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Ich trat einige langsame Schritte auf Eunji zu. Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten und ich konnte sehen, wie er sich in die Kabelbinder stemmte. Ich hielt an. Ich griff mir den Saum meines Pullovers, was ihn kurz zusammenzucken ließ. Langsam zog ich den Pullover aus und ließ ihn neben mich fallen. "Erinnerst du dich daran, was du alles mit mir gemacht hast?", fragte ich monoton und zog anschließend mein Shirt aus.

Seine Augen weiteten sich, als er all die dunklen Flecken an mir sah. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und kam wieder zum Stehen. "Ja und?!", sagte er großkotzig. Ich zeigte auf meinen Bauch und sagte: "Guck mal, das war erst vor ein paar Tagen. Du weißt schon. Im Keller.". Sein Blick fiel kurz auf das riesige Hämatom und dann schaute er mir wieder ins Gesicht.

Ich schlenderte auf ihn zu. Kurz vor ihm blieb ich stehen. Dann hob ich mein Bein und trat ihm genau unter seine letzte Rippe. Ihm blieb die Luft weg und die Muskeln in seinem Bauch spannten sich an. Dann keuchte er: "Hast du 'ne Macke?!". Mein Gesicht blieb ausdruckslos. Und als er sah, wie ich auf ihn herabsah, schien er seine Situation zu verstehen.

"Oh, ich habe dir doch nicht wehgetan, oder?", fragte ich wieder monoton. Er überlegte, was er antworten sollte, da trat ich erneut zu. "Hör auf!", schrie er mich an. Ich hielt inne. "Schon lustig.. Sonst warst du es, der gnadenlos auf mich eingetreten hatte.", säuselte ich leise vor mich hin. Sein Atem wurde unruhig und hektisch.

"Lass mich gehen!", sagte er mit deutlich mehr Verzweiflung in der Stimme. "Dich gehen lassen?", fragte ich und legte unschuldig den Kopf nach rechts. "Ich hab's kapiert! Jetzt hör auf mit deiner kranken Scheiße!", seine Stimme brach beim Reden fast ab. Mein Mundwinkel zuckte kurz nach oben: "Du meinst, ich soll dich gehen lassen, so wie du es immer mit mir gemacht hast?". Seine Augen verengten sich und er wich meinem Blick aus.

Ohne seinen Blick noch einmal einzufangen, drehte ich mich wortlos um und ging zur Tür. "Hey! Wo gehst du hin?! Mach mich los!", brüllte er und versuchte auf dem Stuhl zu zappeln. Meine Hand schlich nach oben, ich schaltete das Licht aus und verschwand durch die Tür. Ich hörte ihn, wie er mir nachrief.

Oben angekommen, ließ ich mich aufs Sofa fallen. Mir fielen so viele schöne Dinge ein, die ich mit Eunji zusammen machen wollte, aber ich wollte das alles natürlich auch genießen. Und schließlich hatte ich ja jede Menge Zeit. Zeit, um mir weitere tolle Dinge einfallen zu lassen, Zeit, um Einkäufe zu machen.. Ach, wir würden so viel Spaß haben!

Nachdem ich auf dem Sofa einige male in Sekundenschlaf gefallen war, hatte ich beschlossen, ins Bett zu gehen. Ich kuschelte mich unter meine Bettdecke. Es war fast schon etwas zu warm dafür. Meine Gedanken kreisten um das, was sich in meinem Keller befand.

Ich empfand keine Schuld. Ich empfand keine Reue. Alles, was sich in meinem Inneren ausbreitete, war der Wunsch, ihm wehzutun. Ich wollte sein Leid sehen. Ich wollte ihm dieselben Schmerzen zufügen, die er mir zugefügt hatte. Er hatte es nicht anders verdient.

Ich möchte mich nicht selbst in Schutz nehmen und ich möchte meine Taten auch keinesfalls gutheißen. Aber wie kann ein Mensch davon ausgehen, dass jemand es einfach so hinnimmt, wenn man ihn so behandelt, wie er mich behandelt hatte? Er hatte sich das alles selbst zuzuschreiben.

***************

Es war ein herrlicher Morgen! Ich hatte in aller Ruhe gefrühstückt und mich ganz gemütlich fertig gemacht. Dann war ich mit dem Fahrrad in den nächsten Baumarkt aufgebrochen. Ich hatte erst überlegt, ob ich Changbin darum bitte, mich zu fahren, aber das Wetter war so schön, dass ich die Sonne genießen wollte.

Ich schlenderte durch die vielen Regale, hier und da blieb ich stehen und besah mich einiger Werkzeuge. Am Eingang hatte ich mir einen der hochgestapelten Plastikkörbe genommen, den ich euphorisch füllte. Nägel, Sägeblätter, Schleifpapier, Ketten, Seil, alles, was ich so in die Finger bekam.

Auf dem Weg zur Kasse fand ich noch mehr schöne Dinge. Reiniger, einen Gartenschlauch, eine glänzende Zange. Ich stellte das Körbchen auf dem Tresen ab und begann, alles herauszunehmen. "Oh, Süßigkeiten!", stellte ich begeistert fest und schnappte mir noch zwei Pakete des bunten Weingummis.

Ich wünschte der Kassiererin einen schönen Tag und verstaute meine Ausbeute in meinem Rucksack. Auf dem Rückweg hielt ich noch bei einem kleinen Café an, in dem ich einige Gebäckstückchen mitnahm. Dann radelte ich zufrieden nach Hause.

Es war so still hier drin. Das war gut! Leise summend stieg ich die Treppe hinab. Ruhig öffnete ich die Rückwand des Regals und die dahinterliegende Tür. Kaum hatte ich diese bis zur Hälfte geöffnet, kam mir ein unangenehmer Geruch entgegen. Ich knipste das Licht an und Eunji zuckte zusammen.

"Guten Morgen, Sonnenschein! Willst du nicht langsam mal aufstehen?", grüßte ich ihn zynisch. "Jisung, lass mich endlich gehen, verdammte Scheiße!", schnauzte er mich direkt an. Ich schloss die Tür hinter mir und stellte meinen Rucksack auf dem Boden ab, den er misstrauisch beäugte.

"Ich habe dir was mitgebracht!", sagte ich aufgeregt und öffnete den Reißverschluss. "Verpiss dich, Han!", zischte er. Ich zog die Tüte vom Café heraus und sah ihn an. "Schade, hatte dir extra was zu essen mitgebracht. Aber gut, wenn du nicht willst..", sagte ich und legte die Tüte auf dem kleinen Tischchen ab.

"Was willst du? Geld? Drogen? 'Ne Freundin?", fragte er mich genervt. Er kapierte es wohl doch noch nicht. "Genugtuung.", antwortete ich ihm kalt und stellte mich vor ihn. "Ich werde dafür sorgen, dass du mein Gesicht nie wieder vergisst. Für all die Dinge, die du mir angetan hast, werde ich es dir doppelt und dreifach heimzahlen.", kam es ohne jegliche Stimmung aus mir heraus.

"Du stinkst.", sagte ich und drehte mich um. "Ach, wen wundert's?! Du Pisser hast mich ja auch hier festgekettet!", maulte er erneut los. "Deine Stimme geht mir irgendwie auf die Nerven.", stellte ich fest und kramte den Gartenschlauch hervor. "Was machst du?", fragte er skeptisch und sah zu, wie ich den Schlauch mit einem Verbindungsstück versah.

Mit einem leisen Klicken, rastete das Verbindungsstück am Wasseranschluss ein. "Du stinkst erbärmlich. Das will ich ändern.", erklärte ich und drehte den Hahn auf. Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte ich die Düse am Ende des Schlauchs geöffnet, sodass nun kaltes Wasser herausspritzte.

Ich gab mir wenig Mühe dabei, Eunjis Gesicht trocken zu lassen. Im Gegenteil. Ich zielte für mehrere Sekunden genau dorthin und lachte, als er sich zu schütteln begann. "Pass doch auf, du Idiot!", rief er mir zu, also wiederholte ich, was ich tat. Dann stellte ich das Wasser aus und sah ihn an. Was für ein minderwertiger Mensch er doch war.

"Tja, immerhin ist der Gestank schon mal besser.", murmelte ich und packte alles aus, was sich noch in meinem Rucksack befand. "Was hast du mit all dem Zeug vor?", zitterte seine Stimme, als ich das Sägeblatt demonstrativ gegen das Licht hielt. "Ich möchte mit dir spielen.", sagte ich und legte es neben die Zange und die Nägel. Er traute sich nicht, weiterzureden.

Ohne eine Erklärung, verließ ich den Kellerraum. Wieder rief er mir nach. Ich schnappte mir den Baseballschläger, den ich oben an der Treppe hatte stehenlassen und ging zu ihm zurück. "Sorry, aber die Kabelbinder sind mir einfach zu riskant, weißt du?", sagte ich kalt, während ich auf ihn zu schlich und den Schläger anhob. "Warte! Ich verspreche dir, dass ich mich nicht wehre!", versuchte er mich aufzuhalten. "Ha, als würde ich dir vertrauen!", lachte ich und holte zu einem kräftigen Schlag aus.

Sein Kopf flog nach links und erneut hing er bewegungslos an den Ketten. "Sehr schön!", lobte ich mich selbst und schnappte mir die etwas schmaleren Eisenketten, die ich vorhin gekauft hatte. So eng wie möglich, schnürte ich diese um seine Hand- und Fußgelenke und befestigte alles. Ich zog und ruckte an allem, um sicherzugehen, dass es auch ja halten würde.

Ich hatte noch den ein oder anderen Plan für später, aber vorerst wollte ich Eunji in seiner Position belassen. Ich musste noch ein paar Dinge vorbereiten, bevor ich ihn erneut bewusstlos schlagen würde. Früher oder später wollte ich ihn lieber in einer liegenden Position haben, aber gerade musste ich mich hiermit zufrieden geben. Wer sagt denn, dass ich so nicht auch meinen Spaß mit ihm haben konnte?

The Decay - Han Jisung | Seo ChangbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt