Hinter uns stand ein großer, goldglänzender Palomino, dessen strahlendes Fell im Sonnenlicht wie flüssiges Gold schimmerte. Sein majestätisches Auftreten und die feine Struktur seines Körpers ließen auf eine besondere Herkunft schließen. Ein markanter Stern zog sich über die Stirn des Pferdes, und ich konnte nicht anders, als fasziniert von dieser eleganten Erscheinung zu sein.
Neugierig streckte das Pferd seinen Kopf aus und begann, vorsichtig an meinem Arm zu schnuppern. Seine sanften Nüstern kitzelten meine Haut, und ich war überrascht von der zarten, fast neugierigen Berührung. Es war ein Moment, der eine unheimliche Verbindung zwischen uns herstellte, und ich konnte spüren, dass dieses Tier nicht einfach irgendein Pferd war.
Louis, der neben mir stand, wirkte ebenfalls nachdenklich. Sein Blick war scharf und prüfend, als er das Pferd von Kopf bis Fuß musterte. „Die scheint noch sehr jung zu sein", murmelte er, seine Stimme betrübt. „Verletzungen sehe ich auch nicht... Wieso verkauft man ein solches Pferd an den Metzger?"
Seine Frage hing in der Luft, schwer und bedeutungsvoll. Louis ließ seine Hand sanft über den Kopf des Pferdes gleiten, als wollte er ihm Trost spenden oder vielleicht eine Antwort aus ihm herauslesen. Er warf immer wieder suchende Blicke in Richtung des dicken Mannes, der gerade noch so freundlich und überschwänglich gewesen war, als er uns die Tiere präsentierte.
Der Widerspruch zwischen dem edlen Wesen vor uns und dem möglichen Schicksal, das ihm drohte, schien unvereinbar. Wie konnte jemand solch ein beeindruckendes Tier einfach so zum Schlachten verkaufen? Es war nicht nur eine Frage der Logik, sondern auch eine des Anstands und der Menschlichkeit. Louis' Stirn legte sich in Falten, als er versuchte, eine Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch zu finden.
„Entschuldigen Sie?" Louis' Stimme klang ungeduldig, und der brummige Metzger verzog sein Gesicht in eine missmutige Grimasse. „Wenn du einen Praktikumsplatz suchst, wende dich per E-Mail an den Betrieb."
Louis' Ton ließ keinen Raum für Missverständnisse, und ich trat nun ebenfalls neben ihn. „Nein, Monsieur, wir suchen kein Praktikum! Ich interessiere mich für ein Pferd!"
Der Metzger sah uns jetzt sichtlich verwirrt an. „Auch damit seid ihr bei mir falsch. Dadrüben stehen die schicken Junghengste. Da findest du bestimmt deinen Ostwind. Die Pferde, die hier bei mir stehen, sind alt und krank und bekommen sicher keinen Gefallen damit, mit Schmerzen auf der Koppel zu stehen. Ich muss jetzt weiter arbeiten."
Der Mann wandte sich schon ab, als Louis ihn zurückhielt. „Der Palomino dort auch?" Louis deutete auf das prächtige Tier, das vorhin unsere Aufmerksamkeit erregt hatte. „Komisch, die wirkt gar nicht alt oder krank. Was hat er denn?"
Der Metzger blieb stehen und schien nun selbst perplex zu sein. Ein Moment der Unsicherheit lag in der Luft, als ob die Fassade seiner bisherigen Erklärungen ins Wanken geriet. Sein Gesichtsausdruck wechselte von brummig zu nachdenklich, und wir standen da, mit der gleichen Frage im Kopf, die jetzt auch in seinen Gedanken schwebte.
Wir beobachteten, wie sich ein kurzer Kampf in ihm abspielte, ob er uns mehr über den Palomino erzählen sollte oder nicht. Der glänzende Palomino schien fast unschuldig inmitten dieser Verwirrung zu stehen, als wäre er der stille Zeuge eines nicht ganz klaren Spiels.
Der Metzger atmete tief durch und schien eine Entscheidung zu treffen. „Der Palomino...", begann er schließlich, „...ist tatsächlich ein Sonderfall. Er ist nicht alt, und er scheint auch nicht krank zu sein. Aber es gibt Dinge, die man nicht auf den ersten Blick sieht. Manchmal kann eine falsche Entscheidung oder ein Fehler in der Zucht zu Problemen führen, die erst später auftreten."
Sein Ton war jetzt weniger abweisend, mehr nachdenklich und etwas resigniert. „Aber ich bin nicht hier, um Geschichten zu erzählen. Es gibt einen Grund, warum er hier steht, und das ist nicht immer sofort ersichtlich. Wenn ihr wirklich interessiert seid, müsst ihr euch vielleicht an jemand anderen wenden, der mehr darüber weiß."
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Only Two Dreams
Teen FictionLillja ist überglücklich. Louis hatte seit langem keine Probleme mehr und ihr Turniererfolg steigt steil an. Doch der Schein trügt. Als sie mit Louis ein Wochenendtrip nach Frankreich macht besucht das Paar einen Pferdemarkt. Hier in La Roche - sur...