Das konnte nicht sein. Es war unmöglich, seine Augen mussten ihn täuschen. Irgendjemand hatte die Flamme verhext. Sie war nicht mehr weiß. Sie war – rabenschwarz. Schwarz für den Tod, jetzt würde er sterben. Sie würden ihn töten. Das durften sie nicht. Er hatte niemanden etwas getan, er hatte gegen die Teufel gekämpft und mit ihnen Seite an Seite gestanden. „Du warst es stimmt's. Du hast die Flamme verhext", klagte er den Prüfer an.
„Wieso sollte ich so etwas tun? Ich kenne dich nicht und habe keinen Grund dazu. Sprich, wieso ist deine Flamme mal schwarz und mal weiß?"
Es stimmte. Die Farbe des Feuers wechselte stetig zwischen weiß und schwarz. Es schien wie ein ewiger Kampf um die Vorherrschaft, den keine Farbe für sich gewinnen konnte. Lothar zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung."
„Du hast etwas zu verbergen. Mit welchen Mächten bist du im Bunde?"
Lothar zieht eine Augenbraue nach oben. „Mit keinen." Die beiden Farben beginnen zu verschmelzen. Doch welche würde als Sieger hervorgehen. Das Weiß wurde matter und das Schwarz heller. Beide Farben verloren mit jedem Wimpernschlag an stärke, bis nur noch eine übrig blieb. Hier gab es keinen Sieger, nur Verlierer. Aus Weiß und Schwarz wurde schließlich rot. Die beiden hatten sich gegenseitig aufgelöst, bis nur noch rote Flammen übrig blieben. Er hatte es geschafft. Kein Teufel hatte ihn somit verflucht. „Bestanden, schätze ich."
Der Prüfer kam näher und streckte ihm die Hand entgegen. „Verzeih, die Drohung mit dem Tod", sagte er und setzte ein Lächeln auf. „Es ist unsere Pflicht, die Gefahr der Flüche einzudämmen."
Lothar gab ihm die Hand. Sein Griff verhärtete sich. „Schwarz für den Tod", wiederholte Lothar. „Hättest du mich wirklch getötet?"
„Ohne mit der Wimper zu zucken", antwortete der Prüfer und flüsterte etwas. Der Steinkreis reagierte, etwas stimmte nicht. „Was hast du getan?", schrie Lothar. Seine Beine fühlten sich kribbelig an und sein Mund fusselig. Der Sand begann zu schimmern. Eine Falle. Das rote Feuer reichte wohl nicht. Er wollte ihm ein Ende setzen.
„Was denkst du, ist die Aufgabe eines Zauberers?", fragte der Prüfer und spazierte mit einer Hand hinter dem Rücken den Kreis entlang. „Die Teufel aufzuhalten und die Menschen zu bschützen."
Der Prüfer blieb stehen. Streckt den Arm. Die Spitze des Zauberstabes deutet genau auf ihn. „Falsch." Blitze. Knisternd rasen sie auf ihn zu. Er will weglaufen. Etwas stimmt nicht. Der Boden fühlt sich so an, als ob er in einem Moor wäre. Er kommt kaum vorwärts. Die Blitze leuchten vor ihm. Er kann ihnen nicht entkommen. Es knallt. Rauch steigt auf. Direkt vor ihm befindet sich jetzt ein Loch. Der Sand hat sich schwarz verfärbt. Noch immer knistern kleine Funken darin. Das hätte ihn töten können. „Was soll das?!", protestiert Lothar mit weit aufgerissenen Augen. „Ein Zauberer ergründet das Mysterium der Magie. Egal um welchen Preis, egal welche Opfer wir dafür bringen müssen."
„Unsinn. Die Magie ist dafür da, um die Menschen vor den Teufeln zu beschützen."
„Wieder falsch." Wind kam auf. Sand wurde mitgetragen und formte einen sichtbaren Windstrom. Der Strom schlängelte sich um den Zauberstab. Mit einem Mal entließ der Prüfer ihn. Ein Minitornado fegte über den Platz. Er kam direkt auf ihn zu. Mit einer Bewegung seines Stabes machte der Windsturm halt. „Was ist schon eine Welt ohne Magie wert? Sie dich um, all die Rosen, all der Sand, die Runen und der Wind wären nicht möglich", sagte der Prüfer und deutete um sich, während er weiter spazierte. „Magie kann diese Welt erweitern, verbessern und ihr eines Tages vielleicht Wohlstand bringen. Alles, was du gerade siehts, ist nichts im Vergleich zu dem, was alles noch sein könnte."
