Kapitel 11

131 17 0
                                    

Die Platzierung von Tomas Leichen war kein Problem. Dank Choes Hilfe konnten wir uns selbst über die Distanz in die entsprechenden Hologramme einhacken und die Daten entsprechend manipulieren. Er war ein Ass auf diesem Gebiet.
So ließ ich Toma den schmutzigen Teil der Arbeit machen und ergötzte mich zusammen mit Choe aus sicherer Entfernung an seinen grotesken Werken.

Das Echo folgte bald.
Das Safety Bureau begann zu ermitteln und erstmalig musste sogar ich auf der Hut sein. Obwohl ich nach Kanas Tod über die Beamten gelacht hatte, war dieses Mal etwas anders. Die Ermittlungen gingen schnell voran und als Princess - Tomas zweites Werk - der Öffentlichkeit präsentierte wurde, hatten sie bereits eine heiße Spur.
Mein erster Gedanke war, dass es sich um eine Verbesserung von Sybil handelte. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, dass mir eine einzelne menschliche Person auf die Schliche käme. Das war zu jener Zeit vollkommen undenkbar.
Ich war töricht.
Und obwohl ich den Gegner falsch benannte, war ich mir dem Ernst der Lage bewusst. Das war keine wilde Nacht in einem gestohlenen Auto.
Das hier war Mord und unsere Verfolger waren geschulte Einsatzkräfte, die vielleicht bald ihre Schlüsse ziehen würden.

Sybil, welches mir bisher immer fremd gewesen war, stellte nun doch noch einen großen Faktor in meinem Leben dar.
Wie viel wusste dieses System tatsächlich über mich?
Warum erkannte es mich nicht?
Oder machte es bewusst eine Ausnahme?
Wie würde es mich verurteilen?
Und in erster Linie: Konnte es mich überhaupt verurteilen?
Meine Theorien stapelten sich genauso wie Tomas Leichen. Er war fleißig damit beschäftigt seine Rache auszuführen und ich spielte aus sicherer Entfernung den Beobachter. Ich bewunderte das stetige Katz- und Maus-Spiel zwischen ihm und den Detectives des Bureaus, die durch das blinde Vertrauen in ihre Dominator immer wieder am Ziel vorbeiliefen.
Auch Toma bemerkte diese Blindheit und wurde mit der Zeit leichtsinniger. Man sag es gar als Übermut bezeichnen. Er mordete häufiger und sehr unbedacht. Oftmals aus einer Laune heraus, weil er wieder einmal einen ‚Schuldigen' getroffen hatte.
Ich hörte mir sein Geschwätz um seine Wahnvorstellungen nur mit halbem Ohr an.

Der Schock, der durch die Bevölkerung ging, war atemberaubend.
Riesige Areale erlitten eine akute Stress-Steigerung sobald Toma einen weiteren entstellten Körper präsentierte. Das war es, was mir wichtig war. Nicht diese abstrusen Theorien um eine Verschwörung zum Mord an seiner Schwester. Die er - das möchte ich noch einmal betonen - schlussendlich selbst umgebracht hatte.
Die Menschen, deren Werte völlig unverschuldete in die Höhe schossen, wurden genauso behandelt wie Kriminelle.
Sybil war somit ein rundum dummes System. Hätte es wirklich einen Sinn für Gerechtigkeit, würde es jene Personen nicht verurteilen. Es war ein System mit Scheuklappen, das sich selbst an seine Zahlenwerte band. Variablen waren ausgeschlossen. Sonderfälle und Einzelentscheidungen blieben unbeachtet.
Diese Erkenntnis wiederum gab mir persönlich eine große Sicherheit.
Sybil würde auch bei mir keine Ausnahme tätigen. Wenn das System seine Scheuklappen aufbehielt, würde es nur die blanke Zahl in mir sehen und wäre nicht eines Urteils fähig.
Lachhaft.

Meine Neugierde war jedoch nach wie vor nicht befriedigt.
Obwohl ich nicht länger um meine eigene Sicherheit bangte, waren meine Fragen immer noch unbeantwortet und das war sehr unbefriedigend.
Warum also nicht jene Faktoren nutzen, die uns der Moment zur Verfügung stellte?
Die Detectives des Bureaus waren Toma dicht auf den Fersen und diese Personen waren ermächtigt, einen Dominator zu tragen. Dominator oder eben auch ‚Sybils Augen' genannt, waren eine direkte Verbindung zu diesem System, dessen Funktionsweise und Beschaffenheit bis heute geheim gehalten wurden.
Demnach standen meine Chancen hoch, dass eben ein solcher Detective, der stets eine Verbindung zu Sybil besaß, meine Fragen beantworten konnte.
Dazu verlangte es jedoch, dass ich selbst auf der Bildfläche erschien. Das war eigentlich schade, denn ich mochte meinen Beobachterposten. Warum sich selbst die Hände dreckig machen, wenn man diesem wunderbaren Schauspiel auch aus der Ferne beiwohnen konnte?

Ich kam nicht umhin, das Geschehen selbst zu beeinflussen.
Toma war vollkommen auf seine Rache fixiert. Sein Wesen hatte sich geändert. Den stillen, unauffälligen Lehrer gab es nicht länger.
Ich hatte ihm die Möglichkeit gegeben, sein wahres Ich zu entfalten und nun konnte er offensichtlich nicht mehr zurück. Gefangen in seinem Wahn fiel es auch mir schwer, den Zugang zu ihm nicht zu verlieren. Es stand außer Frage, ihn in meine persönlichen Pläne einzuweihen.
Und dennoch wollte ich noch einen Nutzen aus diesem Mann ziehen. Toma würde einen hübschen Lockvogel abgeben.

Meine Idee war schlicht in der Planung und ebenso einfach in der Ausführung. Es gab genau zwei Punkte, bei welchen Toma auf mich angewiesen war. Jene nun zu manipulieren, würde das Katz- und Maus-Spiel um ein vielfaches spannender machen.
Die neue Ration Gießharz, die ich beschaffte, war fehlerhafte Ware. Ich gab zu wenig Härter dazu und im Gegenzug enthielt es diverse Zusätze, die das Mittel streckten und die spätere Stabilität beeinträchtigten. Gestaltung und Transport der Leiche wären somit die ersten beiden Faktoren, die ein größeres Zeitfenster benötigten.
Ebenso weihte ich Choe in meine Pläne ein. Er sollte das nächste Hologramm weniger perfekt manipulieren. Es war mir egal, was genau er damit anstellte. Vielleicht könnte er es zu klein machen, flackern lassen oder vollkommene Ausfälle einbauen - ich ließ ihm in dieser Hinsicht freie Hand. Es sollte lediglich ein wenig Zeit schinden, damit die Chancen des Bureaus stiegen, diesem Fall auf die Schliche zu kommen.
Der Rest würde in meiner Hand liegen.

Obwohl ich damals dachte, ich hätte alle Eventualitäten eingerechnet, entging mir ein wichtiger Faktor.
Zu jener Zeit nahm ich das Bureau als einen Feind in seiner Gesamtheit wahr. Es bestand kein Grund zur Annahme, dass ich die Mitglieder dieser Einheit als eigenständige Individuen sehen musste.
Auf den ersten Blick waren sie alle ausführende Marionetten Sybils.
Kogami Shinya. Du bist lange meinen wachsamen Augen entronnen und im Nachhinein möchte ich mich für diese Blindheit selbst strafen.
In jener Nacht, in welcher ich Toma und diesen Enforcer in eine Bombe laufen ließ - als ich einen meiner Bauern wissentlich und willentlich opferte und dafür einen eurer Untergebenen in meine Hände bekam - erweckte ich deinen Hass auf mich, der später mein Lebenselixier werden sollte.
Damals war ich mir der Tragweite dessen nicht ansatzweise bewusst.
Es gab nichts zu bereuen.

Schneeweiße Biografien - Die Geschichte von Makishima ShogoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt