"Hier." Cassiels Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Er hielt mir ein Glas mit Wein hin, während er mich mit einem Stirnrunzeln musterte.
"Stoneheart und du. Was ist das zwischen euch?", fragte Cassiel, wollte dabei betont lässig klingen, doch ich konnte den unausgesprochenen Frust zwischen seinen Wörtern hören.
"Er bringt mir das Kämpfen bei. Mehr nicht", erklärte ich leise, war noch zu sehr in meinen Gedanken verloren, um Cassiels Frust Beachtung zu schenken. Nachdenklich nippte ich an dem Wein. Die fruchtige Note breitete sich auf meiner Zunge aus, während ich Aurora dabei beobachtete, wie sie auf der Tanzfläche in Jeremiahs Armen schwebte.
"Wo ist eigentlich Nathaniel?", fragte ich dann. Cassiel zog die Augenbrauen zusammen, ehe er mit der Schulter zuckte.
"Ich kann mir vorstellen, dass er Aurora nicht mit Jeremiah sehen wollte", sagte Cassiel dann beinahe beiläufig.
"Also habe ich seine Blicke richtig gedeutet", murmelte ich. Nathaniel empfand etwas für Aurora, das hatte ich schon häufig in seinen Blicken gesehen.
"Oh ja, sie kennen sich schon ewig. Aber er traut sich nicht, es ihr zu sagen", erwiderte Cassiel.
In gewisser Weise konnte ich dieses Gefühl nachvollziehen. Damals in der Schule hatte ich auch Gefühle für einen Jungen gepflegt, doch ich hatte es nie übers Herz gebracht, es ihm zu sagen. Irgendwann hatte er eine Freundin, die immer wieder über mich herzog und als er sich plötzlich ebenfalls daran beteiligte, waren die Gefühle verpufft. Übrig geblieben, waren bloß Enttäuschung und Trauer.
"Hmm", machte ich bloß.
Der Rest des Balls glitt wie in einem Schleier an mir vorüber. Meine Gedanken kreisten einzig um das, was Lucian mir später in meinem Zimmer erzählen wollte, und alles andere verblasste zur Nebensache. Cassiel hatte schließlich aufgegeben, mit mir zu sprechen – ich nickte nur noch halbherzig, während ich geistig ganz woanders war. Als die ersten Gäste den Saal verließen und der Mond hoch am Himmel stand, entschuldigte ich mich leise bei Cassiel und verließ fluchtartig den Raum. Während ich den Saal durchquerte, spürte ich den prüfenden Blick von Lucians Mutter. Sie schien sich wirklich um ihren Sohn zu sorgen, dachte ich während ich durch die Tür zu den Gängen trat und zügig die Treppen noch oben zu meinem Schlafsaal lief. Aurora war noch immer am Tanzen gewesen, das gab Lucian und mir die Möglichkeit, zumindest für einen kurzen Moment darüber zu reden, was in Gottes Namen mit mir wieder falsch war.
Ich öffnete die Tür, und betrat das Schlafgemach. Lucian saß bereits auf meinem Bett, spielte mit einem seiner Dolche. Normalerweise hätte mich das abgeschreckt, aber ich kannte Lucian mittlerweile.
"Wie bist du hier reingekommen?", fragte ich beiläufig, während ich aus meinen hohen Schuhen schlüpfte.
"Kinderspiel. Die Türen sind so leicht aufzubrechen wie Erdnüsse", sagte er dann beiläufig.
"Oh", machte ich, fragte mich, ob das so ein gutes Zeichen war.
"Keine Sorge, ich habe das Zimmer verzaubert. Keiner kann uns hören, oder es betreten, solange ich hier bin", erklärte er. Sein Blick wanderte vom Dolch zu mir, er musterte mich eingehend. Hitze kitzelte durch meinen Körper, während sein undurchdringlicher Blick auf mir lag.
"Und?", fragte ich.
Er blinzelte ein paar Mal, ehe er die Augenbrauen zusammenzog.
"Setz dich", sagte er und deutete auf das Bett. Überrascht starrte ich ihn an. Ich sollte mich zu ihm aufs Bett setzen?
"Ich denke, was ich dir erzählen werde, wird dir nicht gefallen. Du solltest dich setzen", erklärte er leise.
"In Ordnung", murmelte ich, mein Herz klopfte mir dabei bis an den Hals, während ich mich auf das Bett setzte. Die Matratze sank unter mir.
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Nachtengel - Himmel
FantasyTeil Eins der Nachtengel-Reihe: Engel, Dämonen, Dämomenjäger? Himmel und Hölle? An all das glaubt Phoebe nicht. Sie interessiert sich bloß dafür, wie sie genug Geld sparen kann, um Porthaven endlich hinter sich zu lassen. Doch das alles ändert sich...