Brennende Zinnen

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Aylia tat der Rücken weh. Vor ihrem Schreibtisch streifte sie das Kettenhemd um. Ihr Polster hatte einen tiefen Eindruck von dem Eisenhut. Sie hatte wohl vergessen, ihn vor dem Schlafen abzunehmen. Nie mehr in ihrem Leben wollte sie einen Putzlappen auch nur ansehen. Es hatte den ganzen Tag gedauert, die Kaserne zu putzen. Selbst mit der Hilfe aller war es eine Schufterei ohne Ende gewesen. Der Mond stand gestern schon am vollen Himmel, als sie endlich fertig wurden. Mitten in der Nacht musste sie sich nach Hause schleppen. Ihre Mutter hatte die ganze Zeit vor dem Feuer gewartet. Ohne ein Wort zu sagen, war sie hoch in ihr Zimmer gegangen und hatte sich auf ihr Bett geworfen. Heute war wieder Wachdienst. Früh musste sie aufstehen, dabei hatte sie kaum geschlafen. Unten klopfte es an der Tür. Diese Schläger hatten es immer noch nicht gelernt. Die würden sie kennenlernen. Sie stampfte die Stiege hinunter. Es war kein guter Tag. Das fühlte sie, ihre Arme und Beine schmerzten. Jetzt machte sich das Training bemerkbar. Am liebsten würde sie im Bett bleiben und schlafen. Danach könnte sie dem Tagebuch schreiben. Es beschwerte sich sowieso, dass sie kaum mehr Zeit dafür hatte. Sie wusste ja selber, dass es recht hatte. Aber es war keine Zeit. Täglich hetzte sie zur Wache, alles war so hektisch geworden. Überall kämpfte sie gegen Feinde. Ob hier gegen diese Schläger, oder dort gegen den untätigen Kommandanten. Nichts lief richtig in dieser Stadt. Erneut klopfte es an der Tür. Aylia zog sie auf. Ihre Hand lag auf dem Dolchknauf. Das war gar nicht nötig. Die Schläger hatten ihre Lektion gelernt. Keine tätowierten Halsabschneider warteten vor ihrer Schwelle. Nicht einer hatte sich auch nur in ihre Nähe getraut. Uma und Bruma standen kopf an Kopf gelehnt vor ihr. Ihre Augen waren verschlossen, sie dösten vor sich hin. Ab und zu schnarchte Bruma und verzog das Gesicht. Samantha lehnte an der Wand neben ihr. Tiefe Augenringe zeichneten sich auf ihrer Haut ab. Der Hauptmann war auch dabei, einzig und alleine er schien nicht übermüdet zu sein. Er stand etwas abseits mit hinter dem Kopf verschränktem Armen und beobachtete die Wolken. Grüne Rauchfahnen entstiegen seinem Mund und zogen auf und davon. Als er sie bemerkte, setzte er die Pfeife ab und kam auf sie zu. „Schon munter, Jungspund? Hat dich die Aufregung gestern nicht schlafen lassen", fragte er und stopfte etwas Kraut in seine Pfeife. „Keine Sorge, nicht jede Mine ist wie die andere. Diesmal wird es ein ruhiger Tag. Wir haben Kasernendienst. Keine Dieben, keine Schläger und ganz bestimmt keine Meute die uns hinterherjadt."
  Der Hauptmann ging voraus. Samantha stieß einen der Halborks an. Mit fast geschlossenen Liedern linst er sie an und weckte den anderen. Gemeinsam folgten sie ihren Schritten. In Hexenheim war er verdächtig ruhig. Niemand lauerte in den Schatten, selbst auf den Dächern konnte sie niemanden ausmachen. Seit sie denken kann, hielt dort oben jemand nach Ärger Ausschau. Die Späher waren keine schlechten Menschen. Sie sahen nach dem Rechten und versuchten, vor Angriffen der Teufel zu warnen. Einer hatte sie sogar mal gerettet. Sie war noch klein und spielte auf den Dächern, ohne ihn würde es sie heute wahrscheinlich nicht geben. Die Späher halfen der roten Spinne, aber eigentlich waren sie keine Gauner. Ihr Retter zum Beispiel war der alte Metzger. Es war unnatürlich, wie ruhig es hier war. Nicht einmal mehr in den Häusern schienen Menschen zu leben. Wo waren alle hin? Totenstille umgab sie. Keiner sprach ein Wort. „Hier stimmt etwas nicht", sagte Aylia und sah sich um. „Als wir herkamen, war hier noch alles voller", er suchte nach dem richtigen Wort. „Zwielichtiger Gestalten." Nicht gerade nett, aber immer noch bei weitem netter ausgedrückt, als sie es hätte. Ihrem Gefühl nach war jeder Zweite ein Mitglied der roten Spinne und jeder, der das nicht war, war nebenberuflich Gauner oder Dieb. An sichtlich wäre das auch nicht so schlimm, sie hatten untereinander auf ihre eigene Art Gesetzte entwickelt. Meistens befolgten sie diese auch, aber das hielt sie nicht davon ab, jeden der nicht aus Hexenheim kam, auszurauben. Die meisten Waren in den Läden stammten aus anderen Vierteln, aus Diebes- und Raubgut. Jeder bezeichnete sich hier als ehrlicher Händler mit gewissen Kontakten. Bloß ein Synonym für Heller, täglich schlossen sie Geschäfte mit Dieben und Räubern. Heute jedoch nicht. Nicht ein Dieb versuchte, seine Beute zu verticken. Zusammen ließen sie das Viertel hinter sich. Das war außergewöhnlich. Hatte sich das Viertel zum Besseren gewendet. Man musste einfach einen auf Wächter machen und schon lösten sich alle Probleme. Es erforderte Mut der roten Spinne zu trotzen, aber es hatte gewirkt. Gerechtigkeit hatte gesiegt. Hexenheim würde sich bessern. Wenn sie den Hauptmann überreden könnte, dort etwas zu patrouillieren, hätte sie es geschafft. Die Diebe und Gauner würden verschwinden und alles könnte sich von der Schreckensherrschaft erholen. Die rote Spinne war ein Witz, ein Haufen Tunichtgut und Schläger, mehr nicht. Keiner von denen konnte es auch nur im Ansatz mit den Wächtern aufnehmen. Eine Rauchsäule zeichnete sich vor ihnen ab. Sie kam vom Markt. Sie hatten wieder zugeschlagen. Der Elf hatte recht, wir hätten zuerst zuschlagen müssen, jetzt ist es zu spät. Aylia rannte vor. Bog um eine Ecke. Nicht der Markt brannte – die Kaserne. Die Tür stand offen. Das Dach war heil. Im Innenhof wurde etwas verbrannt. Sie mussten etwas unternehmen, sie durften sich so etwas nicht einfach gefallen lassen. Eine Menschenmenge hatte sich um die Kaserne versammelt. Keine Angreifer waren in Sichtweite. Bestimmt waren noch welche drinnen. Aylia drängte sich durch die Menge. Schubste und zwängte sich an ihnen vorbei. Bis sie vor der Tür ankam. Der Hauptmann und die anderen waren zurückgefallen. Als Zwerg hatte man es schwer in einem Wald aus Füßen den richtigen Weg zu finden. Darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Sie stürmte als Vorhut hinein. Chaos herrschte. Stühle wurden umgeworfen oder zerbrochen. Holzsplitter lagen am Boden verstreut. Zettel und Formulare zerrissen. An der Wand hing ein eingeschlagenes Beil. Die Klinge steckte tief im Stein fest. Blut klebte vor ihr auf dem Holzboden. Es gab einen Kampf. Keine Menschenseele war zu sehen. Auch keine Leichen, ein gutes Zeichen. Rauch biss in ihrer Nase, es kaum vom Hof. Die Tür zum Korridor wurde aufgebrochen. Der Eisenbeschlag hatte gehalten, das Holz nicht. Ihr Stiefel trat in etwas Klebriges. Blut. Eine ganze Spur davon. Jemand musste versucht haben zu fliehen. Er war verletzt. Irgendwie hatte er es geschafft, sich nach hinten zu flüchten und die die Tür zu verschließen. Lange währte sein Glück nicht. Seine Verfolger haben die Tür eingetreten und waren ihm auf den Fersen. Mehr konnte Aylia nicht aus den Spuren lesen. Bestimmt hatte er sich versteckt, oder seine Wunde versorgt. Vielleicht kam auch Hilfe vom Innenhof. Ihr Atem stockte. Alles war verwüstet. Glasscherben lagen auf dem Boden unter dem Fenster im Oberenstock zerstreut. Bücher, Dokumente, verdammt den gesamten Schreibtisch habe sie herunter geschmissen und angezündet. Der Haufen knackte und knisterte immer noch. Die Flammen waren erloschen. Jemand hatte ihn scheinbar mit Wasser gelöscht. Auf der Wand prangte eine riesige rote Spinne. Blut tropfte noch von dem Symbol. Schweinekadaver mit aufgeschlitzten Bäuchen lagen davor. Bastarde. Zur Abschreckung taten sie das. Sie hätten genauso gut Farbe nehmen können, anstelle des Blutes. Wer tat so etwas? Sie waren wahnsinnig geworden. Der Markt hatte ihnen letztens wohl nicht gereicht. Nein, es musste auch noch die Kaserne dran glauben. Vermutlich würden sie nicht eher frieden geben, ehe sie bekamen, was sie wollten. Sie. Das konnten sie vergessen. Davor würde sie zuschlagen. Jetzt konnte der Kommandant es nicht weiter ignorieren. Schon lange hatte er die Kontrolle über diese Stadt verloren. Es wurde Zeit, sie sich zurückzuholen. Aylia betrachtete den Schaden. Das Feuer hatte den Tisch ruiniert. Einst musste er voller kunstvoll Gravuren und Schnittzungen gewesen sein. Heute war er nichts weiter als ein rauchender Aschehaufen, nicht besser als ein Lagerfeuer. Ihr Stiefel drückte ein angesengtes Dokument zu Boden. An Kommandant Proditus stand darauf. Viele Schriften hatten sie verbrannt, aber die rote Spinne war nicht dumm. Bestimmt hatten sie bei der Gelegenheit den ein oder anderen heiklen Brief mitgehen lassen. Stadtgeheimnisse sollten nie in die falschen Hände fallen und in diebische erst recht nicht. Dem Rat würde das gar nicht gefallen. Hoffentlich stand nichts allzu Vertrauliches darin. Weder Kirche, König noch den Zirkel würde das gefallen. Der Rat könnte sie alle deswegen entlassen. „Hinterlistige Krötengesichter", ertönte die Stimme des Elfen hinter ihr. Er war verletzt. Eine Schnittwunde klaffte auf seinem Bauch. Gebeugt stand er vor dem Eingang zum Hof. Mit der einen Hand stützte er sich an der Wand ab, mit der anderen drückte er die Wunde zu. Blut klebte auf seinen Händen. „Sie haben uns überrascht. Ich sagte doch wir hätten angreifen sollen. Jetzt ist es zu spät. Sie würden mit einem Angriff rechnen."
  Der Elf brach zusammen. Aylia eilte ihm zur Hilfe. „Wo sind alle?", fragte sie ihn und untersuchte die Wunde. Es sah schlecht aus. Alles war voller Blut. Der Angriff konnte nicht lange her sein. Sie musste sie reinigen und einen Heiler holen. In der Kaserne gab es bestimmt einen Medikus, hoffentlich war er nicht geflohen. Oder zumindest noch nicht zu weit weg. Der Elf verzog sein Gesicht zu einem Lachen. „Du fragst, wo alle sind? Beim Gegenangriff. Vermutlich führt der Kommandant sie direkt in die Falle."
  Aylia wusste nicht weiter. Es gab nichts, dass sie tun konnte. Sie war kein Medikus, kein Heiler und bei weiten Wunderheiler. Gebete würden ihn nicht vor seinem Tod schützen, besonders ihre nicht.
  „Beim Grab meiner Großmutter. Was ist geschen?", fragte der Hauptmann. Endlich waren sie da. „Uma, Bruma holt einen Lappen und Wasser. Samantha frag die Leute draußen, ob ein Medikus unter ihnen ist."
  Der Hauptmann war sofort bei der Sache. Kein Schock spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder weder Grauen noch Übel hatte er vor der Wunde. Er atmete ruhig und bedacht. Als ob er das alles schon Hundertemale gesehen hatte. Uma und Bruma kehrten mit einem Eimer Wasser und einem - dem Putzlappen zurück. Mit dem Ding wollten sie die Wunde säubern. Die gesamte Kaserne hatte sie mit ihm aufgewischt und dem entsprechend sah er aus. Die Ecken fransten aus, er schien aus mehr Flecken als Stoff zu bestehen. Gab es denn keine anderen Lappen? Dem Hauptmann war das alles egal. Er ballte ihn zu einem knäul und tauchte ihn in den Eimer. Wasser platschte. Bläschen bildeten sich und lagerten sich am Rand ab. Der gesamte Eimer roch nach Seife. Rund um die Wunde wischte er das Blut weg. Vor Schmerzen verzog der Elf das Gesicht. Dabei berührte er ihn noch nicht einmal! Die Verletzung musste schlimm sein. Hoffentlich traf der Medikus bald ein, sonst könnte es zu spät sein. Immer wieder tauchte er den Lappen ein. Blut vermischte sich mit Wasser und färbte den Eimer rot. So schlimm so der Schnitt gar nicht aus. Er war nicht tief, dafür aber umso breiter. Vermutlich stammte er von einem Schwert oder Dolch. Die Klinge musste ihn gestreift haben, als er versuchte auszuweichen. Der Hauptmann wischte den letzten Blutstropfen weg. Seine Arbeit war getan. Aylia atmete erleichtert auf. „Täusche dich nicht. Schwefel ist kein Gold. Schon viele sind an solchen Wunden gestorben. Sobald der Wundbrand eintritt, ist man verloren", sagte der Hauptmann und leerte den Kübel aus. „Er braucht immer noch dringend einen Medikus. Die Wunde muss genäht werden."
  Aylia riss sich los und machte sich auf die Suche. Samantha stand bestimmt vor der Menge und versuchte, jemand fähigen unter den Gaffern zu finden. Gepanzerte Handschuhe klopften auf den Eisenbeschlag der Tür. Zwei Paladine standen vor ihr im Eingangsbereich der Kaserne. Alte Buchstaben und Wörter, nein ganze Sätze standen auf ihren Armschienen und Schulterplatten. Das Zeichen der Götter strahlte auf ihren Brustpanzern. Der eine trug eine Sonne, der andere einen Mond. Die Kirche kam zur Kontrolle, bestimmt hatte der Rat die Rauchsäule gesehen und wollte nachsehen, was los ist. „Gnädiges Fräulein, ist der Kommandant zugeben?", fragte der mit der Sonne und trat ungebeten ein. Sie musste sie loswerden. Keiner von beiden durfte den Innenhof sehen. Wenn sie herausbekamen, dass die Dokumente gestohlen und oder verbrannt worden sind, wären sie alle geliefert. Der Kommandant hatte gerade erst damit begonnen gegen die rote Spinne vorzugehen. Das durften sie nicht kaputt machen. „Er ist gerade nicht da. Kommen Sie doch später wieder. Wir putzen gerade und entsorgen alte Möbel", log sie und schlug demonstrativ ein Stuhlbein gegen die Wand. Es splitterte und brach entzwei. „Mit verlaub, das nennen Sie putzen?", fragte der mit dem Mond auf der Rüstung und lehnte sich zu ihr vor. „Sie hacken ja alles zu Kleinholz. Ist die Obrigkeit davon in Kenntnis?"
  Aylia ließ das Stuhlbein fallen. Mit einem Klonk traf es auf dem Boden auf. Der Paladin schien ihr die Geschichte zumindest in gewissen Teilen abzukaufen. Vielleicht konnte sie ihn tatsächlich dazu überreden, einfach wieder zu gehen. „Die wissen das. Haben sie sogar selbst angeordnet. Alte Stühle bringen Unglück. Neue müssen her", log sie und ließ ihre Hand über den Raum schweifen. „Und das Beil in der Wand?", fragte der mit der Sonne und sah sie fragend an. Das Ding hatte sie ganz vergessen. Eine harte Nuss, die hoffentlich so hohl wie die Blechhelme vor ihr war. „Das?! Ach, der Kommandant wollte ein Bild aufhängen - Wappen.", korrigierte sie sich. „Das Stadtwappen soll hier hin. Daran wird es befestigt." Schweiß lief ihr die Stirn hinunter. Lange konnte sie das nicht mehr machen. Die zwei wurden mit jedem Moment misstrauischer. Sie musste sie loswerden. Jetzt oder nie. „Ist das dort hinten Blut?", fragte der Paladin mit dem Mond und zeigte auf die eingetretene Tür. Jetzt wurde es brenzlig. Die beiden haben Blut gerochen. Für Schnüffler hatte sie gerade nicht viel übrig. „Nicht doch, nicht doch, ein Kamerad hat sich beim Putzen am Bein verletzt und braucht geringfügige medizinishce Betreuung. Kein großes Ding", sagte sie und öffnete die Arme, um sie hinaus zu geleiten. Die Paladine ließen sich widerwillig hinaus schieben. „Bei den Blutflecken erscheint mir das Wort geringfügig doch etwas untertrieben, gnädiges Fräulein. Wir können helfen. Bringen sie uns doch zu dem Verletzten."
  In dem Moment kommt Samantha zur Tür herein. Hinter ihr – der Medikus. Endlich. Der Elf war aus dem Schneider. Der Kommandant noch nicht. „Der Medikus ist wie Sie sehen gerade eingetroffen. Danke für die Hilfe, aber ich muss jetzt wirklich nach meinem Kamerad sehen", sagte sie, warf sie auf den Marktplatz und knallte die Tür hinter ihnen zu. Geschafft. Aylia glitt an der Tür hinab und plumpste auf den Boden. Die beiden waren anhänglicher als gedacht und zum Glück dumm wie Brot. Ein Beil zum Bilder aufhängen, wer glaubte schon so einen Quatsch? Sie konnte nur hoffen, dass der Rat nicht noch mehr von der Sorte schickte. Wobei das so nicht ganz stimmte. Von der Sorte konnten sie eine ganze Armee schicken, klüger durften sie nur nicht sein.
  Wieder klopfte es hinter ihr an der Tür. Eins musste man ihnen lassen, hartnäckig waren sie. Musste sie wirklich öffnen. Es könnte ja sein, dass gerade einfach niemand dort war und wenn die Tür zu war, war sie zu. Erneut klopfte es hinter ihr. „Bitte, es ist dringend. Wir benötigen einen Medius oder einen Heiler. Habt ihr einen bei euch?", fragte eine Stimme hinter der Tür. Das waren keine Paladine. Es waren Bürger in Not. Die rote Spinne könnte sie überfallen haben, als sie hier einbrachen. Sie schuldete es ihnen sie zu versorgen. Schuldgefühle machten sich in ihr breit. Wenn nicht dieser eine Gedanke wäre. Egal wie sehr sie ihn auch zu verdrängen versuchte, er kam immer wieder. Wie ein Wurm fraß er sie von innen auf. Es könnte eine List sein. Die Paladine könnten noch da sein und so tun, als ob jemand Hilfe benötigte. Aber wenn wirklich jemand in Not war. „Bitte er verblutet", ertönte es wieder. Aylia stand auf. Fasste sich ein Herz und den Türgriff. Im Grunde kümmerte es sie nicht, ob es eine List war oder nicht. Wenn Menschen Hilfe benötigten, waren die Wächter da, um ihnen zu helfen. Knarrend öffnete sie die Tür. Vor ihr standen drei Zauberer. Einer von ihnen wurde von den anderen gestützt. Sie mussten zwischen die Fronten geraten sein. Es war keine List. „Hinten beim Hof ist der Medikus. Kommt schnell rein", sagte sie und schloss die Tür hinter ihnen. Der eine Zauberer war kleiner als die anderen. Er trug einen komischen braunen Hut und roch irgendwie bekannt. Unter all dem Lavendel verbarg sich ein vertrauter Geruch. Hinter ihnen schloss sie die Tür und schob den Riegel vor. „Hast du mich vermisst", fragte der Zauberer mit Lothars Stimme. Konnte das wirklich sein? Er sah ganz aus wie ein Zauberer. Hatte Hut und Stab. Moment mal, das war seine Flöte. Er hatte es tatsächlich geschafft. Freudig begrüßte sie ihn und verpasste ihm einen leichten Schlag gegen die Schulter. Sie wollte lächeln, konnte aber nicht. Ihre Augen brannten. Nur mit Mühe unterdrückte sie ihre Tränen. Tiefe trauer hatte sich in ihrem Bauch eingenistet. Alle ihre Träume waren mit einem Schlag gestorben. Lothar würde nie mehr der Wache beitreten. Dazu war er viel zu stolz. Wie konnte er sie so verraten?! Wut qualmte in ihr auf. Es war doch beschlossen! Er und sie traten der Wache bei und. In ihr tobte eine Schlacht. Ein geräuschloser, stiller Kampf, den niemand nicht einmal sie so recht verstand.

Das Gift der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt