Kapitel 20

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„Da bist du ja“, begrüßt Onyx mich freudig.

Es sind jetzt zwei Wochen her, seit dem er Victoria umgebracht hat. Eigentlich war es nicht mein Plan, mich mit ihm anzufreunden, aber irgendwie ist er so nett. Seitdem er sich an ihr gerächt hat, ist er ein ganz anderer Mensch geworden. Besser gesagt, er ist ein Mensch geworden.

Trotzdem kann ich den Tod von Victoria nicht vergessen. Sofort taucht in meinem Kopf die Bilder von Victoria auf, wie kreischt, wimmert und langsam stirbt. Sie hatte doch noch ihr ganzes Leben vor ihr.

„Warum machst du ein Gesicht, als wären tausend Jahre Regenwetter?“, fragt er mich besorgt.

„Ach nichts“, antworte ich ihm und tue so, als wäre nichts, dabei lässt mich der Tod von Victoria einfach nicht los.

„Gut wollen wir dann in den Park gehen?“

Ich nicke und wir gehen los. Auf dem Weg reden wir viel und lachen über die verschiedensten Witze.

Schnell sind wir bei dem Park angekommen und wir entscheiden uns erstmal ein bisschen, um den See zu gehen und zu reden.

Wir reden über wirklich alles. Er erzählt mir welches Eis seine Lieblingssorte ist und ich habe mir überlegt, dass ich ihn mindestens einmal zu einer Eiskugel einladen werde.

Irgendwann entscheiden wir uns eine Pause zu machen und setzten uns auf eine Bank. Der Sitzplatz hat die perfekte Sicht auf den See, auf dem gerade ein Schwan schwimmt. Es ist perfekt.

„Juna?“, fragt er mich auf einmal sanft.

Vorsichtig schaue ich zu ihm hoch und mustere seine Miene. Was ist los?

„Verstehst du jetzt, warum ich meinte, dass ich unter den Menschen leben will und nicht mehr als dieses grausame Wesen, das Menschen umbringt. Nachdem ich mich an ihr rächen konnte, ist diese Wut aus mir verschwunden. So wie ich jetzt bin, bin ich wirklich.“

„Also sind keine wütenden Drachenseelen in dir, die versuchen dich umzubringen?“

Mir fällt auf, dass er bei dem Wort Dracheseelen leicht zuckt, aber trotzdem bekommt er ein warmes Lachen über seine Lippen.

Ich kann das nicht tun. Ich kann Onyx nicht umbringen. Er hat es nicht verdient. Er ist ein so guter Freund und ganz anders geworden, nachdem er sich rächen konnte. Aber jetzt muss ich ihn umbringen …

Nachdem der Bürgermeister gesagt hatte, dass ich ihn umbringen soll, oder er das Leben meiner Mutter zerstören wird, hat er mir erklärt, dass ich gar keine andere Chance habe. Also habe ich zugestimmt. Darauf hin sagte er, dass er mich anrufen wird, wenn der Moment gekommen ist.

Und jetzt ein Tag später sitze ich auf meinem Bett, bereue das ich zugestimmt habe und mein Handy liegt klingelnd neben.

Als ich nicht den Anruf annehme, sondern einfach nur stumm da sitze, hebt Leana den Kopf und mustert mich.

„Ich komme wohl nicht dran herum“, murmel ich in ihre Richtung und nehme mein Handy, um den Anruf entgegenzunehmen. Vorsichtig drücke ich das Handy an mein Ohr und die Stimme vom Bürgermeister dringt in mein Ohr.

„Da bist du ja“, schnauzt er mich direkt an und ich habe schon die Überlegungen, einfach aufzulegen. Das darf ich aber nicht. Er würde das Leben meiner Mutter zerstören und das von Cole. Das darf ich einfach nicht zulassen.

„Warum rufen Sie mich am?“

„Meine Liebe, das weißt du ganz genau!“, antwortet er lachend. Ich bin nicht deine Liebe.

DrachenseelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt