18 ◇ Mutter

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Es war eine wahre Tortur, in einem endlosen Meer von Dokumenten nach etwas zu suchen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wonach man eigentlich fahnden sollte. Die Papiere meiner Mutter schienen wie vom Erdboden verschluckt - bisher jedenfalls. Die Zeit verstrich unbarmherzig, während die Buchstaben vor meinen erschöpften Augen immer mehr ineinander verschwammen. Frustriert von der erfolglosen Suche, spürte ich, wie auch Toga's Laune immer tiefer in den Keller rutschte. Mit einem resignierten Seufzer griff ich nach dem nächsten Buch und blätterte gedankenverloren durch die Seiten, bis mir plötzlich ein Name ins Auge sprang: der meiner Mutter. Sofort rief ich Toga herbei, und es dauerte keine Sekunde, bis er eilig neben mir stand, die Spannung in der Luft beinahe greifbar.

Alles, was wir bisher gelesen hatten, war nichts Besonderes. Routineberichte über alltägliche Jagden, öde Beschreibungen von Büroarbeit - es war fast schon ermüdend. Doch dann kamen wir zum letzten Bericht. Es war der Bericht, der unmittelbar vor dem Mord an meiner Mutter verfasst wurde. Meine Mutter wurde zu einem Vorfall gerufen: Ein Vampir war in die Basis eingedrungen und hielt sich dort versteckt. Die Suche nach dem Eindringling zog sich in die Länge, doch schließlich fanden sie den Vampir. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Wesen noch keinen Jäger getötet, nur den damaligen Vorstand ausgeschaltet. Der Name des Vampirs blieb ein Rätsel, aber eines war sicher: Es war eine Frau. "Daran erinnere ich mich noch gut," sagte Toga mit leiser Stimme. "Das hat damals für ziemlichen Aufruhr gesorgt." Seine Worte schwebten in der Luft, während ich mit klopfendem Herzen weiterlas.

Meine Mutter stand damals mit ihrem Partner dem Vampir gegenüber - einem Kampf, der sein Leben kosten sollte. In ihrem Bericht schrieb sie, dass der Vampir kein Interesse daran hatte, sie zu töten. Ihr Ziel war einzig und allein der Vorstand. Die Vampirin hatte sich nur verteidigt, doch in der Hitze des Gefechts verlor ihr Partner sein Leben. Sein Hass auf Vampire hatte ihn in einen unüberlegten Angriff getrieben, der tödlich endete.

Doch das war nicht alles. Der Kampf hinterließ nicht nur Spuren bei den Menschen - auch der Vampir wurde schwer verletzt. Bevor die Frau verschwand, vertraute sie meiner Mutter etwas an: einen kleinen Edelstein, rot wie Blut. „Verstecke ihn vor den Reinblütern," hatte die Vampirin geflüstert. Es war eine letzte Bitte eines Vampires.

Es war still im Raum und keiner vermochte etwas zu sagen. Wenn meine Mutter etwas an sich genommen hat, einen Edelstein, musste sie vielleicht deswegen sterben? Aber die Frage war nun, um was für ein Edelstein es sich handelt. Der Stein muss sehr mächtig sein, wenn viele Leute sterben aber da war anscheinend selbst Toga ziemlich überfragt. "Ich werde mit dem Vorstand darüber reden, etwas dazu müssen die mir sagen." Er nahm die Akte und zog seinen Mantel an. "Was dich betrifft, du wirst nur noch im Hintergrund agieren und auf die Schüler aufpassen."

Damit war er verschwunden und ließ mich einfach allein zurück. Ich stand da, wie erstarrt, während in meinem Kopf das Chaos tobte. Was sollte ich jetzt tun? Was sollte ich überhaupt denken? Eines war mir jedoch glasklar: Ich musste unbedingt zu Yuki und mich bei ihr entschuldigen. Mit einem entschlossenen Atemzug verließ ich den Raum, doch kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, prallte ich mit voller Wucht gegen jemanden. Der Aufprall ließ mich taumeln, und als ich aufsah, blickte ich direkt in Zeros kalte, durchdringende Augen. Sein Blick war eisig, voll Verachtung, und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Eines war sicher: Die kommenden Tage würden alles andere als leicht werden.

Dunkle Begierde [Kaname Kuran - FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt