Kapitel XVII

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Hm, meine Eltern waren im Glauben, dass Cleona samt Familie hier in der Nähe wohnen würde, doch das entsprach natürlich keinesfalls der Wahrheit. Was nun? Wenn sie jede Nacht hier verbringen würde, dann käme das viel zu auffällig. Die Kreativität hatte mich einsam und allein zurückgelassen.

„Ehrlich gesagt, bin ich ratlos.", gab ich deprimiert zu.

„Ich könnte ja dasselbe mit ihnen machen, wie mit dem Schuldirektor.", bot Cleona mir an, was mich in einen tiefen Schock versetzte.

Meine Eltern? Gehirnwäsche? Das wäre viel zu schrecklich. Sogar bei Herrn Finkenberg hatte mich die bloße Furcht gepackt.

„Andere...Vorschläge?", druckste ich herum, nachdem mich die Realität wieder eingeholt hatte.

Eine Weile saßen wir uns lediglich schweigend gegenüber. Ob es eine nachdenkliche oder peinliche Stille war, konnte ich nicht sagen. Es war schlicht seltsam.

„Vielleicht wissen wir ja nach dem Clubtreffen weiter.", warf ich schließlich ein und Cleona stimmte mir leicht nickend zu. Hoffentlich.

Da wir noch Unmengen an Zeit bis 16 Uhr hatten, stand erst einmal die Erledigung der Hausaufgaben an. Es war urkomisch Cleona dabei zu helfen und besonders in Sachen Mathe wollte sie die Wichtigkeit der vielen Formeln einfach nicht verstehen. Tja, das taten wir Schüler ebenso nicht. Dennoch standen Sachen wie der Satz des Pythagoras auf unserem Lehrplan.

Einzig unser momentanes Thema in Geschichte weckte ihr wissbegieriges Interesse. Nämlich der Zweite Weltkrieg. Dazu hatte sie sich besonders temporeich eine eigene Meinung gebildet:

„Wie unklug ist das denn, sich gegenseitig als Rasse zu bekämpfen?! Wenn bei verschiedenen außerirdischen Spezies der Krieg ausbricht, dann kann ich das ja noch verstehen, aber so etwas ist nun mit Abstand das Absurdeste, was ich je gehört habe! Auf Luria ist das in jeder Hinsicht anders!"

Als sie das so euphorisch aussprach, kam mir eine irgendwie unangenehme Frage in den Sinn. Wie lange würde Cleona hier überhaupt verweilen? Hatte sie schon versucht mit Luria in Kontakt zu treten? Machten sich ihre Eltern keine Sorgen?

Ich konnte es wirklich nicht für mich behalten. Diese Sache wurmte mich bis auf die Knochen. Auweia. Vorsichtig begann ich mich an ihre Antworten heranzutasten.

„Als meine Drimära abgestürzt ist, müsste sie automatisch ein intergalaktisches Signal ausgesendet haben, aber bis dieses in Luria ankommt, kann es noch ewig dauern. Ich weiß nicht wie lange, es tut mir leid. Aber eigentlich gefällt es mir hier überaus gut. Es ist um so viel anders auf der Erde, als es in unseren Sagen beschrieben wird.", erklärte sie mir.

Innerlich atmete ich auf. Weshalb? Weil sie mir so ans Herz gewachsen war und das nach nicht einmal 24 Stunden. Bis vor einem Tag hätte ich jedem, der mir gesagt hätte, dass mein Leben sich so verändern würde, sofort den Vogel gezeigt. Unglaublich. Unfassbar. Unbeschreiblich.

Nachdem wir fertig mit dem Schulzeug waren, spazierten wir erleichtert in mein Zimmer und Cleona schaltete mit einem Schnippen den Fernseher ein. Sie faszinierte sich mit großen Augen an den diversen Gerichtsshows, welche um diese Uhrzeit liefen, derweil ich an meinem Laptop ein Dokument für unser Club-Meeting bearbeiten musste. Ich zog mir meine schwarze Hornbrille an und tippte fleißig drauflos.

Nicht einmal zwei Minuten später, begann mein Handy plötzlich neben mir zu vibrieren und ich sah baff auf dessen leuchtenden Bildschirm. Dana hatte mir geschrieben? Seltsam, sonst vermied sie doch strikt sämtliche Art von Kontakt mit mir?

Ich entsperrte das Display und meine Augen verfolgten jedes einzelne Wort, Zeile für Zeile.

- Sag Mama und Papa, dass ich nach der Schule zu Emilia bin. Könnte später werden, weiß noch nicht. Ciao.-

Könnte später werden? Weiß noch nicht? Ciao? Sie war doch erst 13! Aber gut, ihr Ärger, den sie höchstwahrscheinlich bekommen wird. Nicht mein Problem.

Demnach pinnte ich als zuverlässige große Schwester Danas Nachricht für meine Eltern an den Kühlschrank. Nebenbei fügte ich hinzu, dass ich um 16 Uhr wegen einem Clubtreffen zu Mona gehen würde.

Zunächst war ich mir nicht sicher, doch nach einem umstrittenen Gedankengang fasste ich den Entschluss dazuzuschreiben, dass Cleona mir heute Abend wegen Schulmaterial einen kleinen Besuch abstatten würde. Dann wäre das ebenfalls bereits so halbwegs geklärt.

Ach, dabei fühlte ich mich in Wirklichkeit so unwohl. Seit gestern musste ich meine Eltern ständig belügen. Da nistete sich mit der Zeit tatsächlich ein spürbar schlechtes Gewissen bei mir ein. Aber es ging nicht anders. Sie würden es nie verstehen.

Wicked ScienceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt