Magie floss wieder in diese Welt. Ein schwarz eingehüllter Zauberer stand vor der Maschine und begutachtete den Fluss. Alles verlief nach Plan. Der Zauberer griff nach der langen Goldkette, um seinen Hals an der sich seine Taschenuhr befand. Sie waren im Zeitplan. Er würde zufrieden sein. Mehr Magie bedeutete mehr Macht und mehr Macht mehr tote Teufel. Er würde alles daran setzen, diese Welt von ihnen zu reinigen. Der erste Schritt war getan. Die neue reinere Welt würde bald einbrechen und den gesamten Schmutz von ihrem Angesicht tilgen. Teuflischer wie menschlicher Abschaum würde allesamt mit einem Schlag verschwinden. Nie wieder würden die Menschen gegen die Götter aufbegehren. Alles würde geschehen, wie er es ihm versprochen hatte. Sein Wort galt, sein Wort war beschlossen, niemals konnte er es brechen. Selbst, wenn er es wollte. Er selbst bereute nichts. Die zerbrochene Silberkette an seinem Arm gleitet durch seine Hand. Sie mussten leiden, sterben, seinen Schmerz fühlen. Zischen ertönt von der Apparatur. Heißer Dampf entweicht aus den Kupferrohren. Die Turbine läuft noch. Der lichtbrechende Kristall hatte sich nicht verschoben. Alle Farben waren noch an ihren Platz. Keiner der Strahlen war unterbrochen oder gedämpft worden. Zum Glück, die Raumkrümmung hätte sonst alles zerstört. Die Maschine lief, wenn auch nicht gut. Der Druck war viel zu hoch, das Dampfventil schloss sich kaum noch. Das gesamte Ding drohte zu überhitzen und die Ausbeute war mager. Egal, er musste sie weiterhin testen. Zu viel hatte er schon investiert. Es gab kein Zurück mehr. Nicht für ihn, nicht für die rote Spinne, für niemanden. Es war verboten. Verächtet, geächtet das verderbte Wissen zu suchen. Zu finden bedeutete den Zauberern zu trotzen. Sie wollten die gesamte Magie für sich haben. Neidig verteidigten sie alle Pläne und jeden Hinweis auf die Erzeugung und Gewinnung von Magie. Das hatte hiermit ein Ende. Eis kroch über die Tischoberfläche unter dem Torklappen. Dampf pfeift. Er steigt aus einer Lücke beim Tor auf. Sie überhitzte! Verflucht. Zu viel Druck, viel zu viel Druck. Seine Hand fuhr zu einem Ventil auf der Seite. Es genügt nicht. Mehr Dampf kämpfte sich durch die Torklappen. Von allen Seiten entströmte er. Er musste sie herunterfahren. Rädchen drehten sich, Hebel legte er um. Das Pfeifen wurde lauter. Die Turbine verlangsamt sich. Die Torklappe verbeulte und verbog sich. Der Dampf verformte das Eisen, als wäre es Lehm. Die Magie im Inneren hatte keinen Platz mehr. Konnte nicht entweichen. Oh, nein. Der Zauberer sprang in Deckung. Mit einem Knall explodierte die Torklappen. Etwas wurde herausgeschleudert. Krachte in den Stapel Kisten bei dem Tisch. Den Inhalt konnte er vergessen. Kupferzahnräder verteilten sich klimpernd auf dem Boden. Magie verteilte sich im Raum, waberte wie ein Nebelschleier über ihnen. Die Maschine kühlte ab und hörte auf zu surren. Das etwas regte sich. Sofort raffte er sich auf und griff nach seinem Zauberstab. Zwei kleine Hörner blitzen auf dem Haupt dieses Scheusals. Es musste sterben. Sein Griff verhärtete sich. Das Leder seines Handschuhes knarrte. „Hinfort, Scheusal!", brüllte er und machte ihm Beine. Feuer prallte hinter dem kleinen Teufel auf und schnappte nach seinen Beinen. Hüpfend und springend rannte er durch den Raum. „Was hab ich dir getan? Hör auf, bitte", versuchte er ihn. Sie stellten sich nett, sie taten auf menschlich und versuchten, einen damit hereinzulegen. In Wahrheit lauerten sie nur auf die richtige Gelegenheit. Alle waren sie gleich. Bösartig, hinterlistig und durchtrieben. Keinem konnte man Traun. Feuer brannte auf seinem Zauberstab. Diesmal würde treffen. Es beenden und wieder frieden stiften. Das Scheusal sah es kommen. „Nein, nicht", schrie es und stürzte auf das Kellerfenster zu. Das brachte ihm nichts. Das Fenster war mindestens drei Fuß über dem Boden. Niemand konnte so hochspringen, nicht mal ein Zauberer. Er schoss. Pfeifend surrte er durch den Raum. Kam seinem Ziel näher und näher. Direkt auf den Hinterkopf. Unmittelbar davor – er musste die Hitze schon im Nacken gespürt haben – sprang er. Der kleine Teufel war weder Mensch noch Tier. Auf einem magischen Wind segelte er hoch. Er entkam. Scheiben splitterten. Sonne brach in den Raum ein. Nein! Blitze schossen aus seiner Hand. Die Goldringe glühten. Das Scheusal stürzte aus der Luft. Draußen hörte er es auf das Pflaster klatschen. So war es richtig. Blute, leide, büße für deine Sünden. Für alles, was er ihm, dieser Stadt, dieser Welt angetan hat. Vor dem zerbrochenen Fenster blieb er stehen. Sonne schien ihn ins Gesicht. Er war fort. Der farbige Nebelschleier sank auf den Boden. Aus dem Inneren der Maschine strömte keine Magie mehr. Es war vorbei. Die Magie am Boden begann sich aufzulösen. Sie war zu instabil, zu roh, um genutzt zu werden. Das Experiment war ein Fehlschlag. Die Zauberer würden bald hier sein. Sie musste in Sicherheit gebracht werden. In einem anderen Versteck, einem anderen Haus und einem anderen Keller, würde er seine Forschung vollenden. Aranea würde nicht erfreut sein. Sie hatte ganz andere Probleme. Mehr und mehr Teufel machten die Straßen unsicher. Der Hafen war nur der Anfang gewesen. Von Tag zu Tag wurden sie dreister. Fast täglich gab es angriffe. Wenn das so weiter ging, wenn sie nichts unternahmen. Der Zauberer hielt sich den Mund. Er wagte nicht einmal daran, zu denken. Die Stadt wäre dem Ende geweiht. Keine Menschen würden mehr dort leben. Sie alle würden Opfer ihrer Willkür werden. Einzig und allein die Götter wussten, was dann aus ihnen werden würde. Eine Hand legte sich auf seine Schulter und drehte ihn herum. Er schreckt hoch. Nicht einen Mucks hatte sie gemacht. Aranea stand vor ihm. Die blutrote Königin war nicht erfreut, sie war nie erfreut, schon gar nicht über den Zustand der Maschine. „Versponnener Mist, was ist passiert?!", fragte sie und strich mit ihren spitzen Fingernägeln über ihre rötliche Lederrüstung. „Die Ausrüstung war fast neu. Das Viertel leidet. Wir können nicht ewig den Leuten so viel Geld abknöpfen."
Vereinzelte blonde Strähnen hatten sich aus ihrem Dutt gelöst. Sie war viel zu hysterisch, um der Anführer der Bande zu sein. Getrocknetes Blut klebte an ihrem Brustpanzer. Wusch sie ihre Rüstung oder sich selbst überhaupt? Immer zu stank sie nach Blut und tot. Weitere Blutflecken tauchten bei näherer Betrachtung nach und nach auf. Für eine Metzgerin war ihr Gesicht zarter, als man es erwarten würde. Keine fleischige Nase, keine Narben, nicht einmal eine Falte zeichnete sich auf ihrer Haut ab. Stattdessen saßen zwei bläuliche, rundliche Gläser auf ihrer spitzen Nase. Dunkelgrüne Lippen lauerten darunter. Vermutlich wollte sie dadurch giftig zu wirken. Alles in allem eine eigenartige Frau, aber eine mit denselben Zielen und nur das zählte. „Vergiss das. Wir müssen verschwinden. Schaff die Maschine und die Kisten hier raus", sagte der Zauberer und zeigte auf die verformten Torklappen. „Es ist etwas schiefgegangen. Magie ist ausgetreten. Die Zauberer werden bald hier sein. Ich warte im anderen Versteck."
Die blutrote Königin hob eine Augenbraue. „Zauberer? Hier? Hast du dich mal umgesehen?", sagte sie, während er begann die Apparatur abzumontieren. Am besten trugen sie das ganze Ding samt Tisch in einem Stück hier raus. Wenn er Hebel abnahm und die Turbine entfernte könnte es klappen. Aranea hielt ihn fest. „Lass nur, wir haben Zeit. Die Jungs halten alle Zauberer draußen, die es auch nur wagen, sich hier blicken zu lassen." Mit zwei Fingern pfiff sie in Richtung der Tür, aus der sie gekommen war. Zwei großgewachsene Schläger betraten den Raum. „Is was?", knurrten sie und kamen vor ihr zum Stehen. Der Zauberer klatsche in die Hände. „Hopp, die Kisten und die Apparatur müssen, fortgeschafft werden", befahl er den Gestalten. Demonstrativ verschränkte er die Hände hinter dem Kopf. „Was du willst geht mir sonst wohin. Seh ich aus wie dein Hund?", fragte er und beugte sich zu ihm hinunter. „Wenn es dir so wichtig ist, mach es doch selbst. Fuchtel mit einem Stab herum und zauber die Sachen doch einfach ins andere Versteck."
Unerhört. Frittieren sollte er ihn dafür. Ungehorsamkeit wurde bei der Universität noch nie geduldet. Büßen würde er ihm das. Dieser Grobian würde alle seine Pläne noch zunichtemachen. Die blutrote Königin schritt ein und drängte sich zwischen sie. „Bitte, es ist wichtig. Wir brauchen diese Maschine - und den Zauberer", sagte sie mit abfälligem Tonfall. Der Riese sah zum Fenster. „Na schön, ich mach's. Ich hoffe du weißt was du tust Aranea."
Die zwei packten die Maschine an beiden Enden und begannen sie zu zerlegen und die Treppe hochzutragen. Dabei wollte er sie doch in einem Stück haben. Konnten die den nichts richtig machen? Ohne Vorsichtsmaßnahmen verlegten sie die Rohre und entfernten die Turbine – mit bloßen Händen. Magiereste könnten sich noch daran befinden. Das konnte Teufel, Bestien oder noch schlimmer Zauberer anlocken. Sie würden der Magie, die sie ausstreuten, wie einer Brotkrumenspur folgen und sie finden. Noch schlimmer sie könnten mit ihren klobigen Pranken die Teile kaputt machen. Es würde ewig dauern, alles wieder gerade zu biegen, und schon jetzt wusste er, wem man die Schuld für die Verzögerung geben würde. Aranea stand zu ihren Viertel wie zu einer Familie und er gehörte nicht dazu. Eigentlich war es ihm auch egal, nur der abfällige Ton störte ihn. Vielleicht gab es auch andere Möglichkeiten an fähige Gefolgsmänner zu kommen. Ambitionierte Gesellen hab es in jedem Viertel. Es wäre ein Jammer, wenn eine andere Bande diese Straßen für sich beanspruchen würden. Immerhin bedeuteten Straßen Geld und mehr Straßen die man kontrollierte mehr Geld. Wenn sich Aranea nicht kooperieren wollte, würde die rote Spinne früher als sie es ahnte zur toten Spinne werden. Der Zauberer verließ den Keller mit den letzten Trümmern seiner Maschine. Das hatte Zeit. Im neuen Versteck konnte er in aller Ruhe über seine nächsten Schritte und die Experimente nachdenken. Keiner außer der roten Spinne kannte den Weg dorthin. Höchstpersönlich würde er dafür sorge tragen, dass das auch so blieb.
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Das Gift der Götter
FantastikDer Junge aus dem Armenviertel Lothar wünscht sich nichts mehr als ein waschechter Zauberer zu werden, doch sind seine Chancen bei der Akademie gleich Null. Darum rät ihm Aylia seinen Traum aufzugeben und mit ihr der Wache beizutreten. Gemeinsam kön...