Kapitel 10

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Emilia spürte, wie ihre Hände zitterten, als sie die Nachricht von Severin las. Er war auf dem Weg zu ihr, und sie wusste, dass die bevorstehende Begegnung entscheidend sein würde. Die Spannung war fast greifbar, als sie ins Badezimmer eilte, um ihre Haare zu kämmen. Es war eine automatische Geste, die sie immer machte, wenn sie nervös war, als würde das äußere Erscheinungsbild ihr helfen, ihre innere Unruhe zu bändigen.

Ein paar Minuten später klingelte es an der Tür. Emilia atmete tief durch und öffnete. Vor ihr stand Severin, der müde und angespannt wirkte. Dunkle Ringe unter seinen Augen zeugten von schlaflosen Nächten, und seine Kleidung war zerknittert. Es war offensichtlich, dass er ebenfalls unter der Situation litt.

„Wieso ignorierst du mich? Wieso antwortest du mir nicht? Ich habe mir Sorgen gemacht!" sagte er in einem lauteren Ton, als er an ihr vorbei in die Wohnung trat. Seine Stimme war eine Mischung aus Verärgerung und Verzweiflung, und Emilia fühlte, wie ihre eigenen Emotionen hochkochten.

Sie schloss die Tür hinter ihm und drehte sich zu ihm um, ihre Augen blitzten vor unterdrückter Wut. „Du fängst so an? Ok! WIESO SAGST DU MIR NICHTS VON DEINER TOCHTER?!" schrie sie, ihre Stimme bebte vor Zorn und Schmerz.

Severin erstarrte, seine Augen weiteten sich vor Überraschung. „Von meiner was?!" rief er, seine Verwirrung offensichtlich. Er schüttelte den Kopf, als könnte er nicht glauben, was er hörte.

„Tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche!" Emilia griff nach dem Brief und dem Foto, die sie auf dem Couchtisch bereitgelegt hatte, und hielt sie ihm vor die Nase. „Hier! Erklär mir das!" Ihre Stimme war schrill, und Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie sich gegen die aufsteigende Panik wehrte.

Severin nahm den Brief und das Foto, seine Hände zitterten leicht, als er die Dokumente betrachtete. Er las die Zeilen, und seine Stirn legte sich in Falten. Dann blickte er Emilia an, seine Augen funkelten vor Wut und Unverständnis.

„Ich habe keine Tochter!" rief er, seine Stimme laut und scharf. „Ich weiß nicht, wer diese Anna ist, und ich habe keine Ahnung, warum sie dir das geschickt hat! Das ist eine Lüge!"

Emilia fühlte, wie ihre Welt ins Wanken geriet. Sie wollte ihm glauben, sie wollte wirklich glauben, dass er unschuldig war. Aber die Beweise waren da, direkt vor ihnen. „Wie kannst du das leugnen?! Das Bild! Die Ähnlichkeit!" Ihre Stimme brach, als sie die Worte herauspresste.

Severin schüttelte den Kopf, seine Gesichtszüge waren angespannt vor Zorn. „Das ist doch verrückt! Jemand versucht, uns auseinanderzubringen! Jemand will mich sabotieren, und du glaubst es auch noch!" Seine Stimme wurde immer lauter, während seine Verzweiflung wuchs.

„Und warum sollte jemand das tun?!" schrie Emilia zurück, ihre Wut spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. „Was soll das für ein Spiel sein? Warum sollte jemand sich die Mühe machen, so eine Geschichte zu erfinden?"

Severin warf die Papiere auf den Boden, sein Gesicht war eine Maske aus Frustration und Verletzung. „Ich weiß es nicht! Aber ich weiß, dass ich dir nie etwas vorgemacht habe! Ich habe dir alles erzählt, was es über mich zu wissen gibt!"

Die Spannung im Raum war unerträglich, die Luft schien vor unausgesprochenen Worten und unterdrückten Emotionen zu vibrieren. Beide waren in ihrem Schmerz und ihrer Wut gefangen, unfähig, einen Schritt aufeinander zuzugehen.

Emilia fühlte, wie ihre Fassade bröckelte. „Warum hast du dann nie etwas über diese Anna gesagt?" fragte sie leise, ihre Stimme war ein heiseres Flüstern. „Wenn es nichts zu verbergen gibt, warum hast du mir nie von ihr erzählt?"

Severin starrte sie an, seine Augen waren kalt und hart. „Weil es nichts zu erzählen gibt! Sie bedeutet nichts für mich! Ich weiß nicht einmal, wer sie ist!"

Emilia fühlte, wie ihre Wut und Verzweiflung in Tränen umschlugen. Sie wollte ihn anschreien, ihn zur Vernunft bringen, aber sie konnte nur da stehen und die Tränen liefen ihr über das Gesicht. „Du... du lügst..." flüsterte sie, unfähig, ihre Gefühle in Worte zu fassen.

Severin rieb sich frustriert über das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Ich habe genug von diesem Unsinn," sagte er, seine Stimme war kalt. „Wenn du mir nicht glaubst, dann... dann weiß ich nicht, was ich noch tun soll."

Er ging zur Tür, und Emilia fühlte, wie Panik in ihr aufstieg. „Severin, warte!" rief sie, aber er ignorierte sie. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss, und Emilia stand allein in ihrer Wohnung, ihre Welt lag in Trümmern.

Die Stille, die folgte, war ohrenbetäubend. Emilia sank auf die Knie und hob die zitternden Hände vors Gesicht. Die Ereignisse der letzten Tage waren wie ein Albtraum, aus dem sie nicht aufwachen konnte. Sie fühlte sich verloren, betrogen und zutiefst verletzt. Severins Reaktion hatte sie sprachlos gemacht. War es möglich, dass er wirklich nichts wusste? Oder hatte sie sich so in ihm getäuscht?

Die Minuten verstrichen, doch Emilia konnte sich nicht rühren. Sie war in Gedanken verloren, versuchte, einen Sinn in all dem zu finden. Die Worte, die sie sich zugerufen hatten, hallten in ihrem Kopf wider, und sie konnte die Angst und den Schmerz nicht verdrängen, die sich in ihrem Inneren breitmachten.

Severin war fort, und mit ihm die Gewissheit, die sie einst in ihrer Beziehung gehabt hatte. Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte, wusste nicht, ob sie ihm jemals wieder vertrauen konnte. Doch die drängendste Frage, die in ihrem Kopf widerhallte, war: Was, wenn er die Wahrheit sagte?

Emilia blieb lange auf dem Boden sitzen, unfähig, die Tränen zu stoppen, die über ihre Wangen liefen. Sie fühlte sich leer und ausgebrannt, als ob alle Emotionen aus ihr herausgesogen worden wären. Der Brief und das Foto lagen verstreut auf dem Boden, stumme Zeugen der Ereignisse, die ihre Welt erschüttert hatten.

Es würde Zeit brauchen, all dies zu verarbeiten, das wusste sie. Und während sie dort saß, allein in ihrer Wohnung, mit nichts als der Stille und ihren Gedanken, wusste sie auch, dass sie eine Entscheidung treffen musste. Eine Entscheidung, die ihre Zukunft bestimmen würde, unabhängig davon, ob sie die Wahrheit über Severin und die geheimnisvolle Anna jemals vollständig verstehen würde.

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