|Kapitel 9|

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Gähnend schlage ich die Augen auf. Wie lange habe ich geschlafen? Auf jeden Fall lange genug, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Dunkelheit... Mein Traum. Dieses Etwas, es ist wach. Da bin ich mir ganz sicher. Ich habe es geweckt, auf der Foltermaschiene. Ich habe mich... entfaltet. Das meinte Sam wohl damit. Und wenn ich mich wirklich entfaltet habe, bedeutet das, er ist wirklich ein Hexer? Ava, hör auf damit. Du bist müde. Sam kann kein Hexer, Magier oder sonst was sein, einfach, weil es keine Hexer, Magier oder sonst was gibt. So einfach ist das.

Ich wälze mich auf der Couch- jetzt, wo ich mich an das fehlende Licht gewöhnt habe, bin ich mir auch sicher, dass es eine Couch ist- umher. Ich wünschte, Sam und Elane würden zurückkommen und mir erklären, was passiert ist. mir sagen, sie hätten das falsche Mädchen gekidnappt und mich wieder frei lassen. Ich wünschte, ich könnte mich jetzt in den Armen meiner Mutter ausheulen und ihr von all dem erzählen. Sie würde so etwas sagen wie schhh, ruhig. Alles wird gut. und mich damit beruhigen. Sie wüsste, was zu tun ist.

Aber sie ist zuhause und ich nicht. Ich liege auf einer Couch in einem dunklem Raum ohne Licht, mit einem Etwas in mir, das nur darauf wartet, aus mir herauszubrechen, und ich habe keinen Schlüssel zu der Tür des dunklen Raumes weil ich gekidnappt wurde. Ich kann jetzt nicht zu Mama. Selbst wenn ich nicht eingeschlossen wäre wüsste ich nicht, wie ich nah Hause kommen soll. Die Gänge sind so verwinkelt, dass ich mich verlaufen würde, ohne Sams Hilfe komme ich nicht mehr aus dem Wald raus und selbst wenn wäre ich immer noch Kilometer weit von zuhause entfernt. Außerdem... will ich auch garnicht nach Hause. Klar, ich würde jetzt Chat gerne in Mamas Armen liegen. Aber dann wäre da immer noch dieses Etwas und das werde ich nicht los, nur weil ich Sam und Elane loswerde, da bin ich mir sicher. Hier ist der einzige Ort, wo ich Antworten bekommen kann. Und hier ist der einzige Ort, wo mir jemand glaubt. Schließlich würde ich zuhause in die Klapse gesteckt werden, wenn ich auch nur ein Wort von einem Etwas knapp unterhalb meiner Lungen rede. Von den Vorkommnissen in dem Folterraum ganz zu schweigen. Ich kann hier nicht weg. Nicht nur, weil ich eingesperrt bin.

Zwei kleine Nickerchen und und drei Ich-liege-auf-dem-Rücken-und-überdenke-mein-gesamtes-Leben-Sessions später klopft es an meiner Tür.

„Ava? Bist du wach?"

Auch wenn die Tür die Stimme etwas dämpft bin ich mir sicher, dass es Sam ist, der dort vor meiner Tür steht.

„Ja!"

Ich will mehr sagen, aber dafür bin ich zu unvorbereitet.

„Gut."

Klick-Klack. Und die Tür geht auf.

Angestrengt kneife ich meine Augen zusammen, denn mit Sam kommt auch das Licht hinein. Wie ein weißer, blendender und schmerzender Ball trifft er auf meine Augen, sodass ich nicht im Stande bin, sie offen zu halten. Nur dass das Licht mit geschlossenen Augen immer noch da ist. Verzweifelt wedele ich mit der Hand um Sam zu sagen, er solle doch bitte die Tür schließen. Daran, dass ich es ihm auch einfach wirklich sagen könnte, denke ich garnicht.
Sam versteht mich zum Glück trotzdem und mit einem einzelnem Klick ist das Licht wieder weg. Erleichtert schaue ich Sam an.

„Wie lange ward ihr weg?"

„Ungefähr vier Stunden würde ich sagen."

Das erklärt sowohl meinen langen schlaf als auch die Lichtempfindlichkeit.

„Und was habt ihr gemacht?", frage ich, hoffnungsvoll, eine Antwort zu erhalten.

„Wir haben etwas abgesprochen. Also. Ich gehe davon aus, du wüsstest gerne, was los ist?"

Ich nicke wie verrückt. Natürlich möchte ich wissen, was los ist.

„Ok, aber verspreche mir, mir bis zum Ende zuzuhören, egal, wie unsinnig dir das ganze erscheint."

Abermals nicke ich, denn auch wenn ich nicht erwarte, eine sinnvolle Erklärung zu bekommen, muss ich doch zugeben, dass ich Sams Geschwafel immer weniger und weniger abgeneigt bin. Das zeigt nur, wie verzweifelt ich bin.

„Also. Wo fange ich an. Weißt du, vor langer Zeit, da gab es noch keine Menschen. Wie du wissen solltest. Da gab es generell noch keine Lebewesen, nicht einmal Einzeller wie Bakterien. Das Leben hat sich gebildet, im Wasser, langsam, aber sicher.
Gleichzeitig gab es einen Krieg an der Oberfläche, einen Krieg zwischen Außerirdischen, wie man heute sagen würde. Der Krieg ging um den Planeten, um unsere geliebte Erde. Die Außerirdischen hatten ihren eigenen Heimatsplaneten verseucht und wollten sich auf eurem einsiedeln, doch eine andere Art von Außerirdischen wollte den Planeten beschützen. Sie kamen von einer Art Zwillingserde, auf der sich alles genauso entwickelt hat wie auf dieser hier, nur etwas schneller. Man könnte sogar sagen, die, die den Planeten beschützen wollten, waren Menschen und keine Außerirdische. Biologisch gab es keinen Unterschied zu den Menschen. Sie gewannen und verbannten die Außerirdischen- die man übrigens nicht gerade als Menschen bezeichnen konnte- und blieben, um die Erde und das Leben auf ihr zu beschützen. Sie sahen alles mit an, die ersten Zellen, die ersten Mehrzeller, die ersten Tiere, einfach alles. Und sie schworen sich, dieses Leben zu schützen. Nun, die Generationen gingen dahin und die, man nennt sie umgangssprachlich meist Zwillings-Menschen, entwickelten sich weiter. Sie bekamen Fähigkeiten, die keiner für möglich gehalten hatte. Manch einer konnte zaubern, manch einer konnte unter Wasser atmen.
Gleichzeitig entwickelten sich Feindschaften innerhalb dieser Zwillings-Menschen. Jeder wollte die Macht haben, den Planeten zu kontrollieren. Die meisten wollten nicht einmal mehr das Leben beschützen, sie wollten den Planeten einfach nur noch für sich allein. So bildeten sich verschiedene Seiten, die wir Teams nennen. Diese Teams waren extrem schlecht darin, sich zu einigen, stattdessen kam nur eine Drohung nach der anderen, bis es fast zum Krieg kam. Da niemand einen offenen Kampf wollte aber auch niemand so weiter leben wollte entwickelte man ein Spiel. Jedenfalls wird es das Spiel genannt, eigentlich ist es viel zu komplex für ein einfaches Spiel. Und wenn es doch ein Spiel ist, dann ist es das komplexeste Spiel das jemals entwickelt wurde. Niemand kennt heutzutage alle Regeln, aber eigentlich sind nur wenige wirklich wichtig. Es geht darum: Man setzt alles, was der Planet zu bieten hat, ob Lebewesen, Gestein oder Wetter, ein, um zu überleben. Welches Team am Ende die meisten Überlebenden hat darf für ein paar Jahrhunderte den Planeten und alles, was darauf lebt, auch die Zwillings-Menschen, die übrigens eigentlich Gonvebtures heißen, kontrollieren. Wir befinden uns gerade in der siebzehnten Runde. Bisher hat jedes Mal unser Team gewonnen, also das, dass nur Gutes für den Planeten will, aber wir sind am Verlieren. Wenn ein anderes Team gewinnt würde das den Untergang der Menschheit bedeuten. Und wir könnten nichts dagegen ausrichten, nicht einmal nur wegen den Regeln, sondern auch, weil von unserem Team nichts mehr übrig währe. Sobald die Runde vorbei ist wird man uns jagen. Ist niemand aus unserem Team mehr am Leben, kann das andere Team mit dem Planeten machen, was es will. Das muss verhindert werden. Und jetzt kommst du ins Spiel. Du bist ein Zwillings-Mensch oder meinetwegen auch ein Gonvebtur. Und nicht nur irgendeiner: du hast die mächtigste aller Fähigkeiten. Du bist eine Sirene. Du kannst allein mit der Kraft deiner Stimme Leute kontrollieren. Und du bist nicht nur mächtig, sondern auch selten, da die Teams fast alle Sirenen aus den anderen Teams ausgerottet haben, um sich zu schützen. Daher wird auch niemand, also wirklich niemand außer mir und Elane, nicht einmal unser Vorgesetzter, erfahren, dass du eine Sirene bist. Es würde dich nur in Gefahr bringen. Aber wir hoffen, dass du dich uns anschließt. Das ist absolut freiwillig, aber darauf komme ich später drauf zurück. Fürs Erste ist nur wichtig, dass du weißt, du bist kein Mensch. Jedenfalls keiner, wie du sie kennst."

Und mit diesen Worten geht Sam wieder raus und lässt mich mit offenem Mund auf der Couch zurück.

Ja. Ich versuche wirklich, mich mit den offenen Enden in Grenzen zu halten. Egal. Falls ihr irgendwelche Fragen zu der Hintergrundgeschichte habt, fragt gerne in den Kommentaren, das ist wichtig für den Verlauf der Geschichte. Einiges wird zwar noch genauer erklärt, aber fragt trotzdem gerne. Übrigens: Wie findet ihr die Länge? Ich habe dieses Mal etwas mehr geschrieben. Ich dachte, demnächst könnte ich 1500 Wörter zum Normalfall machen.
LG, Moon

Es ist ein Spiel. Alles.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt