Kapitel 6

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Der nächste Tag verlief gut. Die Wege zum verfluchten Wald waren nicht stark begangen, sie hatten größtenteils ihre Ruhe. Dadurch gab es bisher auch keine Wegelagerer, da so gut wie nie wertvolle Kutschen durch diese Gegend fuhren.

Izuku und Katsuki nutzten die Zeit, um sich von den vergangenen Jahren zu erzählen. Katsuki erzählte von dem Umzug und dem schweren Neuanfang, wie seine Mutter sich in den Kampf und sein Vater in die Pflege von Tieren geworfen hatten, um mit der Trauer umzugehen. Und wie Katsuki so schnell wie möglich von Zuhause verschwunden war und als Knecht angefangen hatte. Wie er dort Eijiro kennen gelernt hatte, der ihn so ziemlich gerettet hatte. Er erzählte davon, wie sie Botschafter des Königs wurden und seitdem meist zu zweit durch die Welt reisten, immer mit einer Nachricht im Kopf oder in der Tasche.

Izuku erzählte davon, wie seine Familie in den verfluchten Wald fliehen musste, da Nymphen in vielen Teilen dieses Königsreichs als böse Wesen angesehen und gejagt werden. Er sprach von den Verlusten, die sein Clan hatte ertragen müssen und wie sie von Verteidigung zu Angriff übergegangen waren. Dadurch und durch die anderen Wesen, die sich in dem dichten Wald Zuflucht gesucht hatten, hatte der Wald erst die Bezeichnung „verflucht" bekommen. Seitdem lebten sie deutlich sicherer, auch wenn es auf Dauer auf dem wenigen Raum eng und langweilig wurde. Sie lebten von Fisch und Wasserpflanzen, die sie selbst anbauten und züchteten.

Es tat so gut, nach all den Jahren ungezwungen mit Izuku zu reden. Er hatte seine frohe, herzensgute Art so vermisst. Katsuki stolperte dauernd über irgendwelche Steine und Wurzeln, weil seine Augen an Izukus Lippen hingen, der stundenlang über ein Thema reden konnte. Auch wenn er am liebsten Fragen stellte. Katsuki versuchte ihnen gerecht zu werden, aber bei einigen war er dann doch überfragt. Wieso das Licht unter Wasser anders aussah als an Land, beispielsweise. Da konnte Katsuki nur ratlos mit den Schultern zucken.

Der Weg von der Burg bis zum verfluchten Wald umfasste zwei Tagesreisen, wovon sie an diesem Abend einen Großteil zurück gelegt hatten. Und je mehr Zeit sie zusammen verbrachten, desto mehr fürchtete er sich vor dem Abschied. Er wusste, für ihn würde es ein erneuter Verlust seines Freundes bedeuten, an dem er schwer kauen würde. Wie Izuku dazu dachte, hatte er sich nicht zu fragen getraut. Vielleicht war er ganz froh drum, wenn sich ihre Wege wieder trennten. Er schien die Ankunft im Wald zumindest kaum erwarten zu können, während Katsuki jede Meile schwerer fiel.

So kurz vor dem Wald gab es keine Herbergen mehr. Deshalb machten sie es sich ein Stück vom Wegrand entfernt mit einem kleinen Lagerfeuer zwischen zwei Buchen gemütlich. In den Rucksack hatte nur eine Decke gepasst, weshalb sie sie sich teilen mussten. Katsuki reichte Izuku das Räucherfleisch und ein Stück Brot.

„Danke", murmelte Izuku müde an seiner Seite.

Sie saßen dicht nebeneinander gegen den einen Buchenstamm gelehnt und blickten auf das knisternde Feuer, das Katsuki mit seinen Flammen entfacht hatte. Die Nacht war ruhig, in der Nähe hörten sie einen einsamen Waldkauz rufen und ein paar Fledermäuse kreisten umher.

Katsuki liebte solche Nächte unter freiem Himmel. Es gab auf der Welt wenig schöneres, als still am Lagerfeuer zu sitzen und die Ruhe der Nacht zu genießen. Es bot eine der wenigen Möglichkeiten des Lebens, Frieden zu finden, dem Katsuki immer nachzurennen versuchte und doch nie ganz bekam. Zu tief verrannte er sich meist in irgendwelchen Ärgereien, aus denen ihm Eijiro wieder raushelfen musste. So wie die dumme Idee, durch den verfluchten Wald als Abkürzung zu gehen.

Wobei... gerade sah es so aus, als wäre das keine seiner schlimmsten Entscheidungen gewesen. Er spürte Izukus warme Schulter an seiner. Die Nacht war kalt, weshalb sie nahe beieinander saßen und die Decke dicht um sie gewickelt hatten. Katsuki hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn sie so schlafen würden. Auch wenn es so nahe des verfluchten Waldes besser war, wenn einer von ihnen Wache halten würde.

Von Nymphen und FeuerkräftenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt