Fuck you Dad... (Octavia's Sicht)

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"My world is burning down around me..." Gelangweilt lag ich auf meinem Bett, hörte Musik und blätterte in meinem Lieblingsmagazin umher. Das Volumen hatte ich dabei auf volle Lautstärke gestellt, damit ich von nichts und niemandem gestört werden konnte. Hauptsächlich tat ich dies, weil meine Mutter die beknackte Angewohnheit hatte, wie eine hysterische Furie zu schreien. Es wurde zwar etwas besser, seid sie und Dad nicht mehr täglich aufeinander trafen, aber dennoch fand sie tagtäglich genügend Gründe, um auszurasten und wenn es die falsche Teesorte war. Als wir noch zusammen im Palast lebten, haben meine Eltern mehrfach täglich lauthals gestritten und meine Kopfhörer waren für mich der einzige Ausweg. Das Schlimmste daran war allerdings nicht die Tatsache, dass ich mit ansehen musste, wie sich meine Eltern gegenseitig behandelten, sondern, dass sie mich vergaßen. Zumindest hatte ich oft das Gefühl, dass ich ihnen nicht wichtig genug war. Vor allem war ich wütend auf meinen Dad. Früher als ich noch klein war, war er immer für mich da und hat sich so viel Mühe mit mir gegeben. Zugegeben er probierte es in letzter Zeit wieder öfter, aber oft waren seine Ideen eine Vollkatastrophe. Wenn meine Freunde mich mit ihm im Lu Lu Land gesehen hätten, wäre das einfach nur schräg und peinlich geworden. Er behandelte mich einfach viel zu oft wie ein Kleinkind. Als Mum dann auszog und sie anfingen mich wie einen Wanderpokal herumzureichen, fühlte ich mich nur noch beschissener. Oft kam es mir vor, als würden sie mich benutzen, um ihren Kampf auszufechten und das stresste mich enorm. Meine Eltern hatten beide ihre Besonderheiten, aber dennoch liebte ich sie, obwohl ich zugeben musste, dass es mich mehr traf, wenn ich Ärger mit meinem Vater hatte. Von Mum war ich es gewohnt, dass sie sich wie eine gestörte Psychopathin aufführte, aber mein Vater gab mir immer dann Rückendeckung, wenn ich es brauchte. Doch als mein Dad anfing meiner Mutter die Stirn zu bieten und letztendlich die Scheidung forderte, wurde mir mein letztes Standbein weggerissen. Er schien keinen Platz mehr für meine Belange zu haben und das deprimierte mich zutiefst. Ich tat zwar immer so, als wäre mir alles egal, aber in der Nacht kamen die Albträume und Tränen. Und nun war da auch noch diese neue Frau... Lilly. Ich musste unweigerlich mit den Augen rollen, als ich darüber nachdachte, dass sie nun mit meinem Vater zusammenlebte. Als er mich vor einigen Tagen anrief, um mir davon zu berichten hätte ich am liebsten geschrien, geflucht und den Palast in Brand gesteckt. Ich machte auch kein Geheimnis daraus, dass ich extrem genervt davon war, dass sie und mein Dad gefühlt immer zusammen waren. Außerdem wusste sie gefühlt alles besser als ich und hatte dann auch noch Recht. Neulich waren wir Einkaufen und sie kannte sich einfach viel besser in der Mall aus als ich. Ebenfalls verstand ich nicht, weshalb sie sich überhaupt um mich bemühte. Sollte sie sich doch mit meinem Vater zufrieden geben und mich in Ruhe lassen. Ich hatte schließlich eine Mutter und brauchte sie nicht. Wenn sie glaubten, dass ich mit ihnen auf heile Familie machen würde, hatten sie sich geschnitten. Zugegeben, sie machte ein ziemlich leckeres Frühstück, hatte einen Sinn für Ästhetik und war eigentlich ganz nett und vielleicht hätte ich sie unter anderen Umständen leiden können, aber sie stahl mir meinen Vater. Niemals würde ich das akzeptieren können. Außerdem war Mum außer sich, als sie zum ersten Mal auf Lilly traf. Meine Mutter war zwar eiskalt und nicht unbedingt der Typ Frau, den man als liebendes und fürsorgliches Eheweib bezeichnen könnte, aber irgendwelche Gefühle musste sie doch für meinen Vater übrighaben, wenn sie sich so dermaßen darüber aufregte, dass Dad eine neue Flamme hatte. Zumindest war das meine Wunschvorstellung, weil ich nicht nur das pure Böse ihr sehen wollte. Unsere Beziehung war zwar nicht wirklich definierbar und sie schaffte es oft mich zu verunsichern, aber sie war nun mal meine Mutter. Oft fühlte ich mich einfach nur zerrissen und wusste selbst nicht was ich glauben, denken oder machen sollte. Mein Handy vibrierte und zeigt mir eine Nachricht an. "Guten Morgen Via. Wir freuen uns schon dich heute Nachmittag wiederzusehen. Wir müssen dir etwas sagen." Ich riss mir die Kopfhörer aus den Ohren und verzog das Gesicht. "WIR müssen mit dir reden... WIR freuen uns auf dich...", gab ich den Inhalt der Nachricht völlig überspitzt wieder. Was wollen sie mir denn nun wieder erzählen? Wollen sie den Palast möglicherweise umgestalten, oder planten sie wieder irgendeine Aktivität, zu der sie mich mitschleppen wollten? Ich musste zwar zugeben, dass Lilly's Ideen deutlich besser waren, als die meines Vaters, aber trotzdem hatte ich keinen Bock mit ihnen loszuziehen. Mies gelaunt verließ ich mein Zimmer und schlürfte durch das Anwesen meiner Mutter. Sie saß gerade mit ihren Freundinnen bei Tisch und trank eine Tasse Tee, als ich hörte, wie sie wieder über meinen Vater herzog. Immer, wenn sie so drauf war, wunderte es mich nicht, dass mein Vater die Reißleine gezogen hatte. Wenn Mum wirklich etwas für meinen Vater empfand, hatte sie eine... spezielle Art dies zum Ausdruck zu bringen. Vielleicht musste ich auch einfach anfangen zu akzeptieren, dass sie sich nie geliebt haben. In den tiefen meiner Seele wusste ich dies auch, aber es fiel mir schwer diese Tatsache so hinzunehmen. Mein ganzes Leben lang, wünschte ich mir nichts sehnlicher als Normalität und eine heile Familie, doch alles, was ich bekam, war ein Haufen Scherben. Ich versuchte unauffällig an ihnen vorbeizuhuschen, jedoch ohne Erfolg. "Octavia, meine geliebte Tochter! Komm doch zu uns!", rief meine Mutter schrill, was mich innerlich schreien ließ. Widerwillig trat ich an den Tisch heran und begrüßte Selma und Margret. "Ach Stella meine Teure! Deine Tochter wird wirklich von Jahr für Jahr hübscher! Wann wird sie endlich in die Gesellschaft eingeführt? Mein Sohn Henry, wäre sicherlich ganz entzückt." Bei ihren Worten hätte ich am liebsten einen Wutanfall bekommen. Ich hatte weder Lust auf diese albernen Maskeraden und Tanzveranstaltungen, noch hatte ich Interesse an Männern. Wenn meine Eltern wüssten, dass ich auf Mädels stehe, würde ich mir bestimmt etwas anhören können. Zumindest wäre es wohl für meine Mutter der schlimmste Albtraum, da sie mich am liebsten schon längst zwangsverheiratet hätte. Ich war froh, dass mein Vater diese alten Gebräuche anfocht und nicht viel davon hielt, mich an den erstbesten Fürsten zu verschallern. Ich lächelte gekünstelt und bedankte mich für das Kompliment und versuchte ihr eine Ausrede aufzutischen. "Ich muss mich auf mein Studium konzentrieren und habe leider keine Zeit für derartiges Vergnügen.", erklärte ich diplomatisch und hielt meinen Blick gesenkt, um mich nicht zu verraten. "Sie ist ja so reif für ihr Alter und so Pflichtbewusst!" Offensichtlich schluckten sie es, was mich erleichterte. Außerdem mussten meiner Mutter förmlich die Ohren klingeln, bei derartigen Schmeicheleien. Nichts hörte sie lieber, als solche Komplimente und brüstete sich oft mit ihrem Besitz und ihren Erfolgen. "Sie ist eben genau so ein Bücherwurm, wie Stolas, aber... ich denke, dass wir allmählich darüber nachdenken sollten, dich auf deine Zukunft vorzubereiten... Dein Vater hat dich lang genug unter Verschluss gehalten, findest du nicht auch Schätzchen?" Ich hatte das Gefühl, dass mir jemand die Luft abschnitt und bekam eine mentale Panikattacke. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich sie an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Dad würde das doch nie im Leben zulassen... oder? Die Unsicherheit in mir breitete sich aus und machte mich so gut wie bewegungsunfähig. "Ich würde liebend gern noch etwas weiter mit euch plaudern, aber ich muss noch einige Sachen zusammenpacken, bevor ich gehe... Wenn es in Ordnung ist, würde ich gern etwas früher fahren.", entschuldigte ich mich und sah meine Mutter fragend an. Sie runzelte die Stirn und sah alles andere als begeistert aus. "So? Nun wenn du schon ausschwärmen möchtest, werde ich dich nicht daran hindern... Ich hole dich dann in einer Woche wieder ab.", antwortete sie misstrauisch und wendete sich schließlich von mir ab. Ich schluckte und verdrückte mich zügig aus der Situation, bevor sie noch auch weitere gute Ideen kommen würden. Mein Vater musste mir einfach helfen und ich hoffte inständig, dass er mir zuhören würde. Ich gab dem Fahrer Bescheid und befand mich pünktlich zur Mittagsstunde vor dem Palast meines Dad's. "Junge Lady! Wir haben sie ja noch gar nicht erwartet! Kommen Sie doch rein! Ist irgendetwas passiert?" Am liebsten wäre ich unserer Haushälterin in die Arme gefallen. Sie kümmerte sich bereits um mich, seit ich ein kleines Vögelchen war. "Ich hoffe, dass ich meinem Vater nicht zu große Umstände mit meinem frühen Erscheinen bereite...", antwortete ich verschlossen und sah mich ein wenig um. "Wo denken Sie hin? Sie könnten ihrem werten Herrn Vater niemals zur Last fallen! Kommen Sie! Ich geleite sie zu Tisch!" Wenn sie sich da mal nicht täuschte... Die großen Flügeltüren wurden geöffnet, sodass wir ungehindert in den Speisesaal eintreten konnten. Mein Vater und Lilly hatten sich offenbar gerade zu Tisch begeben und sahen überrascht zu mir herüber. Besonders Lilly musterte mich aufmerksam und schien den Braten zu riechen. Okay, cool bleiben. Ich sollte wohl eher nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen, dachte ich und setzte ein Pokerface auf. "Hi Dad... Sorry, dass ich so früh hier aufschlage."
"Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen! Komm und setz dich zu uns!", antwortete mein Vater sofort und lächelte freundlich wie eh und je. Lilly lächelte ebenfalls, aber ich konnte nicht deuten, was sie dachte. "Was verschafft uns denn die Ehre?", fragte sie und schob sich ihre Gefüllte Gabel in den Mund. "Nun ja ich... ich war neugierig, was ihr mir sagen wollt...", log ich, weil ich dieses Thema lieber allein mit meinem Vater besprechen wollte. Sie würde davon sowieso nichts verstehen, dachte ich und trank erstmal einen Schluck. "Möchtest du nicht lieber erst einmal ankommen, bevor wir die großen Neuigkeiten verkünden?", fragte mein Vater und wirkte nervös. Nun wollte ich es doch wissen und sah die beiden verwirrt an. Warum machten sie denn so eine Welle? Was konnten sie mir schon groß mitteilen, was so von Bedeutung sein würde. "Nein, ich würde es gerne jetzt wissen.", gab ich ihnen zu verstehen. Sie sahen sich einen Moment an und schienen kurz zu hadern. Mein Dad räusperte sich bevor er endlich anfing zu sprechen. "Also, mein kleines Owlette... Ich bin mir selbst nicht ganz sicher, wie ich es dir sagen soll, aber... Lilly und ich werden heiraten..." BITTE WAS? HEIRATEN!? Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein. Fassungslos starrte ich sie an und sprang von meinem Platz auf. "Das ist doch nicht euer Ernst?!", schrie ich und suchte nach Antworten in ihren Gesichtern, aber der schuldvolle Gesichtsausdruck meines Vaters verriet mir, dass ich mich offenbar nicht verhört hatte. "Octavia beruhige dich bitte... Ich liebe deinen Vater wirklich sehr, und..." Ich ließ sie nicht ausreden und wollte nichts davon hören. "Es ist mir total egal, ob du ihn liebst! Ich brauche keine bescheuerte Stiefmutter, die sich auch noch in mein Leben einmischt! IHR SEID FÜR MICH GESTORBEN!" Schrie ich und rannte nach oben in mein Zimmer. Mein Leben war doch einfach nur Scheiße. Wie konnte mein Dad mir das antun? Ich meine, rein theoretisch war er sogar noch mit meiner Mutter verheiratet. Wie konnte er einfach so ein weiteres Mal heiraten und was würde aus mir werden? Lilly würde mich nach und nach aus seinem Leben drängen und einen Keil zwischen uns treiben. Mein Gesicht kochte vor Wut und spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten, die mir dann über meine glühenden Wangen liefen. Eines stand fest, hier konnte ich unmöglich bleiben, aber zu meiner psychopathischen Mutter konnte ich auch nicht zurück. Sie würde diese Nachricht nicht gut aufnehmen und auf ihre Reaktion konnte ich getrost verzichten. Außerdem hatte ich Angst, dass sie ihre Idee in die Tat umsetzen würde. Ich wollte einfach keine Debütantin werden! Niemals! Ich würde auch niemals heiraten! Eher würde ich sterben, als den Rest meines Lebens unglücklich vor mich hin zu siechen. Ich musste hier weg und schnappte mir kurzerhand meinen kleinen Rucksack und schlich mich aus meinem Zimmer. Ich lauschte einen Augenblick und hörte, wie sie sich aufgebracht unterhielten. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und huschte in die Bibliothek. Ich würde nur ein kurzes Zeitfenster haben und wusste, dass sie mich jeden Moment suchen würden. Zielstrebig ging ich auf seinen Schreibtisch zu und suchte nach seinem Grimoire. Ich durchwühlte einige Schubladen und fand es endlich. Ich brauchte einfach mal eine Auszeit und schlug wild eine willkürliche Seite auf. "Octavia? Was tust du da?" Mein Vater sah mir schockiert entgegen und wollte zu mir eilen, aber es war zu spät. "Bring mich zu den Sternen!", befahl ich dem Buch und wurde im nächsten Moment von einem schwarzen Loch verschluckt, welches sich über mir öffnete. "OCTAVIA!", hörte ich ihn verzweifelt rufen, bevor sich das Portal versiegelte. In diesem Moment zweifelte ich an meiner Entscheidung davonzulaufen und klammerte mich fest an das Buch meines Dad's. Ich wurde durch einen dunklen Kanal gesogen und landete schließlich in der Gosse einer Großstadt. Mein Schädel dröhnte und ich brauchte einige Sekunden, um mich zu sammeln. "Fuck!", entwich es mir. Ich war noch nie ohne meinen Dad in der Menschenwelt unterwegs. Ich musste mich dringend tarnen, bevor diese kläglichen Kreaturen Verdacht schöpfen würden. Ich konzentrierte mich, ließ die Magie durch meine Adern fließen und spürte, wie ich mich veränderte. So weit so gut, dachte ich und verstaute schließlich das Buch in meinem Rucksack, bevor ich mich auf den Weg machte. Ich hatte zwar immer noch keinen Plan, was ich jetzt machen sollte, aber alles war besser, als in meinem Zimmer auf ein Happy End zu warten.

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