Kapitel 15

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Bis ich den Grund herausfand, warum meine Magie in einem dunkelblauen Feuer loderte, lenkte ich mich mit anderen Dingen ab. Sowohl der Sonnenball, der Ende der Woche stattfinden würde, als auch die anstehenden Prüfungen in Geschichte und Göttlicher Kriegsführung kamen mir da gerade recht. Besonders das zweite Fach ließ mich nicht los. Diese beiden Worte passten doch eigentlich gar nicht zusammen, oder? Wie konnte etwas Göttliches mit Krieg in Verbindung stehen?

Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Lucian, das nun über eine Woche zurücklag. Wo steckte er bloß? Zuerst jagte er mir eine höllische Angst ein, indem er andeutete, dass meine Magie nicht normal sei, und dann verschwand er einfach. Frustriert malte ich kleine Kringel in mein Notizbuch, während der Dozent vorne über Schlachtfeldkommunikation schwafelte. Seine Worte gingen jedoch spurlos an mir vorbei.

Lucian hatte mir eingeschärft, niemandem von meiner Magie zu erzählen, besonders nicht dem Rat. Er schien regelrecht besorgt, dass sie mich als Bedrohung sehen könnten. Doch was könnte mir im Himmel schon passieren? Es war doch das Reich der Engel und der Reinheit. Wie gefährlich konnte es schon sein, hier eine besondere Gabe zu besitzen? Trotzdem nagte die Frage an mir: Was würde geschehen, wenn sie es herausfanden?

Ich nagte an meiner Unterlippe, während die Kringel in meinem Notizbuch immer größer wurden. Es konnte doch nicht sein, dass ich die Einzige war, die diese Gabe besaß. Es musste doch noch andere geben, irgendwo da draußen. Aber warum, verdammt, hatte Lucian solche Angst vor dem Rat? Er arbeitete doch für sie, oder nicht? Und war das nicht auch mein Ziel? Schließlich war ich hier, um genau das eines Tages ebenfalls zu tun. Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger ergab es Sinn. Was verschwieg er mir? Er schien doch irgendwas zu wissen?

"Phoebe!", Auroras Stimme schreckte mich auf. Sie stand mittlerweile vor mir und hatte ihre Hände auf meinen Tisch gehauen. Ich hob meinen Kopf, schaute an ihren blonden Haare entlang, bis ich an ihren Augen angekommen war.

"Worüber denkst du denn schon wieder nach?", fragte sie, ehe sie leise lachend den Kopf schüttelte.

Das war eine gute Frage. Die Antwort darauf hätte ich ihr gerne gegeben, aber ich erinnerte mich an Lucians Worte. Ich biss mir auf die Unterlippe und seufzte.

"Die Prüfungen machen mir einen Stress", murmelte ich, packte langsam meine Sachen zusammen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Mr. Umphey seinen Unterricht bereits beendet hatte.

"Mach dir nicht immer so viele Sorgen", sagte Phoebe mit einem Lächeln.

Ich rang mir ebenfalls ein Lächeln ab, ehe ich mich vom Platz erhob und gemeinsam mit Aurora den Gang entlang lief. Wenn das doch so einfach war!

"Du glaubst gar nicht, wer mich gefragt hat, ob ich ihn zum Sonnenball begleiten möchte", fing sie auf einmal begeistert an zu erzählen.

"Nathaniel?", fragte ich. Sie warf mir einen verdatterten Blick zu, ehe sie kopfschüttelnd verneinte:"Nee, wie kommst du denn jetzt darauf?"

Ich beschloss, meine Vermutung für mich zu behalten, dass Nathaniel in sie verschossen war. Auch wenn er recht ruhig und distanziert wirkte, merkte ich, wie er förmlich an ihren Lippen hing und hin und wieder sogar lächelte! Ein wahres Wunder bei Nathaniel, der für mich manchmal nicht einmal ein hallo übrig hatte.

Daher zuckte ich bloß unwissend die Schulter, folgte ihr in den nächsten Raum, wo wir unseren letzten Kurs für heute hatten. Geschichte.

"Jeremiah", schwärmte sie dann.

"Jeremiah? Wer ist Jeremiah?", fragte ich verwirrt.

"Du passt auch nie auf oder?"

Entschuldigend zuckte ich erneut die Schulter.

Nachtengel - HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt