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Pizza nur mit Käse. Vermutlich, weil er nicht wusste, was ich mochte und was nicht. Ich hörte seine Schritte noch durch den Flur hallen. Ich nahm ein Stück aus dem Karton und biss vorsichtig hinein. Kaum hatte ich geschluckt, zog mein Magen sich schmerzhaft zusammen. Keine Ahnung, wann ich das letzte mal etwas gegessen hatte.

Herr Seo. Er bestand darauf, dass ich ihn bei seinem Vornamen nannte, was ich aber einfach nicht tat. Er war nett. Er schaute einmal die Woche, ob ich noch lebte. Mittlerweile kam er sogar öfter. Ich fragte mich ständig, was er eigentlich studiert hatte. Ich traute mich aber nicht, ihn selbst zu fragen.

Zwei Stücke Pizza hatte ich in mich reingezwängt, nun saß ich würgend auf dem kalten Boden meines Badezimmers. Hinter der Toilette war eine dicke Schicht aus Staub und Haaren. Aber für wen sollte ich auch schon putzen? Ich war allein. Ich spuckte meinen Speichel ins Klo, wischte mir die Tränen aus den Augen. Immer, wenn ich etwas aß, kämpfte ich danach mit meinem Körper, dass er es in sich behielt.

Es war Mittwoch. Nur noch zweimal zur Uni gehen, dann hatte ich zwei Tage Ruhe und konnte mich wenigstens etwas von den Blessuren erholen. Zwei Tage, in denen ich nicht ständig Angst haben musste.

Eunji. Mein Peiniger. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie das überhaupt alles angefangen hatte. Irgendwann beschloss er einfach, dass ich sein Opfer bin. Seitdem machte er mir mein sowieso schon beschissenes Leben zur Hölle. Angefangen hatte es mit harmlosen Beleidigungen. Mittlerweile lauerte er mir auf, um mich gnadenlos zu verprügeln. Gern auch gemeinsam mit seinen Anhängern.

Er war beliebt. Groß, gutaussehend. Er war dumm. Seine reichen Eltern sorgten dafür, dass er so leicht wie möglich durchs Leben kam. Das richtige Sümmchen an der richtigen Stelle sorgte dafür, dass ihr Liebling sich um nichts Gedanken machen musste. Jeder feierte den Typen und ich konnte einfach nicht nachvollziehen, wieso das so war.

Als sie mich vorhin in die Klokabine geschliffen und auf mich eingetreten hatte, hatte meine eine Rippe laut geknackt. Es tat bei jedem Atemzug weh. Ich zerrte meinen Pullover über den Kopf und betrachtete mich in meinem verschmierten Spiegel. Ein dunkler Fleck hatte sich auf meinem Torso abgebildet. Er war größer als all die anderen.

Vorsichtig strich ich über die schmerzende Stelle und zuckte zusammen. Ob die Rippe gebrochen war? Ich ging nie zum Arzt. Ich hatte Angst, dass ich dazu gedrängt wurde, Anzeige gegen Eunji zu erstatten. Ich wollte aus der Situation kein Drama machen. Ich schlich in die Küche und griff mir ein Kühlpack aus dem kleinen Eisfach.

Die Stille in meiner kleinen Wohnung ließ mich an das Gespräch mit Herrn Seo zurückdenken. Er wollte mit mir in mein Elternhaus fahren. Aber ich wollte nicht dorthin zurück. Es würden so viele schmerzliche Erinnerungen in mir hochkommen. Mal abgesehen davon, dass ich es ja nicht einmal schaffte, die kleine Wohnung, in der ich zurzeit lebte, sauber zu halten. Wie sollte ich mich dann bitte um ein ganzes Haus kümmern?

Unter Schmerzen schlief ich auf dem Sofa ein. Was würde mich morgen in der Uni erwarten? Was hatte Eunji sich wieder für mich einfallen lassen? Eigentlich machte es keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich konnte ihn sowieso nicht davon abhalten. Immerhin erinnerten mich die Schmerzen, die er mir zufügte, daran, dass ich noch lebendig war.

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Ich stellte mein Fahrrad in den Ständer und wickelte das Schloss ein paar mal um das verrostete Gestell. Als ich mich aufrichtete, zog ich meine Kapuze weiter nach vorn. Ich wollte wenigstens am Morgen meine Ruhe vor Eunji haben. Die Nacht war beschissen, ich wusste einfach nicht, wie ich liegen sollte. Mein Brustkorb war angelaufen und der dunkle Fleck unter meiner Haut wurde immer größer.

The Decay - Han Jisung | Seo ChangbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt