Die Dunkelheit der Nacht umhüllte die Gruppe, als sie dem Fremden durch die unwegsame Berglandschaft folgten. Der Weg war steil und gefährlich, und der Wegweiser, den der Fremde bot, schien in den Schatten zu verschwinden. Die Kälte kroch durch die Haut, und der stetige Wind trug ein unheilvolles Geräusch mit sich.
Echofeder führte die Gruppe, seine grünen Augen suchten unermüdlich nach dem nächsten sicheren Schritt. Neben ihm schritt Flammenschwinge, deren orangefarbenes Fell im schwachen Mondlicht leuchtete. Silberpfote und Leopardensprung hielten sich nahe zusammen, ihre Blicke von Nervosität und Entschlossenheit geprägt. Dornenranke, die bisher schweigend und distanziert geblieben war, schien zunehmend genervt von der ständigen Aufmerksamkeit, doch der Fremde ließ keinen Zweifel daran, dass er die Kontrolle über die Gruppe behielt.
„Wir sind fast am Ende des Gebirges," verkündete der Fremde plötzlich und stoppte abrupt. Vor ihnen erstreckte sich eine breite, von Nebel umhüllte Schlucht, deren Boden nur schwer zu erkennen war. „Jenseits dieser Schlucht liegt der letzte Abschnitt eurer Reise. Seid bereit für die größte Prüfung."
Die Gruppe sah sich fragend um. „Was genau erwartet uns hier?" fragte Echofeder, seine Stimme unsicher. „Wir sind schon so lange unterwegs, was könnte noch kommen?"
Der Fremde lächelte geheimnisvoll, sein Gesicht im Dunkeln kaum zu erkennen. „Die letzte Prüfung liegt nicht nur vor euch, sondern auch in euch selbst. Ihr werdet nicht nur den äußeren Herausforderungen begegnen, sondern auch den inneren Konflikten, die euch begleiten."
Ohne weitere Erklärung drehte er sich um und führte die Gruppe zu einem schmalen Pfad, der sich an den Rand der Schlucht schmiegte. Die Felsen waren glitschig und unbeständig, und der steife Wind sorgte dafür, dass sich die Katzen immer wieder festhalten mussten, um nicht hinabzustürzen.
Schließlich erreichten sie eine Stelle, an der der Pfad plötzlich endete und durch eine tiefe Schlucht unterbrochen wurde. Die Gruppe hielt inne und starrte in die Leere vor sich. Die Schlucht war weit und tief, und der Boden war nicht zu sehen. In der Ferne, jenseits der Schlucht, konnte man die Silhouette einer Brücke erkennen, die zu einem grünen, üppigen Land auf der anderen Seite führte.
„Das ist die letzte Hürde," sagte der Fremde, während er eine Handvoll Pfoten von ihnen entfernt stand. „Ihr müsst den Übergang schaffen, um zu den Wächtern zu gelangen. Die Brücke ist der Schlüssel zu eurer letzten Prüfung."
Flammenschwinge trat hervor, ihre Augen leuchteten in der Dunkelheit. „Wie sollen wir die Schlucht überqueren?" fragte sie. „Es gibt keinen Weg, wie wir das alleine schaffen könnten."
Der Fremde nickte, als ob er mit der Frage gerechnet hätte. „Die Brücke ist ein symbolischer Übergang. Sie wird nur sichtbar, wenn ihr bereit seid, eure Zweifel und Ängste zu überwinden. Jeder von euch muss sich seinen Ängsten stellen, um diesen letzten Schritt zu machen."
Langsam setzte die Gruppe eine Pfote vor den anderen, immer noch unsicher, was sie erwarten würde. Als sie dem Rand der Schlucht näher kamen, begann die Brücke, die zuvor nur vage zu erkennen war, sich sichtbar zu machen. Die Brücke war aus schimmerndem, goldenen Licht geformt und schien auf den Nebel über der Schlucht zu liegen.
Echofeder trat als Erster auf die Brücke und spürte, wie der Boden unter seinen Pfoten zu verschwinden schien. Die Brücke war fest und stabil, doch der Anblick des Abgrunds unter ihm ließ ihn wackeln. Er konzentrierte sich auf den Weg vor ihm und ging entschlossen weiter. Flammenschwinge folgte ihm, ihre Bewegungen sicher und kontrolliert. Silberpfote war nervös und klammerte sich an Leopardensprung, der ihr beruhigend zusprach.
Als sie schließlich die andere Seite erreichten, stießen sie auf eine unerwartete Überraschung. Am Fuß der Brücke stand Dornenranke, und ihre Präsenz sorgte für Überraschung und Feindseligkeit in der Gruppe. „Was macht sie hier?" knurrte Flammenschwinge, ihre Augen blitzten vor Wut und Misstrauen.
Der Fremde trat vor und erhob seine Stimme. „Bleibt ruhig. Ihr sollt sie mitnehmen. Ihr werdet den Weg zu den Wächtern nicht alleine finden."
Echofeder, immer noch fassungslos über den Verrat von Dornenranke, funkelte sie wütend an. „Wie könnt ihr das verlangen? Sie hat uns verraten! Warum sollten wir ihr trauen?"
Der Fremde fixierte Echofeder mit einem eindringlichen Blick. „Der Weg zu den Wächtern ist kompliziert. Sie ist eine von euch, ob ihr es nun akzeptieren wollt oder nicht. Ihr müsst alle zusammenarbeiten, um euer Ziel zu erreichen."
Dornenranke stellte sich neben den Fremden, ihr Gesicht blieb undurchdringlich. „Seht euch an, wie schnell eure Gruppe zerbricht. Vielleicht ist es besser so."
Echofeder, von den Ereignissen überwältigt, ließ sich von den Worten des Fremden beeinflussen. Es gab keinen Grund, noch länger zu streiten. „Gut," knurrte er schließlich. „Dann kommen wir weiter. Aber wehe euch, wenn ihr uns erneut hintergeht."
Die Gruppe setzte sich in Bewegung und folgte dem Fremden und Dornenranke. Der Weg führte sie weiter durch das üppige, grüne Tal, das sich vor ihnen erstreckte. Die Sonne begann zu sinken und tauchte die Landschaft in warmes, goldenes Licht. Der Fremde führte sie zu einem großen See, der im sanften Licht der Abenddämmerung glänzte.
Am Ufer des Sees stand eine alte, prachtvolle Brücke aus Holz und Stein, die über den See führte. Der Fremde hielt an und wandte sich der Gruppe zu. „Jenseits dieser Brücke liegt der letzte Abschnitt eurer Reise. Ihr müsst diesen Weg gehen, um zu den Wächtern zu gelangen."
Echofeder und die anderen sahen sich die Brücke an, die in der Dämmerung wie aus einem Märchen erschien. Die Holzplanken waren alt, aber fest, und die Steinmauern der Brücke waren kunstvoll verziert.
„Das ist es," sagte der Fremde. „Geht über die Brücke, und ihr werdet die Antworten finden, nach denen ihr sucht."
Die Gruppe atmete tief durch und setzte sich in Bewegung. Der Weg über die Brücke war ruhig und friedlich, und der See spiegelte die Farben des Sonnenuntergangs wider. Sie hatten den letzten Abschnitt ihrer Reise erreicht, und die nächste Herausforderung würde bald auf sie warten. Doch jetzt war es Zeit, diesen Moment des Friedens zu genießen, bevor sie sich den letzten Prüfungen stellten.
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Der verlorene fünfte Wächter
FanficEgal ob Clankatze, Hauskätzchen oder Streuner. Die Überlebensregeln gelten für alle. Vertraue niemanden. Gib nie nach. Und vor allem: bewahre deine Träume oder sie werden gegen dich verwendet. (Grundrechte liegen bei Erin Hunter)