Ich saß auf Alisons Bett und schaute zu, wie sie ihre Haare mit dem Lockenstab bearbeitete. Immer wieder machten ihre Hände die gleiche Bewegung.
„Ist das echt in Ordnung für euch, wenn ich gehe?", wiederholte sie, worauf ich so überzeugend wie möglich nickte. Das klappte allerdings nicht ganz so gut, wie ihr besorgter Blick mir bestätigte.
„Wir machen das einfach ein anderes Mal", erklärte sie, „es ist nur so, ich habe Tony diese Woche kaum gesehen."
Ja, das Wort kaum ließ sich individuell definieren.
Viola fiel ihr ins Wort: „Hey, ist schon gut. Wir machen das nächste Woche oder so. Mach dir einen schönen Abend mit ihm. Aber vergiss ja nicht, uns morgen alles zu erzählen!"
„Ja genau, mach dir keine Sorgen! Das wird schon", fügte ich hinzu, bemüht, genauso fröhlich wie Viola dabei zu klingen.
Alison war die Einzige von uns, die einen Freund hatte. Und ich die Einzige, die noch nie einen gehabt hatte. Ich redete nicht von einer richtigen Beziehung, sondern von allem.
Ich war nie mit irgendeinem Jungen zusammen gewesen. Es war einfach nie das Richtige gewesen. Der Zeitpunkt passte nicht, er mochte mich, aber ich hatte keine Gefühle für ihn, oder andersherum. Nicht einmal eine dieser Kinder-Beziehungen, für die man sich irgendwann schämt und jetzt drüber lacht. Nicht mal das. Ein bisschen traurig war das schon. Alle anderen fanden das immer peinlich, während ich etwas neidisch zu ihnen guckte, wenn sie davon erzählten und dabei die Hand so bewegten, um alles herunterzuspielen.
Viola hatte momentan zwar keinen Freund, aber wenigstens das hatte sie erlebt. Das war in der dritten Klasse. Markus, so hieß er. Und ganz süß sollen die beiden auch gewesen sein. Mir hatte Viola das ungefähr in der fünften Klasse erzählt. Nach ein paar Tagen Händchen halten hat er ihr dann eröffnet, dass er die Angelina lieber mögen würde. Viola meinte damals zu mir, sie hätte ihn nie geliebt, dafür sei sie noch viel zu jung gewesen.
Zu jung zum Lieben? Was bedeutete das eigentlich?
Ich konnte dazu nie etwas sagen, ich wusste nur, dass das alle meinten. Es war allen peinlich und sie waren sich einig, dass das Kinderkram gewesen wäre, nie das Wahre.
Aber ein bisschen traurig, dass mir das nie passiert war, war ich schon.
Als ich nach Hause kam, war es nicht einmal fünf Uhr. Meine Mutter war mit meinem Bruder einkaufen und mein Vater saß bei der Arbeit fest.
Mein Blick blieb an meinem Bett hängen. Der sanfte Stoff überzeugte mich. Ich ließ mich in die Kissen fallen. Ein letztes Mal schaute ich auf meine unausgepackte Tasche. Dann schloss ich die Augen. Meine Eltern sagten immer, man sollte am Tag nicht schlafen. Wie recht sie hatten.
Aber Recht, was war das schon.
An mir war gar nichts recht.
Glücklichsein war anstrengend. Es war eine tonnenschwere Last, ein Lächeln aufzusetzen, wo keines hingehörte, und motiviert zu klingen, wenn man müde war. Müde vom Leben.
Ich würde morgen damit weitermachen. Für heute musste es reichen, ich konnte nicht mehr.
Ich wollte einfach vergessen, nicht mehr nachdenken müssen, und der einzige Weg, den ich in dem Moment gesehen hatte, war der zu meinem Bett.
Es sollte aber weiter gehen. Doch die Bemühungen, positiv zu denken, machte alles nur noch schlimmer.
Das erste wahre Lächeln an diesem Tag schlich sich auf mein Gesicht, als Adam in den Bus stieg und zu mir kam – mit einem Lächeln auf dem Lippen.
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The Adam-Theory
RomanceJune lebt in einer weißen Welt, während ihr Inneres Dunkelheit birgt. Sie hat nicht die leiseste Ahnung, wie sie da hinaus kommen soll. Doch dann trifft sie auf Adam Black, der die absurdesten Dinge logisch erscheinen lässt, Unmögliches möglich mach...