Kapitel 6

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Echofeder erwachte in einer tiefen, undurchdringlichen Dunkelheit. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, während sich sein gesamter Körper instinktiv anspannte, als ob er auf eine unsichtbare Bedrohung wartete. Die Stille um ihn herum war beängstigend – es gab kein Rascheln der Blätter, keinen Wind, der die Zweige bewegte. Nichts. Nur diese tödliche, erstickende Dunkelheit, die sich wie ein Mantel aus Schatten um ihn legte.

Was... was ist das? dachte er, seine Krallen unwillkürlich ausfahrend. Der vertraute Geruch des Waldes, der ihm sonst Sicherheit bot, war verschwunden, ersetzt durch etwas Kaltes, Leeres. Eine Gänsehaut überzog seinen Körper, als er versuchte, seine Umgebung zu erfassen. Spielte der Traumfürst ihm schon Streiche? Die Angst kroch in sein Herz, als er sich fragte, ob das wirklich ein Traum war oder ob er sich in einer verzerrten Realität befand, in der nichts mehr sicher war.

Echofeder fauchte leise, um die Unruhe zu vertreiben, die in ihm wuchs. Doch der Schall verschluckte sich sofort in der Finsternis, als hätte diese alles verschlungen. Ein seltsames, tiefes Lachen erklang plötzlich in der Ferne, düster und kaum hörbar, als ob es aus den tiefsten Abgründen der Welt kam.

,,Wer ist da?" rief Echofeder mit scharfem Ton, aber seine Stimme hallte gespenstisch zurück, als ob sie nur auf Leere traf. Keine Antwort folgte, nur das drückende Gefühl der Finsternis, die ihn umgab, dichter und bedrohlicher.

Und dann... tauchte eine Silhouette vor ihm auf. Fast unsichtbar gegen die pechschwarze Dunkelheit, doch mächtig und unbestreitbar gegenwärtig. Die Gestalt bewegte sich geschmeidig, als würde sie aus den Schatten selbst geboren werden. Der Körper war groß und kräftig, und seine leuchtenden, glühenden, weißen Augen waren das einzige, was Echofeder klar erkennen konnte.

„Wenn du denkst, du kannst uns retten, hast du dich gewaltig geirrt, Krieger des Tannenclans," erhob der Fremde erneut seine Stimme, seine Worte scharf wie Krallen, die tief in Echofeders Geist schnitten. „Versuche nicht, jemanden oder etwas zu retten, das längst verloren ist. Alles, was du tust, ist alberner Zeitvertreib."

Echofeder kniff die Augen zusammen, sein Misstrauen wuchs. Der Fremde sprach, als hätte er die absolute Macht, als wäre alles bereits entschieden. Aber Echofeder war nicht bereit, einfach so klein beizugeben. „Und wer sagt, dass du das Recht hast, mir das zu bestimmen?" Seine Stimme war scharf, durchdrungen von einer Mischung aus Wut und Skepsis. Er konnte nicht einfach akzeptieren, dass dieser Fremde ihm vorschreiben wollte, wie seine Zukunft aussehen sollte.

Ein kaltes, düsteres Lachen hallte durch die endlose Dunkelheit. Es klang so fern, und doch fühlte es sich an, als würde es direkt in Echofeders Ohren widerhallen. Der Fremde schien sich daran zu erfreuen, die Hoffnung anderer zu zerschmettern. „Ihr Narren habt vergessen, dass eure Träume, eure tiefsten Wünsche hier nicht sicher sind," sprach der Fremde, seine Stimme nun voller eisiger Verachtung.

Echofeder spürte, wie eine schwere Kälte seine Pfoten hinaufkroch, als ob die Worte des Fremden ihm die Wärme raubten. „Findet uns..." fuhr dieser schließlich fort, seine Augen blitzten herausfordernd auf. „Wenn ihr so eine törichte Überzeugung habt, wenn ihr glaubt, etwas bewirken zu können... dann kommt und findet uns. Stellt euch der Prüfung der Fünf."

Echofeders Herz raste. Die „Prüfung der Fünf" – diese Worte hallten in seinem Kopf wider wie ein drohendes Unheil, das er nicht verstehen konnte. Was meinte er damit? Wer waren „sie"? Und warum schien alles auf diese Prüfung hinauszulaufen?

Doch bevor Echofeder antworten konnte, verschwand die Gestalt des Fremden wieder im Schatten, als wäre er nie da gewesen, und die Dunkelheit schloss sich um ihn wie ein endloser, kalter Ozean.

Der verlorene fünfte WächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt