Kapitel 3

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Klack. Klack. Klack.

Die Schritte unserer Lehrerin erzeugten ein in dem Chemieraum hallendes Geräusch. Ich sah auf und erkannte Frau Briggs, die, gefolgt von einem dunkelhaarigen, großen Jungen, den Raum betrat.
„Guten Morgen", begrüßte sie uns fröhlich.

In ihrer Stimme lag immer ein wenig zu viel Motivation. Woher sie die bekam, wusste niemand so genau, vielleicht war sie einfach ein glücklicher Mensch. War das überhaupt möglich? Konnte man rund um die Uhr glücklich sein?
„Wie ihr bereits wisst, ist das hier euer neuer Mitschüler", sie deutete auf den Jungen neben ihr. Zu ihm sagte sie: „Vielleicht sagst du einfach mal ein paar Worte zu dir?"

Er runzelte die Stirn und sah sie verständnislos an. Es sah fast so aus, als würde er sie gleich anschreien und aus dem Raum rennen. Dann wendete er sich aber doch zur Klasse.

„Meinen Namen kennt ihr ja bereits und viel mehr gibt es eigentlich gar nicht zu sagen. Ich bin siebzehn und habe die letzten Jahre in Montana gewohnt. Ja, und jetzt sieht alles so aus, als würde ich die nächsten hier verbringen."
Ein schiefes Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

Es war ganz still im Chemieraum der Crawford Highschool.

Ich senkte meinen Blick, als er an den vorderen Tischen vorbeiging und sich in die zweite Reihe setzte.

Montana also.

Er hatte nicht diesen faden Standarttext verwendet. Zwar hatte er Namen und Alter gesagt, aber nicht, was er in seiner Freizeit machte, warum er hier war oder sonst etwas.

Das ließ fast alle Fragen offen, die seit seinem ersten Auftritt aufgekommen waren. Lediglich zwei hatte er beantwortet. Und ich hatte dieses eigenartige Gefühl, dass noch mehr Fragen auftauchen würden,die nach Antworten verlangten.


Als die Stunde vorbei war und ich den Raum verlassen hatte, zog ich mein Handy aus der Tasche.

Eine Nachricht von Viola blinkte auf.

Kalenberg ist krank. Wir fahren nach Hause, ruf an, wenn du Schluss hast.

Leise stöhnte ich auf. Alison und Viola konnten froh sein, dass ihr Deutschkurs bei Kalenberg war; er war mindestens ein Mal im Monat krank.

Schnell tippte ich eine Antwort ein, dann machte ich mich auf den Weg in die Cafeteria.
„Hey, entschuldige -"
Abrupt fuhr ich herum und schaute auf eine schwarze Lederjacke. Mein Blick wanderte zu dem dazugehörigen Gesicht und blieb an den saphirblauen Augen hängen.
Ich sagte gar nichts. Ich war einfach nicht fähig, einen Ton herauszubringen.

„Könntest du mir vielleicht sagen, wo das Sekretariat ist?"
„Ja, klar", antwortete ich wie in Trance.
Sein schiefes Lächeln tauchte wieder auf. Ich löste meine Augen von seinen und erklärte Adam, wie er zum Verwaltungstrakt kam.
„Und dann die erste Tür rechts", beendete ich meine Beschreibung.

„Danke", erwiderte er lächelnd, drehte sich um und verschwand, bevor ich etwas antworten konnte.

Einen Moment schaute ich zu, wie er sich von mir entfernte, dann setzte ich meinen Weg fort.


Es war alles gut.

Ablenkung. Ich brauchte Ablenkung. Wenn meine Freunde da waren, war alles gut.Wenn mich irgendwer um mich herum von mir selbst ablenkte, war alles gut. Doch sobald ich alleine war – mit mir und meinen Problemen –da tauchten sie wieder auf. Es war, als wäre in mir ein Teil, der nicht wirklich ich war, aber zweifellos zu mir gehörte, und sich zwar für eine Zeit ignorieren ließ, aber immer wieder hemmungslos zurück kam. Und ich hasste ihn dafür. Ich hasste mich dafür.

The Adam-TheoryWhere stories live. Discover now