|Kapitel 11|

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Ach du heilige...

Ich stehe vor einem Palast. Zumindest fühlt es sich so an. Nein, es fühlt sich nicht nur so an, es ist so. Ich stehe in einem verdammtem Palast.

Genauer gesagt stehe ich im Badezimmer Schrägstrich Ankleidezimmer Schrägstrich Palast Schrägstrich JederMädchenTraum. Und es ist riesig. Jetzt, wo Sam Licht gemacht hat, sehe ich auch wie groß allein das Zimmer ist, in dem ich geschlafen habe. Mehr als eine Couch steht dort aber wie erwartet nicht drin. Im Nachhinein ist es etwas dumm gewesen, sich einfach auf die Couch zu pflanzen, ohne nach etwas anderem zu suchen... Aber egal. Es hätte nichts anderes gegeben.

Das Bad besteht aus einer riesigen Dusche, einem Riesigem Waschbecken, einer Toilette und einem Regal mit mehr Produkten als in jedem Beauty-Geschäft, das ich je gesehen habe. Kurz: Es ist purer Luxus.
Wann holt mich Sam noch einmal ab? In einer Stunde. Ich muss Prioritäten setzen, schließlich will ich nicht gerade nackt unter der Dusche stehen, wenn er kommt, nur weil ich jedes Shampoo im Schrank ausprobieren wollte. Duschen möchte ich trotzdem, ich fühle mich... dreckig. Blutig. Das muss weg, sonst kann ich mich nicht entspannen. Nicht, dass ich mich entspannen sollte, ich wurde entführt und Adrenalin ist gut... Aber wenn ich schon gefangen bin möchte ich, das es mir gut geht. Einmal Luxus kann schließlich nicht schaden.

Ich lasse das warme Wasser über meine Schultern laufen, spüre, wie es all den Dreck, das Blut und das Leid davon trägt. Spüre, wie meine Muskeln sich entspannen, spüre, wie meine Atmung tief und gleichmäßig wird, spüre, wie es mir langsam besser geht. Schon lustig, was ein bisschen Wasser so ausrichten kann.
Zu viel Zeit lasse ich mir aber auch nicht, denn ich habe immer noch nicht viel Zeit. Also trockne ich mich schnell ab, kämme meine Haare und gehe in den zweiten Teil des Raumes, die Ankleide, bestehend aus einem riesigem Spiegel, einem flauschigem Teppich, einer Bank und Regalen, die mit Klamotten vollgestopft sind. Auch wenn mich die Ballkleider mehr als nur anlächeln, entscheide ich mich letztendlich für eine etwas weitere Jeans und einen warmen Pulli.
Schließlich weiß ich nicht, ob Sam mich zu einem Frühstück in einem Ballsaal mitnimmt, wie es der etwas kindlichere Teil von mir hofft, oder ob er vorhat, mich von einer Klippe zu werfen. So oder so, praktische Klamotten sind immer gut.

Ich habe scheinbar doch länger gebraucht als erwartet, denn kurz nachdem ich fertig bin, klopft es an der Tür.

„Ja?", rufe ich.

Klick-klack und die Tür ist auf. Wie erwartet ist es Sam.

„Gut, du bist fertig. Komm mit. Und denk nicht mal dran, wegzulaufen, du findest hier sowieso nicht mehr raus."

Ach ne. Ich dachte eigentlich, ich laufe einmal den Gang entlang und stehe dann zuhause. Aber schön zu hören, dass ich nicht gefesselt sein werde.

Wir laufen noch nicht einmal so lange, da kommen wir-mal wieder- an einer Tür an. Sie ist golden verziert und sieht... wichtig aus. Vielleicht ja doch ein Frühstück im königlichem Ballsaal? Haben die Zwillings-Menschen überhaupt einen König? Nein, nach dem, was Sam erzählt hat, ist ein Teamanführer wahrscheinlicher. Was denke ich hier überhaupt?

Die Tür ist nicht verschlossen, sie schwingt einfach so auf, nachdem Sam vor sie getreten ist. Oder hatte sie einen Sensor, der Sam erkannt hat? Ich weiß es nicht.
Sam lässt mir den Vortritt. Zögerlich setzte ich einen Fuß über die Schwelle und bleibe kurz stehen, um mich umzusehen. Viel zu sehen gibt es allerdings nicht, vor mir befindet sich nicht mehr als eine Art Flur, der reichlich verziert wurde. Aber eben nicht mehr. Ich gehe also noch ein paar Schritte und schaue zu Sam, der mir folgt. Hinter ihm schwingt die Tür wieder zu.

„Das hier ist nichts weiter als ein anderes Gangsystem, falls du dich das fragst", beantwortet er meine stille Frage.

Hier laufen wir um einiges länger. Als wir nach tausenden von Kreuzungen und Seitengängen an der nächsten Tür ankommen schmerzen meine Füße bereits.
Die Tür ist wieder golden verziert, genau wie alles andere in diesem Gangsystem. Das hier scheint so etwas wie der reichere Bereich zu sein. Und auch ihr steht Speisesaal. Also werden wir jetzt wirklich Frühstücken, was ich nach dem Marsch auch dringend nötig habe.
Die Tür schwingt auf. Und ich werde geblendet. Geblendet von purem Reichtum und Licht, das von allen möglichen Kristallen und Goldverzierungen reflektiert wird. Die Gonvebtures scheinen sehr, sehr reich zu sein. Das Licht kommt aus einigen riesigen Kronenleuchtern, die an der Decke hängen. Unter ihnen steht eine reichlich gedeckte Tafel, um die herum viele Leute sitzen. Wahrscheinlich alle Gonvebtures.

„Ah, Herr Sam, da sind sie ja. Und das neben ihnen muss Fräulein Ava sein?", meldet sich der Mann, der am Tischende sitzt zu Wort.

„Genau", antwortet Sam, während er sich verbeugt. Schnell verfalle ich ebenfalls in eine leichte Verbeugung. Nicht das ich am Ende noch als Mahlzeit auf der Tafel lande.

„Setzten sie sich doch zu uns, dann können sie ein wenig über sich und die Lady erzählen."

Sam hatte mir auf dem Weg erzählt, das wir so tun werden, als wäre ich eine Meerjungfrau, was bedeutet, ich habe die Maschine durch Wasser gestoppt. Ansonsten ist das, was man fühlt, während man die Gabe einsetzt bei Meerjungfrauen und Sirenen sehr ähnlich. Auch hat er mir die Bedingungen und meine jetzigen Freiheiten bezüglich meines Mitwirkens in diesem Team erklärt. Ich kann ablehnen, aber es wird sich niemand an mich erinnern. Absolut niemand. Es ist, als hätte ich nie existiert. Daher macht sich Mama auch keine Sorgen um mich. Es ist verstörend und ich habe immer noch brennende Augen von meiner Heulattacke, aber ich hatte, wenn ich ehrlich bin eh nicht vor, zurückzugehen. Wie auch, wenn ich jetzt weiß, dass ich nicht einmal ein Mensch wäre. Ich hätte nicht glücklich werden können.

Das Essen ist einfach nur herrlich. Aber die Stühle sind ungemütlich. Wer stellt super teure Stühle her, die nicht gemütlich sind? Und wer kauft sie auch noch? Zum Glück bietet Sam mir reichlich Ablenkung. Er redet schon seit zehn Minuten über den Verlauf meiner Entfaltung. Ent-FALALALA- nein, das ist nicht mehr lustig. Schluss jetzt.
Laut Sam habe ich zwar länger gebraucht als normalerweise, aber dafür war meine Entfaltung auch stärker als normalerweise. Anstelle einer kleinen Welle, die die Maschine zerstört, habe ich den ganzen Raum unter Wasser gesetzt. Daher haben er und Elane auch bereits wieder geputzt und die Maschinen repariert, es war anscheinend sehr viel kaputt. So weit, so gut. So wird hoffentlich niemand erfahren, dass ich eine Sirene bin, auch wenn ich weder genau weiß, was das bedeutet, noch, wieso es so ein großes Problem wäre, wenn andere Leute davon erfahren würden. Ok, ich würde gejagt werden. Aber werde ich das nicht sowieso? Ist es nicht gerade das, worum es bei diesem Spiel geht?

Ich komme in Sams Gruppe. Ich nenne das ganze einfach Mini-Team-Sam, weil ich mir den echten Namen, Enthalusid, partout nicht merken kann. Jedenfalls werde ich sie begleiten. Von ihnen lernen. Lernen, wie man überlebt, wenn alles und jeder einen umbringen will. Klingt doch spaßig, oder? Zumindest klingt das, was Sam erzählt spaßig, aber ich vermute, so toll ist es nicht. Jedenfalls weicht er den Fragen der anderen ständig aus und kehrt andauernd zu den selben Themen zurück. Ich sage die gesamte Zeit über nichts. Rein garnicht. Wieso auch? Ich fühle mich wie eine Art Schmuckstück. Ein Schmuckstück, das so unbekannt ist, dass man nicht weiß, wie viel Wert es noch hat. Vielleicht wird man von ihm reich. Vielleicht auch nicht. Und vielleicht verkauft man es, um sich von der Armut zu retten.

Es ist ein Spiel. Alles.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt