19 ◇ Nachtwache

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Es ist merkwürdig, doch manchmal sehne ich mich nach einem einfachen, sorgenfreien Leben. Wenn ich die Schüler beobachte, wie sie durch die Gänge schlendern, völlig ahnungslos, wie gefährlich diese Welt jenseits der Schulmauern wirklich ist, überkommt mich ein Gefühl der Unruhe. Was wäre, wenn meine Eltern noch leben würden? Diese quälenden Fragen verfolgen mich, doch ich weiß, dass niemand – wirklich niemand – mir jemals Antworten darauf geben wird.

Frustriert stand ich vor der Tür des Krankenzimmers, in dem Yuki lag. Seit Tagen hatte ich den festen Vorsatz, mich bei ihr zu entschuldigen, doch etwas hielt mich immer zurück. Es war die Angst vor ihrer Reaktion, die mich lähmte. Zu allem Überfluss war es dann auch noch Zero, der mir mehrfach einen Strich durch die Rechnung machte und mich nicht zu Yuki ließ. Aber heute, endlich, war Zero nicht da. Heute war meine Gelegenheit – vielleicht die einzige, die ich jemals bekommen würde.

Ich klopfte leise an die Tür, mein Herz schlug dabei schneller. Ein schwaches „Herein“ war die Antwort, die mich zögern ließ, bevor ich schließlich die Klinke drückte und den Raum betrat. Yuki saß aufrecht in ihrem Bett, ein Buch in den Händen, das sie gerade las. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte sie sanft, fast als hätte sie auf mich gewartet. „Endlich bist du da,“ sagte sie mit einer Wärme, die mich überraschte. Mit einem leisen Geräusch schlug sie das Buch zu und legte es auf die kleine Kommode neben ihr. Erst da bemerkte ich, dass es ein Schulbuch war.

„Lässt dich der Rektor immer noch lernen, obwohl du hier bist?“ fragte ich, bemüht, die Spannung in meiner Stimme zu verbergen. Yuki seufzte leise, nickte und warf einen kurzen Blick auf das Buch, bevor sie wieder zu mir aufsah. Ich trat näher an ihr Bett, spürte die Nervosität in mir aufsteigen, und griff nach ihrer Hand. „Es tut mir so unendlich leid, Yuki, was passiert ist,“ brachte ich schließlich hervor, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Doch Yuki hielt ihr Lächeln aufrecht, sanft, verzeihend. „Mach dir keine Sorgen, Lucy,“ sagte sie ruhig, „mir geht es gut. Und ich weiß, du warst nicht du selbst.“ Ihre Worte trafen mich tief, doch sie gaben mir auch die Hoffnung, dass vielleicht, nur vielleicht, alles irgendwann wieder gut werden könnte.

"Ich weiß, dass Zero dich jetzt hasst, aber bitte nimm es ihm nicht übel," fügte sie leise hinzu. Ihre Worte hingen in der Luft, schwer wie eine dunkle Wolke. Ich nickte nur stumm, denn tief in meinem Inneren wusste ich, dass jeder an Zeros Stelle genauso wütend wäre. Doch ich verbrachte noch einige Zeit mit Yuki, versuchte, die Schwere der Situation zu überbrücken, bis die Pflicht mich wieder rief.

Bevor ich ging, versprach ich Yuki, sie bald wieder zu besuchen und ihr die süße Kleinigkeit zu bringen, die sie sich gewünscht hatte. Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht, als ich mich von ihr verabschiedete. Dann ließ ich Yuki allein und machte mich auf den Weg zurück zu meiner Aufgabe. Da Yuki nun ausfiel, lag es an mir, mich um die Vampire zu kümmern. Die Atmosphäre war angespannt, und von Zero war – wie erwartet – weit und breit nichts zu sehen. Die Last seiner Abwesenheit spürte ich jedoch auf meinen Schultern, als wäre er doch da, im Schatten lauernd, bereit, mich mit seiner Wut zu überrollen.

Es war eine wahre Tortur, die aufgeregten Mädels zurückzuhalten, während die Vampire mit ihrer unheimlichen Eleganz ins Schulgebäude marschierten. Ihr Flüstern und Kichern mischte sich mit der Spannung in der Luft, die so dicht war, dass man sie schneiden konnte. Ich spürte den durchdringenden Blick von Kuran auf mir ruhen, als ob er jede meiner Bewegungen beobachtete, aber ich zwang mich, ihn zu ignorieren und meine Konzentration nicht zu verlieren.

Nachdem die Vampire endlich im Gebäude verschwunden waren, blieb mir keine andere Wahl, als die Runden doppelt und dreifach abzuschreiten. Jede Ecke, jeder Schatten wurde überprüft, damit keines der Mädchen auf eine dumme Idee kam. Die Ruhe, die schließlich eintrat, war fast unheimlich, aber sie erlaubte mir, endlich durchzuatmen und mich für einen Moment zu entspannen. Ich setzte mich hin und nahm eine Mahlzeit zu mir, die ich kaum wahrnahm, bis plötzlich eine Stimme die Stille durchbrach.

"Das sieht irgendwie lecker aus."

Der Satz traf mich wie ein Blitzschlag. Vor Schreck verschluckte ich mich an meinem Bissen, und ein heftiger Hustenanfall schüttelte meinen Körper. "Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken," sagte die Stimme sanft, doch das Echo ihres plötzlichen Auftauchens hallte noch immer in mir nach.

Mein Blick ging zur Seite und entdeckten Hanabusa Aidou. Der hat mir gerade noch gefehlt.

Dunkle Begierde [Kaname Kuran - FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt