Boys". Die schlimmsten drei- sozusagen die Anführer. Und deswegen ziehen sich die Mädels immer extra kurze Shorts an, sodass man den ganzen Arsch sieht, den sie dann auch noch total stolz präsentieren, indem sie beim laufen extra dolle damit wackeln. Und natürlich haben sie auch bauchfreie Oberteile an. Das ist einfach mal so bescheuert! Und natürlich finden die Jungs dass auch noch sooo toll!

Ich ziehe mir einfach eine dreiviertel Sport Leggins an und ein stinknormales T-Shirt, und darunter einfach einen Sport-BH, das reicht vollkommen, wir sind ja hier nicht beim Wettbewerb, wer die kürzesten Hosen und T- Shirts anhat. Dann mache ich mir noch einen Pferdeschwanz, binde mir meine Sportschuhe zu und gehe in die große Sporthalle. Ich bin eine der Ersten, mal wieder. Nach mir trudeln nach und nach auch die Jungs ein, und ungefähr 10 Minuten später dann auch mal die Mädchen. Ich kann die echt nicht verstehen!

"So, heute machen wir mal was etwas schöneres. Wir wissen ja dass ihr nicht so der Fan von joggen etc. seit und deswegen tanzen wir heute mal zur Abwechslung ein bisschen Hiphop. "

"Also, ihr teilt euch jetzt in zwei Gruppen ein, die Eine setzt sich hin und die Andere kommt in die Hallenmitte. Und sucht euch jeweils von der anderen Gruppe einen Partner, der euch zuschaut und euch dann sagt, was ihr besser machen könnt. Wir machen nämlich auch Noten, aber erst übernächste Stunde. Solange merkt ihr euch bitte euren Partner. Also, ihr in der Mitte stellt euch jetzt in Reihen auf, mit Blick zu uns. Wir machen euch die Schritte vor und ihr macht sie nach, ganz einfach. Wenn ihr das draufhabt machen wir auch ein bisschen Freestyle."

Wen soll ich als Partner nehmen? Na ja, ich warte einfach ab, Wer übrig bleibt.

"Hi, ich glaube wir beide müssen Partner sein."

Leon.

"Wenns sein muss. Ich tanze zuerst."

"Geht klar. Willst du mir jetzt sagen wie du heißt?"

"Nöö, kein Bock!"

"Ok."

Lustlos stellt sich jetzt die eine Hälfte in Reihen auf, mit dem Blick zur Spiegelwand. Ja, stellt euch vor, wir haben eine Spiegelwand. Aber normalerweise ist davor noch eine andere, normale Wand, die man zur Seite schieben kann für solche Fälle. Echt praktisch. Man fühlt sich schon fast wie im Ballettsaal. Bloß die Stangen und das Klavier fehlen. Aber das tut jetzt nichts zur Sache.