Am nächsten Morgen saß ich wieder neben Adam im Bus. Als er zu mir gekommen war, hatte er mich mit einem schlichten „Hi" begrüßt.
Schlicht und einfach.
Aber Adam war nicht schlicht und einfach.
In einer gewissen Hinsicht war er einfach, ja. Aber er war nicht primitiv. Er war leicht.
Es war leicht mit ihm zu reden, aber er war nicht leicht zu durchschauen.
Ich fragte mich, ob ich leicht zu durchschauen war.
Ob er mich durchschaute.
„Bist du gläubig?", war seine erste Frage an diesem Tag.
„Was?"
Heikles Thema. Ich meine, nicht meinetwegen, bei mir war da alles klar. Aber so lange kannten wir uns nun auch nicht, da war es schon mutig, das zu fragen. Es hätte ja auch sein können, dass ich darauf ganz unerwartet nicht gut reagieren würde. Doch aus irgendeinem Grund schien er sich sicher zu sein, dass ich das nicht tun würde. Und weil es Adam war, der es wissen wollte, musste irgendein schlauer Sinn dahinter stecken.
„Wie kommst du darauf?" fügte ich zu meinem nicht sehr gebildet klingenden „Was" hinzu.
„Das sagt man doch so."
Ich verstand nichts.
„Worüber redet man?", fragte er.
Ich verstand immer noch nicht.
Er fügte hinzu: „So ganz allgemein."
Noch immer wurde ich nicht schlau aus seinen Worten.
Schließlich löste er das Rätsel auf, zumindest fast: „Gott und die Welt."
Ach so, dachte ich, aber in Wahrheit verstand ich es trotzdem nicht.
„Aber -", begann ich, bevor ich wirklich wusste, was ich sagen wollte.
Er unterbrach mich, wahrscheinlich weil er merkte, dass ich keine Worte fand: „Alle sagen immer, dass sie „über Gott und die Welt geredet haben". Aber in Wahrheit ist das in den meisten Fällen gar nicht so. Es ist einfach eine Redewendung, wenn man sich über ganz verschiedene, allgemeine Sachen unterhalten hat. Und das geht doch nicht. Da wollte ich es mal wirklich tun. Über Gott und die Welt reden. Mit wem hast du schon einmal so richtig darüber geredet, an was du glaubst?"
Ich überlegte kurz, ließ meinen Blick durch den Bus gleiten, um festzustellen, dass ich das noch nie getan hatte.
„Ich bin christlich. Evangelisch", hatte ich gesagt und damit war das Thema immer durch. Nur mit Viola hatte ich das ein Mal vertieft. Doch wirklich erzählt hatte da nur sie, weil, das Wort christlich sagte ja schon alles.
Tat es das? Ich begann meinen Gedanken zu hinterfragen, so, wie Adam es vermutlich getan hätte.
Nein, stellte ich fest.
„Lass mich raten", bat Adam, „auf jeden Fall gläubig. Korrekt?"
Dieses Mal war ich diejenige, die nickte.
„Christlich?"
Wieder ein Nicken. Jetzt schon überraschter.
Eigentlich sollte mich bei Adam gar nichts mehr überraschen, aber er schaffte es immer wieder.
„Nicht katholisch?"
Ich schüttelte den Kopf.
Verdammt, woher wusste er das?
„Sieht man dir an", grinste er.
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Von wegen."
„Ehrlich", beharrte er.
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The Adam-Theory
RomanceJune lebt in einer weißen Welt, während ihr Inneres Dunkelheit birgt. Sie hat nicht die leiseste Ahnung, wie sie da hinaus kommen soll. Doch dann trifft sie auf Adam Black, der die absurdesten Dinge logisch erscheinen lässt, Unmögliches möglich mach...