Neue Aufgaben

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Mark

Der Geruch von dampfendem, frisch aufgebrühtem Kaffee strich verführerisch um Marks Nase, reichte aber nicht aus, dass er die Augen öffnete. Er rümpfte nur die Nase, hörte Paddy neben sich leise lachen und hielt vehement die Augen geschlossen. Er hatte absolut keine Lust, jetzt aufzustehen, da konnte der Kaffee noch so gut…
»C’mon, my love«, säuselte Paddy, gleich darauf kribbelte warmer Atem über Marks Wange und sein Mann drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. »You’ve got to get up.«
»Will nich'«, brummte Mark, und manchmal fragte er sich, wie um alles in der Welt er kurz nach dem Aufwachen in der Lage war, Paddys Englisch zu verstehen. Wahrscheinlich hatte sich das über die Jahre einfach verinnerlicht.
»Jamila war beim Bäcker und hat Croissants gekauft und ich hab noch Nutella im Schrank gefunden, und…«, begann Paddy und jetzt war es an Mark leise zu kichern.
»Ziehste jetzt alle Register?«, brummte er, öffnete dann doch seufzend die Augen und schürzte die Lippen. Paddy beugte sich zu ihm und Mark genoss den Kuss.

»Nutella zieht immer, I know that now«, grinste Paddy zurück. »Wenn dein Käffchen nicht hilft… komm aufstehen, Jamila hat sich gewünscht, dass wir zusammen frühstücken, bevor sie in die Schule muss.«
»Ja ja«, seufzte Mark und öffnete endlich die Augen, nur um zu seiner Brille, die wie immer auf dem Nachttisch lag, zu greifen und sich behäbig aus dem Bett zu schälen. »Wie lang bist’n du schon wach?«
»Stunde oder so«, meinte Paddy. »Ich fahr Jamila nachher zur Schule.«
»Okay. Bin gleich unten.« Die übliche Morgenroutine war schnell erledigt und Mark warf den ersten Blick auf sein Handy, als er den Koffer, den er gestern schon gepackt hatte, die Treppe hinunter getragen hatte. Neben einigen anderen Nachrichten hatte Lena ihm geschrieben und er antwortete kurz, dass er in etwa einer Stunde losfahren würde. Um sich die lange Fahrt zu sparen, flog Mark von München nach Berlin, und wenn er schon einmal dort war, wollte er Lenas Einladung unbedingt wahrnehmen. Zudem war es praktisch, weil Nitti ihn so direkt mit zu den ersten Proben nehmen konnte. Paddy war es sowieso lieber, wenn er flog und nicht die ganze Strecke allein im Auto fuhr.

»Papi Mark, wann kommst du wieder?«, fragte Jamila prompt, als Mark in die Küche kam und sich auf die Sitzbank fallen ließ. Die Kaffeetasse hatte er mitgenommen und Paddy schenkte ihm mit einem Grinsen erneut ein.
»In drei Wochen, Schatz«, meinte Mark und fuhr, um Jamila gleich auf andere Gedanken zu bringen, fort: »Aber ihr könnt mich doch wieder besuchen. Und dann, wenn ich hier in Mühlheim bin, sowieso auch gleich mitnehmen. Das ist wieder das letzte Konzertchen.«
Mühlheim am Inn war nur eine halbe Stunde von ihrem Hof entfernt, eine gute Gelegenheit, dass Paddy ihn von dort gleich abholen konnte. »Hab ich mir schon eingetragen«, sagte Paddy. »Wir schauen noch, wann wir Mark sonst noch besuchen, okay, Jamila?«
»Ja«, nickte Jamila, schon wieder etwas beruhigter. Mark lächelte Paddy zu. Inzwischen hatte sich Jamila eigentlich daran gewöhnt, dass er so oft unterwegs war, aber natürlich war es kurz vor seiner Abreise immer schwer. Sie war gerade elf Jahre alt, hatte sich an sie als Familie gewöhnt und natürlich meldete sich Marks Gewissen auch jedes Mal, wenn er Paddy und sie zurückließ. Aber sobald Jamila ihre Freundinnen wieder sah, waren die Gedanken an ihren arbeitenden Papa auch schnell wieder vergessen.
Nach dem Frühstück zog Mark die Kleine in eine enge Umarmung und musste versprechen, abends anzurufen. Paddy gab ihm noch einen Kuss, für sie war das alles natürlich längst auch Routine.
Schon auf dem Weg zum Auto, konnte Mark sich ein »Viel Spaß in der Schule!« in Jamilas Richtung nicht verkneifen, und bekam ein leicht genervtes »Jahaaa« zurück, das ihn leise lachen ließ.

Nachdem Mark das Auto auf dem Dauerparkplatz am Münchner Flughafen abgestellt hatte, erledigte er ein paar geschäftliche Anrufe. Eingecheckt hatte er online. Nachdem er Lena geschrieben hatte, dass er bald im Flugzeug war und Nitti in Berlin zum Flughafen fahren konnte, schaltete Mark seine Kopfhörer ein. Anfangs hatte er noch ein wirklich ungutes Gefühl dabei gehabt, Paddy so lange alleine auf dem Hof zurück zu lassen, aber inzwischen gehörte das zu ihrem Leben. Auch wenn er es zuerst bezweifelt hatte, Paddy war mit seiner Entscheidung, Zuhause zu bleiben, voll zufrieden. Als er vor einer Weile für die Lost Frequencies den Song Where are you now geschrieben hatte, hatte Mark gehofft, dass er sich dadurch nicht ganz von der Musik verabschieden musste, aber Paddy schien es wirklich nicht zu vermissen. Bis auf Beautiful Madness und Throwback, die für die Jubiläumsstaffel von Sing meinen Song erschienen waren, hatte Paddy keine neue Musik mehr geschrieben, und auch der Erfolg von Beautiful Madness als Sommerhit im vergangenen Jahr schien ihn nicht darin zu motivieren. Paddy sah beide Singles als eine Art Abschiedsgeschenk für seine Fans, und er griff meistens nur noch zur Gitarre oder saß am Klavier, wenn sie gemeinsam mit Jamila Musik machten.

A Thousand DoubtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt