Kapitel 7

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Echofeder beobachtete, wie die ersten goldenen Sonnenstrahlen die Dunkelheit der Nacht vertrieben und den Wald in warmes, goldenes Licht tauchten. Es war ein friedlicher Anblick, doch in seinem Inneren tobte ein Sturm. Neben ihm trat Flammenschwinge an seine Seite und setzte sich sanft ins Gras. Ihre Augen funkelten im Morgengrauen, als sie ihn beobachtete.

„Sind die anderen schon wach?" fragte der schwarz-getigerte Kater schließlich, seine Stimme leise, fast abwesend.

„Nein, wir beide sind die einzigen." Flammenschwinges Tonfall war ruhig, fast sanft, als sie ihm antwortete. Ihre gelben Augen glitten kurz über die schlafenden Gestalten von Wasserpfote und Leopardensprung, die in der Nähe zusammengerollt lagen, als auch die Streuner.

ine Weile herrschte Stille zwischen ihnen, bis Flammenschwinge schließlich die Spannung in der Luft nicht länger ignorieren konnte. „Dich scheint etwas zu beunruhigen..." begann sie vorsichtig und warf Echofeder einen forschenden Blick zu.

Echofeder drehte den Kopf und begegnete ihrem Blick, seine Augen verengt und skeptisch. „Was meinst du?" fragte er, auch wenn er bereits wusste, worauf sie hinauswollte.

Flammenschwinge schnaubte leise und schüttelte den Kopf. „Du wirkst... nachdenklicher als sonst. Es ist, als wäre irgendetwas in dir zerbrochen oder... verändert." Sie beobachtete ihn aufmerksam, suchte nach Anzeichen dafür, was ihn so quälte.

Echofeder schwieg, seine Gedanken kreisten immer noch um den Traum und die Begegnung mit dem düsteren Fremden. Er wollte es nicht zugeben, aber es verunsicherte ihn. War es nur ein Traum? Oder eine Warnung? Die Worte des Fremden hallten immer noch in seinem Kopf wider.

 "Die Prüfung der Fünf." 

Aber was bedeutete das?

„Es ist nichts," murmelte er schließlich und senkte den Kopf. "

Flammenschwinge schnaubte erneut, dieses Mal ungläubiger. „Du kannst mir nichts vormachen, Echofeder. Wir kämpfen vielleicht nicht Seite an Seite wie einst in den Clans, aber ich sehe, dass da mehr ist." Sie neigte den Kopf leicht und wartete geduldig, ob er sich öffnen würde.

Echofeder kniff die Augen zusammen und starrte in die Ferne. Vielleicht sollte er es ihr erzählen. Aber konnte er das wirklich?

Echofeder straffte den Rücken, seine Muskeln spannten sich leicht unter seinem Fell, als er die Worte Flammenschwinges hörte. „Da ist nicht mehr," sagte er schließlich, fast mechanisch, während er seinen Schweif fest um die Pfoten wickelte, als wollte er sich selbst Halt geben. Seine Stimme klang abgeklärt, aber tief in ihm brannte ein Restzweifel, den er nicht zulassen wollte.

Flammenschwinge atmete tief ein und aus, ehe sie leicht den Kopf schüttelte. Es war offensichtlich, dass sie nicht ganz überzeugt war, doch sie beschloss, das Thema fallen zu lassen. Ihr Blick wanderte für einen Moment zu den Bäumen, als sie in Gedanken versank. „Aber sag mal, Echo..." begann sie zögerlich und sah ihn schließlich wieder an. „Was, wenn es die Wächter gar nicht gibt? Was ist... wenn sie wirklich nur Geschichten sind, die man den Jungen in der Kinderstube erzählt?"

Ihre Worte hingen schwer in der Luft, als ob sie eine Wahrheit ansprachen, die beide nur zu gut kannten. In dieser Welt, in der alles zerfallen und das Chaos unaufhaltsam war, schien der Glaube an die Wächter fast töricht.

Echofeder blieb still, seine bernsteinfarbenen Augen starrten ins Leere. Dann sprach er leise, fast tonlos: „Dann haben wir versagt." Die Schwere seiner eigenen Worte ließ sein Herz kurz schneller schlagen. „Wenn es keine Wächter gibt, wenn die Geschichten nur das sind – Geschichten – dann gibt es kein Gleichgewicht. Dann ist alles, wofür wir kämpfen, eine Lüge."

Der verlorene fünfte WächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt