Homecoming

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Mark

»Krass, das war gute Arbeit, danke Jungs.«
Zufrieden lehnte Mark sich zurück. Per Videokonferenz hatte er mit Nitti und den Produzenten seines Albums tatsächlich noch die Songs OK Wow und Daheim aufgenommen, sodass sie ein gutes Stück vorangekommen waren. Sie verabschiedeten sich voneinander, Nitti jedoch blieb noch in der Konferenz.
»Nach Hause dann jetzt?«, fragte sein Kumpel.
»So schnell wie möglich«, nickte Mark. »Family wartet. Du auch zu Lena?«
»Same, ja«, nickte Nitti. »Aber lief wirklich gut. Das Album wird ein Knaller, Mark.«
»Ich weiß noch nicht«, meinte Mark, doch noch zweifelnd. »Mir fehlt noch etwas.« Er schnipste leicht mit den Fingern. »Ich weiß nicht, ein Gegenpol zu den ganzen positiven Lovesongs. Guck mal, wir haben OK Wow, Übermorgen, Daheim... Abgesehen von Drei Uhr nachts brauch ich da einfach noch einen Gegensatz.«
»Dir fällt sicher noch etwas ein, Bro«, meinte Nitti. »Haben ja noch bisschen Zeit.«
»Ich hoffe«, erwiderte Mark. »Also dann, grüß Lenchen und den Kleinen, und wir hören uns.«
Erleichtert klappte Mark den Laptop zu. Er war so, so froh, dass sie die beiden Songs innerhalb dieser vier Tage noch hatten aufnehmen können. Das verschaffte ihm ein bisschen Zeit. Abgabetermin beim Label war Ende Juni, erscheinen sollte das Album Mitte August. Wenn er noch einen oder zwei Songs schreiben konnte, war die Geschichte des neuen Albums perfekt rund erzählt.

Er konnte es jetzt jedenfalls kaum abwarten, nach Hause zu kommen. Am liebsten wäre er schon direkt am Montag, nachdem Mathea sich verabschiedet hatte, gefahren, denn dass es Paddy nicht gut ging, war nach ihren Telefonaten offensichtlich. Aber sie hätten vielleicht doch ein Zeitproblem bekommen, wenn sie diese beiden Songs nicht schon aufgenommen hätten. So schnell es eben ging, machte Mark sich auf den Heimweg. Seine Managerin regelte die Formalitäten wegen des gemieteten Studios, sodass Mark sich darum nicht kümmern musste. Natürlich hätte er die Songs auch in ihrem Studio auf dem Hof aufnehmen können, aber er wollte Mathea den Weg nach Deggendorf nicht zumuten. Und er hatte einfach viel mehr Konzentration als Zuhause. Und jetzt war er ja auch erstmal eine Weile hier, bevor die Proben für die Sommer-Open-Airs begannen.

Er bemühte sich, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten, aber es fiel ihm ausgesprochen schwer. Endlich bog er gegen Mittag von der Schnellstraße nach Deggendorf ab und erreichte ihren Hof eine halbe Stunde später. Nach all den Jahren in denen Berlin seine Heimat gewesen war, hätte Mark es nicht für möglich gehalten, dass sich dasselbe vertraute Gefühl des Heimkommens auch längst auf Paddys Hof eingestellt hatte. Mit einem zufriedenen Lächeln parkte er sein Auto vor der Garage, hupte einmal und stieg mit der freudigen Erwartung aus, dass Ruby und Jamila sofort aus dem Haus gestürmt kommen würden. Was sie auch taten, aber lange nicht so übermütig wie sonst.
»Papi Mark!«, rief Jamila dann aber doch und warf sich in seine Arme.
»Hallo, mein Schatz«, schmunzelte Mark und drückte sie an sich. »Alles okay?«
»Bleibst du diesmal länger, Papi Mark?«, fragte Jamila ohne zu antworten.
Mark zog eine Augenbraue hoch. Wenn sie gleich nach seiner Ankunft fragte, wie lange er diesmal blieb, hatte sie ihn wohl wirklich vermisst. »Ja, versprochen«, sagte er und strich ihr über den Kopf. »Mindestens einen Monat, okay?«
»Ehrlich?«, fragte Jamila und Mark schaute sie fragend an.
»Ja, fest versprochen«, versicherte er ihr. »Komm, lass uns erstmal ins Haus gehen.«
Er trug seinen Koffer in den Flur und hängte die dünne Jacke an den Kleiderhaken. Dann wandte er sich zu Jamila. »Wo ist denn der Papa Paddy?« Er hatte ihm doch geschrieben, als er von der Schnellstraße abgebogen war.

Jamila machte ein bedrücktes Gesicht. »Im Musikzimmer«, sagte sie vorsichtig. Mark schaute sie überrascht an. Das war ja eigentlich eine gute Nachricht, denn dass Paddy die Musik gefehlt hatte, hatte Mark in Südafrika ganz deutlich gemerkt. »Aber… er sitzt da nur, ich hab’s eben durch die Tür gesehen, die war ein bisschen offen«, fuhr Jamila fort. »Und er guckt vor sich hin und macht gar nichts. Er ist bestimmt traurig wegen mir.«
Mark seufzte, ging voraus ins Wohnzimmer zur Couch und zog Jamila in seine Arme. »Ach, Schatz. Das ist er bestimmt nicht, Paddy liebt dich von ganzem Herzen.«
»Ja, aber ich hab was ganz Blödes gesagt, und bestimmt ist er deswegen traurig«, brach es aus Jamila heraus.

A Thousand DoubtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt