Alte Wunden

7 0 0
                                    

Ich erwachte, als die ersten Sonnenstrahlen durch die halbgeöffneten Vorhänge meines Zimmers fielen. Die Wärme des Lichts auf meiner Haut war angenehm, fast beruhigend, und für einen Moment fühlte ich mich ausgeruht und ruhig. Der gestrige Tag war intensiv gewesen, voller neuer Eindrücke und Emotionen, doch heute verspürte ich einen kleinen Funken Zuversicht, der sich in meinem Inneren regte.

Trotz dieses kleinen Funkens zögerte ich, aufzustehen. Der Gedanke, in die Küche zu gehen und mich den anderen zu stellen, ließ meine anfängliche Ruhe wieder bröckeln. Was, wenn ich erneut in eine unangenehme Situation geriet? Was, wenn ich wieder das Gefühl hatte, nicht dazuzugehören? Doch ich wusste, dass ich nicht ewig im Zimmer bleiben konnte. Also atmete ich tief durch, zog mir einen Pullover über und machte mich langsam auf den Weg nach unten.

Als ich die Küche betrat, war ich überrascht, nur eine einzige Person vorzufinden. Stefanie Kloß lehnte lässig an der Küchentheke, eine Tasse Kaffee in der Hand, und schien in Gedanken versunken. Als sie mich bemerkte, schenkte sie mir ein freundliches Lächeln. „Guten Morgen, Valli," begrüßte sie mich, ihre Stimme sanft und warm. „Hast du gut geschlafen?"

„Ja, es ging. Und du?" murmelte ich, während ich nach Worten suchte.

„Auch gut," antwortete Steff und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. „Es war ein langer Tag gestern, aber du hast das super gemacht."

„Danke," sagte ich leise, unsicher, wie ich auf das Kompliment reagieren sollte. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich bemerkte, wie Steff mich beobachtete, fast so, als wollte sie hinter meiner Fassade blicken. Steff trat einen Schritt näher, stellte ihre Tasse ab und sah mir tief in die Augen.

„Du musst dich nicht verstecken, Valli," sagte sie leise, aber mit einer Bestimmtheit, die mich ins Mark traf. „Wir sind alle hier, weil wir Musik machen, weil wir Gefühle ausdrücken. Und du, du hast eine ganz besondere Art, das zu tun. Du musst nicht perfekt sein, du musst nur du selbst sein."

Ich spürte, wie sich ein Knoten in meinem Magen löste, doch gleichzeitig stieg Panik in mir auf. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Bevor ich etwas sagen konnte, drehte Steff sich um und verließ die Küche, ließ mich mit meinen Gedanken zurück.

Noch immer etwas benommen von der Begegnung, machte ich mir einen Kaffee und trat mit der dampfenden Tasse nach draußen auf die Terrasse. Die klare Morgenluft empfing mich, und der Blick auf die weitläufige Landschaft half mir, mich zu beruhigen. Ich setzte mich auf einen der Stühle und ließ meinen Blick über die Hügel schweifen, während ich langsam meinen Kaffee trank.

Es dauerte nicht lange, bis ich Schritte hinter mir hörte. Michael Patrick Kelly setzte sich wortlos neben mich. Er lächelte mir zu, bevor er seinen Blick ebenfalls auf die Landschaft richtete. Eine Weile schwiegen wir, beide in Gedanken versunken. Schließlich war es Michael, der das Schweigen brach.

„Weißt du, Valli," begann er leise, „ich war auch mal an einem Punkt, an dem ich dachte, dass ich mich verstecken müsste. Dass niemand wirklich verstehen würde, was ich durchgemacht habe."

Überrascht von der plötzlichen Offenheit sah ich ihn von der Seite an. Michael fuhr fort, ohne mich anzusehen, als würde er einfach laut nachdenken. „Es gab eine Zeit, da war das Leben wirklich hart. Die Jahre mit der Kelly Family waren nicht immer einfach. Klar, es gab den Erfolg, den Ruhm, aber hinter den Kulissen war es oft düster. Wir hatten nicht viel, und der Druck war enorm. Ich habe lange gebraucht, um zu lernen, wieder Vertrauen zu fassen – in mich selbst und in andere."

Seine Worte berührten etwas Tiefes in mir, etwas, das ich seit Jahren versuchte, zu verdrängen. „Ich...", begann ich zögernd, „ich hatte auch eine schwierige Kindheit." Die Worte kamen langsam, fast zögerlich, aber es war, als ob ich endlich die Last von meiner Seele lassen konnte. „Mein Vater... er war oft wütend. Und wenn er getrunken hatte, wurde es schlimm. Ich musste oft meine Geschwister beschützen. Es gab viele Nächte, in denen ich mir wünschte, einfach unsichtbar zu sein."

Michael sah mich an, seine Augen voller Verständnis und Mitgefühl. „Das tut mir leid, Valli. Es ist schwer, so etwas zu durchleben. Aber weißt du, wir tragen diese Erfahrungen in uns, sie machen uns zu dem, was wir sind. Du hast es bis hierher geschafft, trotz allem."

Ich nickte, und für einen Moment war da nur Stille zwischen uns. Eine Stille, die nicht unangenehm war, sondern wie eine leise Bestätigung, dass wir einander verstanden. Michael legte mir sanft eine Hand auf die Schulter, eine einfache Geste, die so viel Trost spendete.

Bevor wir weitersprechen konnten, wurden wir von der Produktion gerufen. Es war Zeit, sich für die Show vorzubereiten. Ich stand auf, schüttelte die schweren Gedanken ab und machte mich auf den Weg zurück in die Villa, um mich für den Tag fertig zu machen.

Alle Künstler trugen ihre Bühnenoutfits und versammelten sich im typischen „Sing meinen Song"-Setting. Die Aufregung war deutlich spürbar, und ich konnte das Kribbeln in meinem Bauch nicht unterdrücken. Als die Ansprachen und Einleitungen vorüber waren, wurde ich als Nächste aufgerufen. Mit klopfendem Herzen setzte ich mich an das Klavier. Die Tasten fühlten sich kühl unter meinen Fingern an, aber gleichzeitig auch vertraut. Ich atmete tief durch, konzentrierte mich auf die Melodie in meinem Kopf und begann, meine Version von „Blurry Eyes" zu singen.

Meine Finger glitten über die Tasten, und alle hörten aufmerksam zu. Ich ließ meine Emotionen in die Melodie fließen, jede Note erzählte eine Geschichte, brachte meine innersten Gefühle zum Ausdruck. Die Akustikversion, die ich geschaffen hatte, war zart und kraftvoll zugleich, und ich konnte spüren, wie die Zuhörer von der Musik ergriffen wurden. Als der letzte Ton verklang, herrschte für einen Moment absolute Stille, bevor Michael Patrick Kelly mit Tränen in den Augen anfing zu klatschen. Auch die anderen schienen tief berührt zu sein, einige hatten feuchte Augen, andere sahen mich mit einer Mischung aus Bewunderung und Mitgefühl an.

Ich stand auf, nickte kurz als Dank für den Applaus, und eilte, sobald die Aufnahmen beendet waren, zurück in die Villa. Die Emotionen, die ich in der Musik losgelassen hatte, brachen nun über mich herein. Ohne jemanden zu beachten, verschwand ich in meinem Zimmer und schloss die Tür hinter mir.

Obwohl die Show vorbei war und die anderen sich langsam wieder sammelten, um den Abend gemeinsam ausklingen zu lassen, bemerkte Lena, dass ich sofort verschwunden war. Ein leises Unbehagen breitete sich in ihr aus. Sie wandte sich an Stefanie, die gerade einen Schluck Wasser trank. „Steff, hast du gesehen, wie schnell Valli verschwunden ist? Ich mache mir Sorgen um sie," sagte Lena leise.

Stefanie nickte nachdenklich. „Ja, ich habe es auch gesehen. Sie hat viel in dieses Lied gelegt. Vielleicht war es einfach zu viel auf einmal."

Oben in meinem Zimmer saß ich auf dem Bett, die Knie an die Brust gezogen, und spürte, wie die Tränen über mein Gesicht liefen. Die Erinnerung an meine Kindheit, die Gefühle, die ich in das Lied gelegt hatte – all das war wieder an die Oberfläche gekommen und fühlte sich an, als würde es mich erdrücken. Die Tränen kamen unaufhaltsam, ich konnte nichts dagegen tun. Es war, als ob all der Schmerz, den ich so lange in mir eingeschlossen hatte, nun endlich ausbrechen wollte. Schließlich legte ich mich erschöpft hin, die Tränen versiegten langsam, und obwohl ich wusste, dass ich schlafen sollte, war es schwer, den Frieden zu finden.

Als ich schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel, waren es die Albträume, die mich heimsuchten – Bilder meiner Kindheit, die ich so verzweifelt zu vergessen versucht hatte. Die Dunkelheit umschloss mich, und tief in meinem Inneren fragte ich mich, ob es jemals leichter werden würde.

𝘚𝘵𝘳𝘰𝘯𝘨𝘦𝘳 𝘸𝘪𝘵𝘩 𝘺𝘰𝘶 - 𝘚𝘵𝘦𝘧𝘧 𝘍𝘢𝘯𝘧𝘪𝘤𝘵𝘪𝘰𝘯Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt