Kapitel 4

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Azrael 

Sie war vollkommen erschöpft, als ich sie ins Auto brachte. Ihre Augen flackerten nur noch kurz, bevor sie den Kampf gegen den Schlaf verlor. Ich beobachtete sie für einen Moment, bevor ich den Wagen startete, die Straßen um uns verschwammen, während die Stadt uns verschluckte. Die Fahrt verlief in Stille. 

Das monotone Rauschen des Motors war das einzige Geräusch, während sie in den Sitzen zusammensank, vollkommen verloren in ihrem eigenen Traum. Die Dunkelheit draußen schien passend zu der Nacht, die sich zwischen uns entfaltet hatte. 

Ich konnte das Gefühl der Wut in mir immer noch spüren, das brodelnde Feuer, das sie und dieser verdammte Taavi in mir entfacht hatten. Aber jetzt, da sie hier war, so verletzlich und allein, war die Wut verschwunden, ersetzt durch etwas Tieferes. Etwas Gefährlicheres. 

Als wir bei mir ankamen, trug ich sie ins Haus. Sie war leicht, ihre Haut warm gegen meine Arme, und ich konnte den leisen, gleichmäßigen Rhythmus ihres Atems spüren. Jede Bewegung von ihr selbst in ihrem Schlaf war eine stumme Erinnerung daran, warum ich sie wollte. Warum ich sie brauchte. 

In meinem Schlafzimmer angekommen, legte ich sie vorsichtig auf das Bett, zog die Decke zur Seite und beobachtete sie für einen Moment. Ihre blonden Haare lagen wie ein goldener Schimmer auf dem Kissen verstreut, und ihre Lippen waren leicht geöffnet, fast so, als würde sie von etwas träumen. Etwas, das ich nicht sehen konnte. Etwas, das mich vielleicht nichts anging aber das spielte keine Rolle. 

Ich beugte mich vor, zog ihr behutsam das enge Kleid aus, das sich immer noch an ihren Körper schmiegte, als wollte es sie für sich behalten. Jeder Zug des Stoffs über ihre Haut legte einen weiteren Teil von ihr frei, bis ich schließlich ihr Kleid beiseitelegte und nur noch ihre reine, nackte Schönheit vor mir lag. Ihre Haut schimmerte im sanften Licht, und jeder Atemzug hob und senkte ihren Brustkorb in einem gleichmäßigen Rhythmus. Ich hätte sie anfassen können. Es wäre so einfach gewesen. Aber das war nicht der Moment.

 Ich wusste, dass sie das freiwillig wollen würde und dieser Moment gehörte ihr. Also zog ich ein T-Shirt aus meinem Schrank, groß genug, um sie zu umhüllen, und streifte es ihr sanft über den Kopf. Ihre Wimpern zuckten, aber sie wachte nicht auf. 

Dann setzte ich mich in den Sessel neben dem Bett, das Glas Whiskey in der Hand, und wartete. Als sie aufwachte, sah ich den verwirrten Ausdruck auf ihrem Gesicht, das leichte Zucken ihrer Stirn, als sie sich umsah und realisierte, dass sie nicht mehr im Club war. Sie schien für einen Moment völlig orientierungslos, bevor ihre Augen mich fanden. Ich hielt ihrem Blick stand, ließ sie sich an meine Anwesenheit gewöhnen. Es gab keinen Grund zur Eile. 

»Du bist eingeschlafen«, sagte ich schließlich, als sie versuchte, die Situation zu begreifen. Sie sah an sich herunter, bemerkte das T-Shirt, das sie trug, und ich konnte sehen, wie die Erkenntnis langsam einsickerte. 

»Und... warum trage ich das?« Ihre Stimme war heiser, verwirrt. Ich zuckte leicht mit den Schultern und nahm einen Schluck aus meinem Glas. 

»Du warst erschöpft. Es schien mir angebracht, dass du bequem schläfst.« Meine Worte waren ruhig, aber ich wusste, dass sie mehr bedeuteten, als ich aussprach. Sie schlang ihre Arme um sich, als wollte sie sich vor mir schützen, und der Blick, den sie mir zuwarf, war misstrauisch. 

»Du hättest mich fragen sollen.« Ein amüsiertes Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. 

»Du hast mir die Erlaubnis gegeben, ohne es auszusprechen.« Meine Stimme war ruhig, aber fest. Sie wusste es genauso gut wie ich. Ihre Verwirrung wich schnell einer Mischung aus Frustration und etwas anderem, Angst vielleicht. Aber auch das war nur ein Teil der Wahrheit. 

»Azrael, das...« Ich stand auf, stellte mein Glas ab und trat langsam näher ans Bett. Ich sah, wie sich ihre Muskeln anspannten, wie sie unwillkürlich zurückwich, als ich mich ihr näherte. Aber sie konnte nicht weit genug fliehen. 

»Verstehst du es immer noch nicht?« Meine Stimme war leise, aber ich wusste, dass jedes Wort sie traf. 

»Nur ich darf dich so sehen. Nur ich darf dich berühren.« Ich sah, wie ihre Augen sich weiteten, und sie versuchte, die Bedeutung meiner Worte zu erfassen. 

»Das ist krank«, murmelte sie, ihre Stimme bebte leicht. Ich beugte mich näher zu ihr, meine Hände stützten sich auf die Bettkante. 

»Alle anderen«, fuhr ich fort, »die es wagen, auch nur einen Finger an dich zu legen... werden es bereuen. Mit ihrem Leben.« 

Der Schauer, der durch ihren Körper lief, war unübersehbar. Ich konnte sehen, wie ihre Gedanken rasend arbeiteten, wie sie die Schwere meiner Worte langsam begriff. Und dann kam der Moment, den ich erwartet hatte. 

Panik. 

Sie sprang aus dem Bett, das T-Shirt flatterte um ihren Körper, als sie zur Tür rannte. Ein verzweifelter Versuch, mich zu entkommen. Doch ich blieb ruhig, lehnte mich in den Sessel zurück, ohne mich auch nur zu bewegen. 

Die Tür war verschlossen. Natürlich war sie das. Ihre Finger krallten sich an den Türknauf, rüttelten daran, während ihr Atem schneller wurde. Als sie merkte, dass es keinen Ausweg gab, drehte sie sich langsam zu mir um, ihr Gesicht eine Mischung aus Wut und Angst. 

Ich stand auf, ganz ruhig, und schritt langsam auf sie zu. Ihre Augen folgten jeder meiner Bewegungen, und ich sah, wie sich ihr Brustkorb hektisch hob und senkte. Als ich schließlich vor ihr stand, beugte ich mich leicht vor, bis ich sie mit beiden Armen an die Wand hinter ihr einkesselte. Sie hatte keinen Raum mehr, um zu fliehen. 

Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt, und ich konnte ihren schnellen Atem auf meinen Lippen spüren. Unsere Lippen berührten sich fast, so nah, dass ich den Duft ihres Atems einatmen konnte. 

Ich sah in ihre grünen Augen, die mich funkelnd anstarrten, voller Zorn, voller Angst und etwas anderem, das sie selbst vielleicht nicht einmal zugeben wollte. Doch ich hielt inne, ließ den Moment in der Luft hängen. Ich wusste, dass sie es auch spürte. Die Spannung zwischen uns war greifbar, wie ein Funken, der jeden Moment explodieren könnte. 

»Das«, flüsterte ich und ließ meinen Blick kurz auf ihren Lippen ruhen, bevor ich wieder in ihre Augen sah, »war eine ganz schlechte Idee.«

Ihre Lippen zitterten, aber sie sagte nichts. Es war auch nicht nötig. 

Sie wusste, dass ich recht hatte.

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