Tick tack, tick tack, tick tack. Dieses nervtötende Geräusch, bohrte sich in meinen Gehörgang und machte mich nervös. "Lilly du bist gleich dran! Beeil dich gefälligst, wenn du nicht wieder auf der Straße landen willst!", rief mir mein Boss mürrisch entgegen. Ich atmete tief durch und zog mir in völliger Konzentration meinen Liedstrich nach. Danach erhob ich mich und richtete den gefiederten Fummel, der gerade so die intimsten Zonen meines aalglatten Körpers bedeckte. "Raus mit dir Darling!", rief der Koordinator der Show und klatschte dabei in die Hände. Ich machte mich bereit und setzte ein zuckersüßes Lächeln auf kurz bevor der Vorhang sich hob. Dies sollte jetzt also mein Leben sein. Wie ihr sicherlich bereits mitbekommen habt, ist mein Name Lilly, oder auch Mary Isabella Lilly Lorelei von Jüchen. Ein ziemlich hochgestochener Name, oder? Daher stelle ich mich hauptsächlich mit dem Namen Lilly vor. Alles andere finde ich einfach nur unnötig und überbewertet. Ihr fragt euch sicher, wie jemand mit einem so extravaganten Namen, in so eine Situation geraten konnte? Im Grunde ist es ganz einfach. Vor nicht ganz 3 Monaten bin ich gestorben und ich war ein wirklich ungezogenes Mädchen! Und wo landen böse Mädchen? Ganz genau: In der gottverdammten Hölle! Ich kann euch sagen, dass das Leben hier unten wirklich genau so scheiße ist, wie man es aus Geschichten gehört hat. Mein nahezu sorgenfreies und perfektes Leben wurde gegen eine verwanzte Wohnung mit Wasserschaden eingetauscht. Ursprünglich stammte ich aus einer wohlhabenden, gläubigen Akademikerfamilie, der es wirklich an nichts fehlte. Zumindest an fast nichts. Etwas mehr Empathie hätte ihnen wohl nicht geschadet. Oft fühlte ich mich unter Druck gesetzt und gleichzeitig übersehen. Irgendwann hatte ich das Gefühl nur noch Aufmerksamkeit zu bekommen, wenn ich Dinge tat, die meine Familie missbilligten. Ich sag es wie es ist: Ich war das schwarze Schaf und lebte auf den Kosten meines Daddy's. Ich war einfach nicht so begabt in der Schule und hatte eher Spaß an anderen Aspekten, die jedoch belächelt wurden. "Mit deiner Musik wirst du nie etwas erreichen!", waren damals die Worte meines Vaters die sich mir schmerzlich in meine Seele einbrannten. Die Scheinwerfer strahlten mir hell entgegen und verblendeten mir die Sicht auf die Zuschauer. "That don't impress me much. So you got the brain, but have you got the touch? Now, don't get me wrong, yeah, I think you're alright. But that won't keep me warm in the middle of the night.", sang ich und lieferte eine sexy Show dazu. In meinem neuen Leben wurde ich zum Showgirl. Fast jeden Abend trat ich in einem Club, vor einem großen Publikum, auf. Ich würde Lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir nicht gefiel, im Mittelpunkt zu stehen. Sicherlich vermisste ich an manchen Tagen meine schöne, große Badewanne mit Massagedüsen, aber immerhin bekam ich hier die Anerkennung, die ich so sehnlichst mein ganzes Leben lang gesucht hatte. Der Vorhang fiel wieder und die Menge tobte. "Lilly mein Schätzchen! Das hast du wie immer wunderbar gemacht!", sagte mein Chef mit rauer Stimme und gab mir einen Klaps auf den Hintern. Ich verdrehte die Augen. "Ach ich bitte dich! Ich habe doch noch viel bessere Nummern drauf als das!", sagte ich und wich ein Stück zurück, weil ich es nicht leiden konnte, wenn er mich anfasste. "Und genau deswegen mein Goldstück wurdest du heute auch privat gebucht! Du hast jetzt 30 Minuten Pause und danach geht es für dich weiter ins Separee.", teilte er mir völlig unverblümt mit und grinste hässlich. "Aha und was ist dieses Mal der Anlass? Ich hoffe sie halten sich dieses Mal an die Regeln! Mehr wie angucken ist nicht! Mach denen das gefälligst klar!", schoss es giftig aus mir heraus. Fast jedes Mal war einer der notgeilen Idioten nicht in der Lage dazu und verwechselte meinen Job mit Prostitution. Seine Augen verdunkelten sich nach meiner Forderung und ich wusste, dass dies kein gutes Zeichen war. "Du wirst schön brav mitspielen hast du verstanden mein Schätzchen? Ganz egal, was die Herrschaften von dir wollen, du wirst spuren! Prinz Stolas feiert heute seinen Junggesellenabschied bei uns. Solch hohe Lordschaften hatten wir hier noch nie! Das wird den Laden in ein noch besseres Licht rücken! Also sei ein braves Mädchen und erfülle ihm all seine Wünsche!", ermahnte er mich. Ich schluckte und mein Selbstbewusstsein schwand dahin. "Ja Sir...", antwortete ich kleinlaut und senkte meinen Blick. Er kam mir ganz nahe und umfasste grob mein Kinn, um es nach oben zu drücken. "Braves Mädchen!", knurrte er und ließ mich schließlich wieder los. Er stank nach Rauch und Alkohol. Dieser dämliche Wixxer, dachte ich, als ich an meinen hell beleuchteten Spiegeltisch zurück ging. Die Arbeit auf der großen Bühne machte mir ja Spaß, da ich so unerreichbar für das Publikum war, aber bei diesen Privatvorstellungen kam es schon öfter vor, dass mehr gefordert wurde und das war nicht mein Ding. Ich nahm mir ein neues Outfit von der Stange und rauchte noch eine letzte Zigarette, bevor ich mich auf den Weg machte. Obwohl mir mein Herz bis zum Halse schlug, konnte ich meine Nervosität gut verbergen. Regel Nummer Eins: Zeig niemandem, was du wirklich fühlst! Es sei denn du willst, dass man dich verletzt. Gefühle machen einen angreifbar! Nur noch wenige Schritte lagen zwischen mir und der Tür des privaten Backrooms. Ich nahm einen letzten tiefen Atemzug, bevor ich selbstbewusst hineintrat. Das Pfeifen ignorierte ich gekonnt und verschaffte mir einen groben Überblick. Ein ungewöhnlicher Anblick, so viele schnöselig gekleidete Dämonen auf einem Haufen zu sehen. Ich durchschaute ihre Fassade aber sofort. Vielleicht lag es auch daran, dass ich im übertragenen Sinne eine von ihnen war. Sie mochten zwar besser aussehen als die meisten hier lebenden Verdammten, aber dennoch waren sie schmierige, schwanzgesteuerte Halunken, die sicherlich nichts Gutes im Sinn hatten, denn so war die Hölle nicht. "Also die Herrschaften. Wer ist denn der Glückliche?", fragte ich charmant und zog mich galant am Podest nach oben. "Hier drüben! Der junge Prinz sitzt hier drüben!", rief einer, der schon ordentlich angetrunken schien. Wirklich glücklich sah er nicht aus, was mich stutzig machte. Außerdem sah er so... jung aus? Wollte er wirklich heiraten? Es wirkte sogar fast, als wenn er nichtmal hier sein wollte. Ich bewegte mich zielsicher zu ihm rüber und setzte mich eng neben ihn. "Hallo mein Hübscher! Hast du irgendwelche Wünsche?", fragte ich aufreizend und fuhr mit meinen Fingern über sein weiches Gefieder. Nervös zerrte er an seinem Kragen umher und räusperte sich. "Nichts liegt mir ferner, als eine Dame in unsittliche Situationen zu bringen.", stammelte er und wich meinen Blicken förmlich aus. "Du bist wirklich süß, aber... ich werde bezahlt dafür Schätzchen, also lehn dich zurück und entspann dich!", sagte ich zuckersüß und zwinkerte ihm zu. Und Showtime. Ich tanzte verschiedene Nummern und sorgte im gesamten Raum für gute Stimmung, aber egal was ich auch versuchte, den traurigen Prinzen konnte ich nicht erheitern. Ich hatte ja wirklich vieles erwartet, aber nicht so etwas. Theoretisch hätte es mir egal sein können, war es aber nicht. Ein weiteres Mal stieg ich von meinem Podest hinab und ging direkt in die Offensive. Ohne um Erlaubnis zu fragen, setzte ich mich auf seinen Schoß und nahm sein Gesicht in meine Hände. "Warum so traurig Süßer? Kann ich dich irgendwie trösten?", fragte ich verspielt und schaute ihn direkt an. Erst jetzt fielen mir seine intensiven, roten Augen auf, die mich förmlich hypnotisierten. Ich war froh, dass ich mich für etwas orientalisches entschieden hatte und meine untere Gesichtshälfte durch einen Schleier verdeckt wurde. Dieser versteckte nämlich verräterische Gesichtszüge, was mir mehr Sicherheit gab. Seine Federn bauschten sich auf. "Wer bist du nur?", fragte er leise und wirkte wie versteinert. "Ist das denn wichtig? Ich kann alles für dich sein! Du brauchst es nur zu wünschen.", sagte ich verführerisch und wusste selbst nicht, was ich da eigentlich tat. Ich verstieß im Grunde gegen meine eigenen Prinzipien, aber er hatte etwas an sich und war irgendwie anders. "Ich glaube mir reicht die Person, die du wirklich bist!", antwortete er ruhig und zog mir damit den Boden unter den Füßen weg. Was war das für ein sonderbarer Dämon und wo war er nur mein ganzes Leben? In mir brannte eine Sicherung durch und ich überlegte nicht weiter. "Ich bin Lilly.", antwortete ich und nahm unüberlegt meinen Schleier ab, um ihn zu küssen. Das dämliche Gegröle drumherum blendete ich einfach aus. Die Luft zwischen uns schien wie elektrisch aufgeladen, so sehr knisterte es in mir. Verkrampft hielt er mich an den Oberarmen fest und starrte mich erschrocken an, als wir uns voneinander lösten. Erst jetzt bemerkte ich, was ich gerade getan hatte, und zog den Schleier sofort wieder nach oben. "Tut mir wirklich leid! Wird nicht noch einmal vorkommen.", erklärte ich und wollte gerade aufstehen. "Ist schon okay... Vielleicht fangen wir nochmal von vorne an?", stammelte er. Überrascht sah ich ihn an. "Wie meinst du das?", fragte ich irritiert. Ich konnte ja schlecht noch mal raus gehen und wieder reinkommen, oder? Und was würde es nützen? Schließlich würde er heiraten. "Ich möchte dich gern wiedersehen.", flüsterte er mir ins Ohr, damit die anderen es nicht hörten. Meinte er das wirklich ernst? "Du weißt ja, wo du mich findest Süßer, aber leider ist die Zeit jetzt um.", flüsterte ich zurück und zwinkerte ihm zu, bevor ich aufstand und mich körperbetont zurückzog. Als ich die Tür hinter mir zuzog, sah ich ihn nochmal an und konnte seine Augen aufleuchten sehen. Er hatte wirklich etwas Einprägsames an sich. Abwesend lächelnd ging ich an meinen Platz zurück und war bereit, um Feierabend zu machen. "Warum grinst du denn so dämlich?", fragte mein Chef plötzlich aus dem Hintergrund, der mich misstrauisch beäugte. Scheiße. "Ach es ist nichts Sir! Alles ist bestens, aber sagen Sie... der junge Lord... Wie alt ist er? Ist er nicht noch etwas zu... jung, um zu heiraten?", fragte ich ungebremst und spielte mit meinen langen, dunklen Haaren. Er zog eine Augenbraue nach oben und schüttelte nur den Kopf. "Ich kenne diesen Blick. Meine Tochter hat neulich auch so komisch geschaut, als sie von so einem Typen geschwärmt hat! Ich sag dir was Schätzchen: Schlag dir das schnell wieder aus dem Kopf! Er wurde Prinzessin Stella versprochen und den Goetia ist Tradition sehr wichtig!", erklärte er brummig. "Pff, du tust ja so, als hätte ich mich verliebt! Ich hatte mich nur gewundert, weil er so jung aussah. Das ist alles, aber wie schön, dass du dir Sorgen um mich machst!", antwortete ich sarkastisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Er zog eine Augenbraue nach oben und zündete sich desinteressiert eine Kippe an. "Ganz wie du meinst Schätzchen, aber ich interessiere mich lediglich für die Summen, die du mir einbringst! Das Prinzchen ist soweit ich weiß, 19 Jahre alt! Ich wünsche dir viel Spaß mit dieser Information..." Danach drehte er sich um und zog ab. Stumm saß ich vor meinem Spiegel und wischte mir das Make – Up aus meinem Gesicht. 19 Jahre. Er war also wirklich so jung, wie er aussah. Komische Traditionen waren das, dachte ich und stand völlig neben der Spur. Immer waren all die guten Typen vergeben! Niedergeschlagen lief ich durch die chaotischen Straßen und konnte nur noch an ihn denken. Trotzdem musste ich meinem Boss wohl oder übel Recht geben, denn ich musste mir das tatsächlich aus dem Kopf schlagen. Auch wenn ich schon in der Hölle war, wollte ich keine billige Hure sein, die anderen Frauen die Ehemänner stahl. Außerdem wäre es wohl auch nicht klug sich mit hochrangigen Dämonen anzulegen. Wenn er sich allerdings melden würde... könnte ich wohl für nichts garantieren...
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Aus dem Schatten der Einsamkeit mitten ins Herz
FanfictionAuf Wunsch versuche ich mich an einer Lovestory über Stolas und einen eigens entworfenen Charakter. Ich kann noch nicht genau sagen, wo die Geschichte hinführt und wie sie endet, aber wenn ihr auf Romantik und Pretty Woman Vibes abfahrt, dann könn...