Kapitel XV

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„Ach, Scarlett. Bringst du also schon deine missratene Verwandtschaft in unsere schöne Stadt? In welchem Labor hast du die denn gezeugt? Wird das eine Art Kolonisierungsprojekt?", spottete sie, indessen sie Cleona abschätzig besah.

„Da wo ich herkomme, nennen wir sowas wie dich Mahata.", konterte die Betroffene wutschnaubend.

Mahata? Du bist ja komplett bescheuert.", machte Henriette sich fortwährend über sie lustig. Die Mädchengruppe hinter ihrem Rücken unterstützte sie darin tatkräftig durch ihr Special-Effect-Background-Gekicher.

Daraufhin schloss Cleona lediglich konzentriert ihre Augen. Ich sah zu, wie sie ihre Finger hinter dem Rücken überkreuzte und befürchtete das Schlimmste.

„Los, Mädels! Wir sollten uns nicht länger mit diesen Freaks abgeben." Henriette warf ihr hüftlanges Haar über die Schulter und stolzierte mit ihren vier Freundinnen davon.

Doch aus heiterem Himmel stolperte sie urplötzlich kläglich über ihr eigenes Bein und landete mit dem Hinterteil voran auf dem dreckigen Boden, wo sie meines Erachtens längst hingehörte.

Lautes Gelächter brach in unseren Reihen aus, während Henriette lediglich eine beleidigte Schnute zog und sich so faul sie war, von ihren Anhängseln wieder auf die Beine stellen ließ.

Cleona verschränkte zufrieden die Arme. „Wenn du dich um deinen eigenen Kram gekümmert hättest, dann wäre dir diese Peinlichkeit mit Sicherheit erspart geblieben."

Tja, Henriette. Leg dich nie mit einem Lurianer an. Und vor allem nicht mit Cleona, wenn dir dein ach so tolles, quietschpinkes Leben ja so lieb ist.

Demnach stampfte das Mädchen beleidigt auf ihren Platz zurück, was auch gar nicht so abwegig war, da in diesem Moment die bereits um einige Minuten verspätete Frau Winter ins Zimmer stürmte.

„Tut mir leid, dass ich erst jetzt gekommen bin. Ich musste noch etwas mit Herrn Falkenberg besprechen." Sie stellte ihre Lehrertasche auf dem Pult ab und kramte in rekordverdächtiger Zeit alles Nötige für die Biologie-Stunde heraus.

„Allem Anschein nach bekommen wir nämlich eine neue Schülerin. Scarletts Cousine wurde mir gesagt.", setzte sie fort.

Es musste kein schweres Spiel für sie gewesen sein, herauszufinden wer diejenige war. Denn jeder Schüler saß längst auf seinem Platz, außer Cleona. Wir verfügten über nichts anderes als Dreiertische in dieser Räumlichkeit und neben mir befanden sich schon Kathrin und Mona. Deshalb blieb der Lurianerin nichts anderes übrig, als im Stehen zu verweilen.

„Ich nehme mal an, dass du das bist! Wie lautet dein Name?", erkundigte die Lehrerin sich bei ihr.

„Cleona Ravel." Sie übergab ihr das Dokument, welches ihr der Direktor ausgedruckt hatte.

Binnen kurzer Zeit hatte sie den Text überflogen. „Aha, Okay", kam es ihr des Öfteren dabei über die Lippen.

„Wenn du magst, dann kannst du dich hier vorn neben Andre und Dome in die zweite Reihe setzen", schlug Frau Winter vor. „Oder willst du der Klasse noch etwas über dich erzählen?"

Cleona schüttelte prompt den Kopf. Das konnte man ihr auch keineswegs übel nehmen. So etwas mochte keiner gern. Nicht einmal der wohlgesinnteste Außerirdische.

Die Schulstunde über teilte Andre ausnahmslos jede einzelne Sache mit seiner neuen Sitznachbarin. Sein Buch, sein Mäppchen, seine bisherigen Hefteinträge und sogar seine Aufmerksamkeit. Aus dem Augenwinkel heraus verfolgte ich jede kleinste Bewegung der beiden. Hoffentlich rutschte Cleona kein Wort über ihre wirkliche Herkunft raus. Das wäre übel, da jemand wie Andre ihr umgehend Glauben schenken würde. Er war eben nicht ich.

Selbst die nächsten Stunden vor der großen Pause verliefen identisch. Andre bot Cleona in jedem Fach an, sich neben ihn und Dome setzen zu können. Henriette störte das in jeder Hinsicht. Unaufhörlich zog sie über Cleona ab. War sie von nun an zu ihrem neuen Opfer geworden? Und das innerhalb weniger Stunden?

Es klingelte. Wir packten unsere Sachen zusammen und wurden von dem Unterstufenstrom mit nach draußen in den Pausenhof gerissen. Frische Luft. Das tat so gut.

Dana war erneut nirgends zu sehen. Zumindest nicht gegenüber von uns auf der leerstehenden Bank unter der Weide, welche bereits nach wenigen Minuten von kichernden Achtklässlern besetzt wurde.

Zu sechst redeten wir über das Neuste vom Neusten. Mona berichtete stolz davon, dass sie seit längerem mit Luca Marini, einem in unserem Bundesland bekannten jungen Chemiker in Kontakt stand. Ihre Augen glänzten schier vor Begeisterung, als sie von ihm sprach. Da musste sich fürwahr jemand verknallt haben.

„Und? Wie lief eure Lichterjagd gestern?", wollte ich neugierig wissen. Immerhin hatte ich des Rätsels Lösung sogar Undercover mit in die Schule gebracht. Doch wie sah es mit dem Club aus? Klar, hatten sie nicht dieselbe fantastische Entdeckung wie ich gemacht, aber dennoch interessierte es mich, was ihre endgültige Folgerung war.

„Das war ein Schuss in den Ofen. Um zwölf sind wir aufs Dach von Dome, am Himmel war jedoch nichts zu sehen. Jaja, du hattest Recht Scar. Womöglich steckt da wirklich nichts dahinter.", gab Andre gezwungenermaßen zu.

Auf Cleonas Gesicht zeichnete sich ein geschockter Ausdruck. Sie hatte es wohl echt nicht für möglich gehalten, dass so viele ‚Erdenbewohner' von diesen Lichtern Notiz genommen hatten. Naja, selbst in der Klengauer Tagespost stand ein Artikel mit Augenzeugenberichten darüber.

„Stimmt was nicht?", richtete Kathrin sich an Cleona, als sie deren merkwürdiges Verhalten registriert hatte.

„Nein, nein. Alles bestens!", lächelte diese ihre Betroffenheit weg.

„Aber was ist mit deinem Nachbar, Andre? Der hatte doch gestern etwas beobachtet, nicht?", wandte Mona sich an den Dunkelhaarigen.

Es traf mich wie ein Fußball in den Magen. Oh, Herr. Bitte kein schaulustiger Idiot, der Cleonas Absturz mitverfolgt hatte.

„Ja, aber bei ihm kann man sich niemals sicher sein. Der ist immerhin 70. Heute Morgen meinte er, dass er nachts ein Licht gesehen hat, welches im Wald verschwunden ist." Er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf.

Nun suchte Cleona hilflosen Augenkontakt bei mir, den ich Schultern zuckend erwiderte. Einfach ruhig bleiben und keinen Mucks machen. Das würde schon schief gehen. Wir konnten allein hoffen, dass es bei dem alten Jackson, wie wir ihn immer nannten, blieb. Beweise dafür gäbe es ohnehin keine, da ihr Raumschiff allem Anschein nach beim Eintritt in die Atmosphäre verglüht war.

„Ach, lassen wir das einfach!", seufzte Kathrin. „Sollen wir uns heute wieder treffen? Dann können wir endlich mit der Kryobiologie abschließen."

Also bin ich wohl nicht die einzige gewesen, welche kein großer Fan dieses Themas war. Die anderen vermutlich auch nicht, da niemand eine Verneinung zur Antwort gab. Einzig Dome hatte erst nach seinem Klavierunterricht Zeit, darum verschoben wir das Treffen von 15 auf 16 Uhr. Dem chronologischen Plan zufolge heute bei Mona stattfindend.

„Na? Kommst du auch mit?", lud Andre Cleona aufrichtig ein.

„Äh...Sicher.", meinte diese nach einem flüchtigen Blick zu mir.

Und so gewann der Club an diesem Tag ein Mitglied mehr in seinen Reihen. Auch wenn es bisher nicht offiziell bestätigt wurde, hatte ich keinerlei Zweifel, dass jemand irgendwelche Einwände mit sich bringen würde. Vor allem nicht Andre.

Es klingelte zum zweiten Mal. Die Pause war vorüber. Strahlend verschwanden wir im Erdkunde-Raum, voller Vorfreude auf den Nachmittag.

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