Der Wind schlug mit einem lauten Knall das Fenster im Wohnzimmer zu, sodass ich vor Schreck zusammenzuckte. Meine Fresse, dachte ich und zog das gerahmte Stück Glas wieder auf. Ich stellte eine vertrocknete Blume nahe an die Angeln, um ein erneutes Krachen zu verhindern. Obwohl ich die Blume nun mehrere Tage gegossen hatte, wollte sie einfach nicht wieder zum Leben erwachen. Damit hatte ich sowieso schon gerechnet.
Das Haus sah bei Weitem nicht mehr so schlimm aus, ich hatte die letzten Tage fleißig geputzt, jedoch wollte der modrige Geruch einfach nicht verschwinden. Immerhin roch es für ein bis zwei Stunden gut, wenn ich frisch gewaschene Wäsche aufgehängt hatte.
Ich nahm den Blumentopf von der Fensterbank und warf einen Blick in den Garten. Er würde wohl die größte Baustelle werden. Vor dem Haus hatte ich schon Unmengen an altem Laub beiseiteschaffen können, aber hier hinten sah es nicht ansatzweise so schön aus, wie meine Erinnerungen es hergaben.
Meine Mutter hatte mehrere Beete angelegt, wie mittlerweile von Unkraut überzogen waren. Damals blühte hier alles. Blumen, Flechten, Kräuter. Jetzt wucherten hier hässliche Brombeeren, grenzenloses Schilfgras und undefinierbares Gestrüpp. Der Rasen war über die Jahre auf einen Meter in die Höhe geschossen und lag unter seinem eigenen Gewicht platt in alle Richtungen. Ob die Handsense noch in Ordnung war? Mit einem Rasenmäher wusste ich nicht wirklich umzugehen.
Nachdem ich das Fenster geschlossen hatte, schlenderte ich mit der toten Pflanze nach draußen. Die Erde in dem Keramiktopf war so trocken, dass ich alles ohne Widerstand herausziehen konnte. Ich schmiss den Brocken in eines der Beete. Er fügte sich so perfekt in das Gesamtbild, als wäre er von allein dort hingekommen. Den Blumentopf stellte ich außen auf die Fensterbank des Wohnzimmers, so konnte ich ihn nachher noch reinholen, sollte ich ihn hier vergessen.
Ich zog die wackelige Tür des kleinen Geräteschuppens auf und warf einen prüfenden Blick ins Innere. Hektisch liefen mehrere große Spinnen hinter die Regale, die wohl seit Ewigkeiten hier hausten. Sofort juckte es mich und ich sträubte mich etwas, einzutreten.
Unter einer dicken Schicht aus Spinnenseide hing die lange Sense an der Wand. An der Klinge war noch immer der neongelbe Schnittschutz, den mein Vater jedes mal nach Benutzung wieder aufzog. Eine Ewigkeit lang beäugte ich das riesige Gerät von links, rechts, oben und unten, bis ich mir ganz sicher war, dass kein achtbeiniger Mietnomade auf dem Holzgriff saß. Endlich traute ich mich, die Sense von der Wandhalterung herunterzunehmen. Hastig stellte ich sie vor dem Schuppen wieder ab und ließ erneut prüfend meinen Blick darüber ziehen. „Da ist keine Spinne.", redete ich mir selbst mutig zu. Ich schnappte mir noch schnell das Paar Arbeitshandschuhe, welches auf der Werkbank lag. Ich ließ sie in das platte Gras fallen und versicherte mich auch hier, ob ein Spinnentier sich zwischen, auf oder unter ihnen verkrochen hatte.
Es kostete mich Überwindung, in die Handschuhe zu schlüpfen, doch dann fühlte ich mich endlich bereit, mit der eigentlichen Arbeit anzufangen. Ich erinnerte mich noch genau an die Erklärungen meines Vaters, wie ich die Sense halten und schwingen musste, um das lange Gras schneiden zu können. Zwar war eine Sense einem Rasenmäher technisch weit unterlegen, aber in diesem Fall war sie wesentlich effektiver. Sofern man alles halbwegs richtig machte.
Ich stellte mich an die Rasenkante, holte konzentriert aus und ließ das lange, scharfe Blatt durch die gelblichgrünen Halme fahren. Ein paar kurze Grasschnipsel flogen durch die Luft, dann hielt die Sense schlagartig an. Ich hatte die Spitze im Rasen versenkt. Geduldig zog ich die Schneide heraus, stellte mich erneut leicht breitbeinig hin und holte zum zweiten mal aus.
Mit einem kratzenden Geräusch trennte ich die erste Bahn des Rasens ab. Die langen Halme flogen ein Stück nach oben und reihten sich danach nebeneinander vor mir auf. Ich hatte den Dreh raus! Das kurze Gras vor meinen Füßen strahlte in einem satten Grün und ließ mich motiviert weitermachen. Je öfter ich ausholte, desto sicherer wurde ich in meinem Tun und schlug mich Bahn für Bahn weiter durch das faserige Ungetüm.
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The Decay - Han Jisung | Seo Changbin
Fanfiction"Ich erkannte mein Handy in der Dunkelheit des Kellerganges und robbte darauf zu. Nur noch ein Stückchen. Tränen flossen unaufhaltsam über meine Wangen. Endlich bekam ich das Gerät zu fassen. Ich entsperrte den gesplitterten Bildschirm und wollte di...