Kapitel 9

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Die Konfrontation mit Toma war eine einseitige Offenbarung.
Ich sprach ihn - wahrscheinlich als erster an dieser Schule - direkt auf seinen schwankenden Psycho-Pass an. Meine Theorie war richtig gewesen: Er beschrieb jenes Phänomen, welches auch ich seit Jahren beobachtete. Er war sich der Details dieser Irregularität jedoch nicht bewusst.
Auf den ersten Blick hatte er einige gute Eigenschaften.
Toma hatte Stil und er besaß ein gesundes Selbstbewusstsein.
Aber er war in vielerlei Hinsicht dumm.
Ich erklärte ihm, was es mit seinem Psycho-Pass auf sich hatte und er ahnte nicht ansatzweise, woher ich mein Wissen bezog. Es war eine gute Entscheidung gewesen, ihm nicht von Anfang an zu vertrauen. So arbeitete ich zwar mit diesem Mann zusammen, doch er erfuhr während unserer gesamten Partnerschaft nicht, dass ich ebenso andersartig geschaffen war.

Außerdem war Toma ein Mann, der mit Überzeugung von Dingen sprach, die er nicht verstand. Er war ein klassischer Mitläufer, der mich schnell bewunderte.
Als er meine Leidenschaft für Bücher bemerkte, begann er ebenfalls zu lesen. Seine Wahl war fragwürdig. Seine Zitate wirkten gestellt. Er versuchte zwanghaft mein geistiges Niveau zu erreichen, wobei er sich selbst und seine Originalität verlor.
In dieser Hinsicht war er - obwohl er wie ich sein müsste - ein langweiliger Mensch dieser Gesellschaft.

Krass im Gegensatz dazu gab es jedoch auch eine andere Seite an Toma.
Obwohl auch ich den Wert des menschlichen Lebens hin und wieder neu bemaß, so wollte mir dennoch Tomas Einstellung zu diesem Thema nicht verständlich werden.
Zwar eiferte er mir nach und versuchte mich in jedweder Hinsicht zu kopieren, doch für ihn gab es nur einen einzigen, wirklich wichtigen Menschen in dieser Welt.
Toma war ein Soziopath und zeigte Verhaltensstörungen, die einer Schizophrenie entsprachen.

Warum ich mir ein solches Urteil erlaubte?
Toma erzählte mir voller Stolz von seiner Zwillingsschwester ‚Princess', die er vergötterte und für immer beschützen wollte. Problematisch war dabei nur, dass Princess tot war. Er selbst hatte sie umgebracht und verbarg sie in ihrem ‚Schloss', eingefroren in einem Kühlschrank.
Er schwärmte von ihren wunderschönen Augen und ihrem sanften Lächeln und davon, dass er dieses für immer bewahren wolle. Wenn er von ihr redete, verwendete er phasenweise die Gegenwartsform. An einigen Tagen erachtete Toma seine Schwester als lebendig. Ein anderes Mal war er sich ihres Ablebens bewusst und erzählte mir davon, dass er um jeden Preis ihren Tod rächen wollte. Freudig berichtete er mir am Tag darauf, wann er sie besucht und was sie ihm erzählt hatte.
Dieser Mann litt unter Wahnvorstellungen.
Kozaburo Toma war ein Mensch gewesen, von dem ich mir vieles erhofft und wenig erhalten hatte.
Meine anfängliche Euphorie war unangebracht gewesen.
Deswegen würde ich mit diesem Mann, dem ebenso wie mir die Welt offen stand, ein kleines Spiel spielen.

An jenen Tagen an denen er sich ihres Todes bewusst war, konnte ich ihn Stück für Stück manipulieren. Eben diese Stunden des Rachedurstes waren mein Anhaltspunkt, um ihn zu einer meiner Marionetten zu machen.
Als dann die Regierung Nachforschungen bei ihrem ‚Schloss' vornahm, begann das Spiel, das ich mir sehnlichst gewünscht hatte.

Tomas Verlangen nach Vergeltung war unersättlich, doch er besaß kein rationales Denken, sodass ihm konkrete Pläne diesbezüglich fehlten.
Somit war es meine Aufgabe, ihn zu motivieren. Ich hörte mir seine Geschichte an und pickte Personen heraus, welchen er besonders große Schuld anrechnete. Jene Personen erwähnte ich immer wieder. Es war ein einfaches Spiel, ihn unterbewusst seine zukünftigen Taten sehen zu lassen. Und umso öfter er sich diese Szenen vorstellte, umso mehr lechzte es ihn nach ihrer Ausführung.
Der Gedanke des Menschen wird stets das Wort des Menschen und das Wort wird schließlich die Tat.
Wir träumen, denken, reden und handeln. In dieser Reihenfolge funktioniert ein Mensch.
Das Risiko einer Entdeckung von Princess durch die Regierung war ein zusätzlicher Antrieb, der diesen Vorgang beschleunigte.

Schneeweiße Biografien - Die Geschichte von Makishima ShogoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt