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PoV Changbin:

Ich traf hier wirklich auf einen anderen Menschen. Jisung war frisch geduscht, er sah erholt aus und es bildete sich etwas in seinem Gesicht ab, was man fast schon als Lächeln bezeichnen konnte. Ich war positiv schockiert.

"Ist fast schon ein bisschen gruselig, wie du drauf bist.", nuschelte ich, nachdem ich meine Schuhe abgestellt hatte. Im Haus roch es noch immer irgendwie alt. Außer in einer Ecke: dort blühte ein unsichtbares Blumenmeer.

Ich schaute mich zurückhaltend um. Er hatte bereits alle Kartons ausgepackt. Sie standen ordentlich zusammengefaltet im Vorratsraum. "Wie war die erste Nacht?", fragte ich und sah mich nach ihm um. "War schon irgendwie komisch. Ich habe echt interessantes Zeug geträumt.", berichtete er mir und ich erklärte ihm, was man mir immer erzählt hatte: "Das, was man in der ersten Nacht träumt, wird wahr!". Sein Gesicht verzog sich merkwürdig, dann griff er sich die Papiertüten in meiner Hand und schlenderte in die Küche.

"Ich vermute mal, dass du keinen Hunger hast, aber-"

"Doch."

"Du.. Du hast Hunger?"

"M-Hm. Ich könnte echt eine Kleinigkeit vertragen."

"Du verarschst mich, oder?"

"Sag doch einfach, wenn du nur für dich was mitgebracht hast."

"Nein! Ich habe uns beiden was geholt!"

"Cool!", sagte er und wusch schnell zwei Teller ab. "Kaffee kann ich dir leider noch nicht anbieten. Ich kriege die Maschine nicht richtig sauber.", entschuldigte er sich. Ich zog einen der gepolsterten Stühle nach hinten und nahm Platz. "Soll ich dir eine neue Kaffeemaschine besorgen?", bot ich ihm an.

"Das wäre super! Ich habe da noch ein paar andere Sachen, die ich holen muss.", fing er an und fischte einen handgeschriebenen Zettel vom Kühlschrank, den er auf den Tisch legte. Neugierig schielte ich darauf und verzog nachdenklich die Stirn. "Also der Teil mit den Lebensmitteln ist ja noch okay, aber.. Säge? Nägel? Chlor? Jisung, wenn ich dich nicht kennen würde, dann würde ich denken, dass du was Kriminelles anstellen willst!", gab ich ihm zu verstehen.

"Ich wollte irgendwas basteln. Sonst sitze ich hier den ganzen Tag lang nur dumm rum und das ist nicht gesund! Und wofür das Chlor ist, habe ich dir schon erklärt.", verteidigte er sich sogleich. "Okay, dann lass uns in Ruhe essen und dann kümmere ich mich darum.", versprach ich ihm.

Ich fuhr allein los, um die Lebensmittel einzukaufen. Den Rest vertagte ich vorerst. Jisung wollte schon mal damit beginnen, das Haus weiter zu putzen. Ich hätte mich nur allzu gern einfach darüber gefreut, wie gut er drauf war, aber irgendwie machte es mir auch Sorgen.

Plante er vielleicht einen Suizid? Ließ er mich einfach in dem Glauben, dass es ihm gut ging, damit ich seltener vorbeischaute und er in Ruhe alles planen konnte? Aber wenn das sein Plan wäre, dann hätte er es schon längst getan, oder? Hatte er sich vielleicht doch soweit motivieren können und es ging ihm tatsächlich nicht so schlecht? Ich wollte nur zu gern in seinen Kopf schauen können.

Mit zwei vollgepackten Einkaufstaschen kam ich erneut beim Haus an. Die großen Beutel klapperten laut, als ich den Weg entlangtrottete. Der verwilderte Garten machte es mir auch wirklich nicht einfacher, zur Haustür zu gelangen. So schön das große und dichte Grundstück auch war, es hatte etwas Gruseliges an sich. Ich konnte nicht richtig fassen, was genau es war. Vielleicht kam es mir einfach nur so vor, weil ich wusste, wie tragisch die Eltern umkamen. Ob ihre Seelen noch hier herumirrten? Sowas wie Geister gab es doch gar nicht!

"Jisung?", rief ich vor der Tür. Ich schaffte es mit den Taschen in der Hand einfach nicht, anzuklopfen oder zu klingeln. Ich hörte, wie es drinnen auf der Treppe polterte und kurze Zeit später öffnete sich die Haustür. Ein verschwitztes Gesicht sah zu mir hinab. Da hatte sich jemand verausgabt!

The Decay - Han Jisung | Seo ChangbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt