|Kapitel 12|

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Seit dem Tag, an dem Sam mich entführt hat, sind drei Monate vergangen. Drei Monate, in denen gleichzeitig viel zu viel und viel zu wenig passiert ist. Ich wurde wie angekündigt in Sams Team gesteckt. Es besteht aus fünf Leuten, ohne mich vier. Die Beschreibung das fünfte Rad am Wagen passt also perfekt. Ich kann... nichts. Die anderen sind schon seit Jahren hier und werden seit Jahren ausgebildet. Sie sind in allem gut, egal ob das körperliche oder geistige Fähigkeiten angeht. Sam versichert mir zwar immer, dass es normal ist, am Anfang etwas hinterherzuhinken, aber das macht die Sache auch nicht besser. Und was am Schlimmsten ist: Das etwas (das, wie sich rausgestellt hat, meine innere Sirene ist) schlummert tief und fest in meinem Inneren. Was gleichbedeutend ist mit ich bin vollkommen wehrlos und nichts weiter als ein Mensch.

Laut Sam dauert es immer einige Zeit, bis man seine Kraft kontrollieren kann. Und die längste Zeit, dass sie hervorbricht, liegt zwischen dem erstem und zweitem Mal. Danach ist alles ganz einfach und nach einer kurzen Zeit hat man die Kontrolle. Bis dahin kommt die Kraft, Gabe oder wie auch immer man es nennen will nur zum Vorschein, wenn man in Gefahr schwebt. Oder wenn jemand, der einem wichtig ist in Gefahr schwebt. Aber auch das passiert erst nach dem zweiten Mal. Das zweite Mal passiert nämlich einfach so, ohne jegliche Vorwarnung. Und bis dahin kann passieren, was passieren will, es wird nichts bringen. Man ist wehrlos. Und meistens dauert es über ein Jahr, bis die Gabe das zweite Mal aktiviert wird.
Auch wenn das Etwas mir etwas ganz anderes sagt.

Ich bin in dem Zimmer mit dem Palast-Badezimmer eingezogen. Mit der neuen Einrichtung ist es ein komplettes Palast-Zimmer. Aber ich weiß von Sam, dass jedes der Zimmer so aussieht.
Weitere Änderungen, wie Sam sie nennt, sind folgende: Meine Familie erinnert sich genauso wenig an mich wie jeder andere auch, stattdessen haben sie nun eine neue Tochter. Ich könnte an ihnen vorbeilaufen, sie würden mich nicht erkennen. Videos oder Fotos mit mir gibt es nicht mehr. Es erinnert mich ein bisschen an die Szene in Harry Potter wo Hermine sich aus den Erinnerungen ihrer Eltern löscht. Außerdem durfte ich mir einen neuen Namen aussuchen, ich bin bei Ava geblieben, aber meinen Nachnamen habe ich geändert. Beziehungsweise ich habe ihn gelöscht. Ich bin jetzt Ava ohne Nachnamen. Oder Ava die Sirene. Ava die neue. Ava die komische. Ava die, die gerne die Stellung als fünftes Rad am Wagen übernimmt. Ich habe viele Nachnamen und die meisten habe ich mir selbst gegeben.

Zumindest muss ich nicht mehr zur Schule, stattdessen lerne ich alles, was ich wissen muss, von Sam und seinem Team. Das einzige positive an der Sache, wie es mir scheint. Obwohl... Sam. Ich weiß einfach nicht, was ich von ihm halten soll (schließlich hat er mich gekidnappt).

Jetzt gerade sitze ich auf meinem Bett und starre in ein Buch aus der Bibliothek- die nur ein paar Gänge entfernt ist, es stellt sich heraus, dass diese Gänge sich zu einer echten Stadt zusammensetzen, entgeistert an. Es erklärt die Geschichte der Menschen. Und es ist einfach seltsam, seine eigene Geschichte in den Worten eines anderen zu hören. Auch wenn ich weiß, dass dies eigentlich garnicht meine Geschichte ist, sondern die meiner Zwillingsspezies. Allein der Gedanke fühlt sich seltsam an. dennoch lese ich das Buch, da der Geschichtsunterricht jetzt ja ausfällt und Menschengeschichte das einzige ist, dass nicht durch unsere Teameinsätze ersetzt werden kann, denn darüber lerne ich dort nichts. Ich habe aber auf keinen Fall vor mein Wissen über die Menschheit zu vergessen. Lieber kämpfe ich mich in meiner Freizeit durch Bücher, die langweiliger sind als Geschichtsunterricht selbst.

Es klopft an meiner Tür. Seufzend lege ich das Buch beiseite, insgeheim dankbar für die Erlösung, schäle mich aus meiner Decke und laufe lustlos zur Tür. Wenn das jetzt Sam mit einem Einsatz ist...
Aber es ist Sam. Mit einem neuen Einsatz. Wer sollte es auch sonst sein?
„Hi"
„Hi", erwidert Sam. Unser Begrüßungsritual, wenn man das so nennen kann. Wahrscheinlich eher nicht.
„Sei in einer halben Stunde am Treffpunkt." Und weg ist er.
Eine halbe Stunde nur. Ich seufze abermals. Sogar langweilige Geschichtsbücher sind besser als die Demütigung, als die Neue im Van zu sitzen und nichts machen zu können, als zuzuhören und aus dem Fenster zu starren. Aber was soll ich machen? Zu sagen, ich habe heute keine Lust, würde alles nur noch schlimmer machen. Mal davon abgesehen, dass es eh niemanden interessiert, ob man Lust hat. Ich würde sowieso mitkommen müssen.
Also lege ich mein Buch weg, mache mich fertig und gehe zu dem Treffpunkt. Mehr Zeit habe ich nicht, es dauert ein paar Minuten, bis man von meinem Zimmer aus am Punkt ist. Die anderen warten schon.
Elane, Lucida, genannt Lucy, und Marta. Und natürlich Sam. Allesamt Magier, die häufigste Form der Gonvebtures. Bis auf Sam haben sich alle auf die Magie selbst spezialisiert. Und bis auf mich können alle bestens mit ihren Kräften umgehen.
Lucy und Marta sind Zwillinge, eineiig, und sie sehen exakt gleich aus. Sie tragen Bänder um die Handgelenke, Lucy in gelb und Marta in lila, damit wir sie überhaupt unterscheiden können. Ich habe aber das Gefühl, dass sie sich manchmal einen Scherz erlauben und die Armbänder vertauschen.
Sie haben beide blonde Haare und braune Augen, die Haare in exakt der gleichen Länge und die Wimpern stets exakt gleich geschminkt. Ich frage mich wirklich, wie sie das hinkriegen. Aber sie meinen, es ist immer von Vorteil, wenn die anderen nicht wissen, wer man ist.

„Hey", begrüße ich die anderen.
„Bin ich zu spät?"
Sam holt seine Uhr raus.
„Nein, sogar zu früh. Aber komm, jetzt da du da bist können wir auch einfach schon fahren."
So ist das immer. Ich bin zu früh, die anderen sind früher. Wieso sagt Sam nicht einfach gleich, wir treffen uns in einer Viertelstunde? Aber ich schlucke meinen Ärger hinunter und steige wortlos in den Van, auf meinen Stammplatz neben dem Fenster. Sam fährt, Elane sitzt auf dem Beifahrersitz, Marta auf der anderen Fensterseite und Lucy zwischen uns.
Manchmal frage ich mich, warum Sam fährt. Er ist erst siebzehn und hat bestimmt keinen Führerschein, zumindest keinen, der bei den Menschen anerkannt ist. Aber wahrscheinlich liegt eine Art Tarnzauber auf dem Van, der Sam wie einen dreizig jährigen Mann aussehen lässt. Oder so. So ganz habe ich das Prinzip der Magie noch nicht verstanden, auch wenn Sam schon tausendmal versucht hat, es mir zu erklären.

Heyy! Ich bin auch mal wieder da... Ich weiß, es gab... lange keine Kapitel mehr. Für die ersten zwei Wochen habe ich eine Ausrede (ich hatte Corona und wir waren im Urlaub), aber danach war ich einfach... Zu faul. Jetzt kommen aber wieder regelmäßiger Kapitel! Und die werden vielleicht auch mal etwas länger als das hier.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 24 ⏰

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