„Man sollte alle Teufel jagen und verbannen, ohne Wenn und Aber. Die Magie können wir danach erkunden so viel wir wollen."
„Ich mag dich, Junge. Du erinnerst mich an mich, als ich jünger war, darum werde ich das Ganze hier etwas abkürzen", sagte er und schwenkte mit dem Zauberstab. „Du bist noch nicht bereit, diese Last zu tragen. Komm wieder, wenn dir weiße Haare wachsen."
Mist. Dabei verlief doch alles so gut. Der Minitornado kam direkt auf ihn zu. Der Wind wurde stärker. Mehr und mehr Sand wirbelte er auf. Sandkörner hagelten auf ihn herab. Er spürte das Prasseln auf seinen Armen. Immer wieder musste er blinzeln, damit ihm nichts in die Augen geweht wurde. Wegrennen brachte nichts. Stehenbleiben auch nichts. Der Wind würde ihn einfach wegtragen. Der Druck nahm zu. Lothar hob seine Hände vor seine Augen und drückte sich gegen den Sturm. Sand begrub seine Stiefel. Das war's. Es war nicht sein bester Einfall und auch nicht der Brillanteste, aber ihm blieb nichts anders übrig als es zu versuchen. Er ging in die Knie. Der Tornado kam näher und gewann immer mehr an Stärke. Bald würde es zu spät sein. Er musste sich beeilen. Mit beiden Händen schaufelte er so viel Sand zur Seite, wie er nur konnte. Kaum hatte er den Sand herausgeschaufelt, wurde er auch wieder zurückgedrückt. Das war egal. Es erfüllte seinen Zweck. Sein Körper versank zusehends im Sand. Dort würde er vor dem Wind geschützt sein. Dort würde er abwarten, bis alles vorbei war, um anschließend triumphierend emporzusteigen. Der Tornado kam. Mit einem Hauch wurde der Sand hochgeschleudert. Seine Hände suchten unter sich Halt. Kein Stein, keine Wurzel und auch kein fester Boden bot ihm welchen. Einzig und alleine weicher Sand rieselte zwischen seinen Händen hervor und fielen zu Boden. Das konnte nicht sein. Der Tornado würde ihn häuserweit wegschleudern. Er durfte nicht versagen. Er musste. Das rieselnde Geräusch des Sandes verklang, der Wind sog den Sand zwischen seinen Händen nach oben. Unsichtbare Arme hoben ihn hoch in die Luft. Bis er keinen Boden mehr unter den Füßen spürte. Das war's. Im Steinkreis ließ der Minitornado ihn rotieren. Noch befand er sich nur einen Fingerbreit über dem Boden. Von Mal zu Mal berührte seine Schuhspitze den Boden. Wann immer er konnte, stieß er sich vom Boden ab, um gegen den Wind zu wirken. Nicht, dass es jemals etwas gebracht hätte. „Aus dem Steinkreis, aus der Prüfung", hallte es durch das Pfeifen des Windes zu ihm. Der Tornado bewegte sich weiter, direkt auf das Ende des Steinkreises zu. Dieser verflixte Zauberer machte ihn auch nichts leicht. Bald würde der Wind die Grenze überschreiten und ihn mitnehmen. Er war ihm ausgeliefert. Eine überlegene Macht, gegen die er nichts ausrichten konnte. Lothar spürte das ziehen des Windes auf seiner Haut, er wurde schwächer. Die Windrune zog an ihn vorbei. Sie erzeugte einen Gegenwind, durch den er entkommen konnte. Er könnte nach ihr greifen und sich damit in Sicherheit ziehen. Er musste nur noch nah genug an sie herankommen. Mit Armbewegungen versuchte er im Strom zu schwimmen, seine Beine zappelten, aber es brachte kaum etwas. Der Wind riss ihn fort. Die Windrune entfernte sich von ihm. Vor ihm tauchte der Steinkreis auf. Mit der Spitze seines Schuhes versuchte er zu bremsen. Sand knirschte, sein Schuh zog eine Spur. Der Tornado war nicht schnell, dennoch konnte er ihm nicht entkommen. Sein Schuh stößt gegen den Stein. Verhakt sich und wird entlang der Steine abgetrieben. Direkt auf die nächste Rune zu. Feuer wäre ein Problem. Würde er sich daran festhalten, würde sie ihn verbrennen. Es würden üble Brandblasen werden. Die Luft wurde kühler. Ihn erwartete kein Feuer. Sondern Eis. Schnee knirschte unter seinem Stiefel. Die gefrorene Säule kam näher. Seine Arme steckten sich danach aus. Ein Finger berührte sie. Die Kälte fuhr ihm sofort durch den Leib. Es schmerzte schon fast. Er ignorierte es. Biss sich auf die Lippe und umklammerte sie. Es war, als ob man einen Eiszapfen umarmte. Seine Finger liefen rot an. Jeder seiner Atemzüge wurde von einer kleinen Wolke begleitet. Der Tornado ließ nicht locker. Stärker als zuvor zog er an ihm. Sein Herz klopfte. Seine Finger liefen blau an. Er gab nicht auf. Er würde Zauberer werden. Koste es, was es wolle. Ob Schmerz, Spott oder sonstigen Widrigkeiten. Er würde Aylia und die anderen vor den Teufeln beschützen. Außerdem konnte er nicht aufgeben. Aylia würde ihn auslachen, wie könnte er so unter ihre Augen treten. Unter den Wächtern wäre er bloß ein kleiner Fisch, unter den Zauberern könnte er jemand sein. Der Wind ließ allmählich nach. Er hatte das Gefühl in seinen Fingern verloren. Auch sein Herz klopfte unregelmäßig. Eis brach und splitterte, als er seine Finger von der Säule löste. Schon von hier aus hörte er das Knistern des Feuers. Der rötliche Schein versprach Wärme, Hoffnung und Leben. Und gerade brauchte er alles davon. Der Boden war eisig. Seine Füße rutschen weg. Sanft landete er mit dem Gesicht voran im Schnee. Als ob ihm nicht schon kalt genug wäre. Das die Kälte lief ihn in sein Gewand. Als das gefrorene Weiß schmolz, hinterließ es kalte Flecken und schon sehr bald würden es mehr werden. Vor dem Feuer kehrte das Leben in ihn zurück. Das Eis schmolz und seine Finger kribbelten vor Freude. „Egal, was du machst, ich werde Zauberer", sagte er mit klappernden Zähnen.
Der Prüfer klatschte. Zum ersten Mal seit langer Zeit schien er zu lächeln. „Bestanden."
„Das war ganz schön unfair."
„Beantworte mir eine Frage", sagte der Prüfer und trat zu ihm ans Feuer heran. „Kämpfen die Teufel fair?"
Im Haus hatte er sie überrascht und nicht gezögert seine Magie einzusetzen. Auch hatte er ihn in dieser Hundegestalt überrascht. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, kannte er kein einziges Mal, wo sie einen fairen Kampf bestritten hatten. Was war das überhaupt für eine Frage? Man erwartete schließlich von einem Teufel, dass er hinterhältig und unfair kämpfte. „Nein, natürlich nicht. Wäre auch albern so etwas zu erwarten."
„Richtig. Wieso hast du also von mir erwartet, dass ich fair kämpfe?", fragte der Zauberer und kehrte ihm den Rücken zu. „Wenn man einen Vorteil hat, nutzt man ihn. Denn tut man es nicht. Wird man es berühen, früher oder später zahlen wir alle für unsere Sünden."
Die Farbe war in seine Finger zurückgekehrt. Auch das Kribbeln hatte nachgelassen. Er war bereit für die letzte Prüfung. Das konnte nicht mehr schiefgehen. Er gehörte einfach zu ihnen. Die Universität war sein Traum, sein Leben und bald seine Heimat. Er atmete noch einmal tief durch. „Bist du für die letzte Prüfung bereit?", fragte der Prüfer und legte seine Hände auf den Steinkreis. „Du hast dich gut geschlagen. Doch jetzt kommt die Königsdisziplin. Bist du ganz sicher bereit?"
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Das Gift der Götter
FantasyDer Junge aus dem Armenviertel Lothar wünscht sich nichts mehr als ein waschechter Zauberer zu werden, doch sind seine Chancen bei der Akademie gleich Null. Darum rät ihm Aylia seinen Traum aufzugeben und mit ihr der Wache beizutreten. Gemeinsam kön...