Er erwachte und noch bevor er die Augen öffnen konnte, hatte er den Duft von frischem, warmen Kaffee in der Nase.
Al konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so etwas Gutes gerochen hatte.
Es erinnert ihn an einen warmen, wohligen Morgen, fernab von all dem Horror der letzten Stunden.Sein Kopf fühlte sich dumpf an, so als würde er eine Grippe ausbrüten. Er schlug die Augen auf und blickte auf eine hellbraune Decke mit modernen, kleinen Lichtspots, die in regelmäßigen Abständen in die glatte Fläche eingelassen waren.
Er hatte Schwierigkeiten, sich zu orientieren und mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, schwang er die Beine von der weichen Fläche, auf der er bis eben noch gelegen hatte.Es war ein kleines, pfauenblaues Sofa mit einem samtenen Stoffbezug.
Al rieb sich durch das Gesicht und seine langen, schwarzen Haare fielen in kleinen, feinen Strähnen in seinen Nacken, sodass es kitzelte. Er hob den Blick. Den Möbeln in dem Raum nach zu urteilen befand er sich in einem Büro.Dem Sofa gegenüber stand ein schwerer, dunkelbrauner Tisch mit einem Mac-Book, dahinter ein schwarzer Drehstuhl mit einem Lederbezug, über den eine dunkelblaue Anzugjacke gehängt war.
Die Luft roch nach einer eigenartigen Mischung aus Zitrone, Patchouli und Rosmarin.
Al's Blick fiel auf den feinen, weißen Dampf einer kleinen Tasse, die auf einem Tischchen neben dem Sofa stand. ,,Kaffee..." murmelte er und griff nach der Tasse.
Nachdem er einen Schluck genommen hatte, fühlte er sich schon viel besser. Er stand langsam auf und sah sich im Raum um. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing ein großes, schwarz-weißes Foto, auf dem Tom neben einigen Herren im Anzug zu sehen war.
Direkt darunter waren drei kleine Bilderrahmen mit Bildern von einer älteren und einer jüngeren Frau und dem Portrait eines Kindes im Alter eines Schuljungen.
Al runzelte die Stirn. Das musste ein altes Foto von Tobias sein.Ein Schauer lief ihm über den Rücken und es fühlte sich an, als würde Tobias Hand noch immer kalt und klamm an seinem Knöchel liegen.
Ein seltsames Gefühl durchströmte ihn, als er sich vorstellte, wie diese Hand langsam höher kroch, schwer und unausweichlich.
Erschrocken über sich selbst verdrängte Al die Gedanken.
,,Was zum Teufel..." murmelte er. Tobias auf dem Bild schien ihn anzustarren und er drehte sich weg.Er wusste, dass er bisher noch immer auf Frauen gestanden hatte. Niemals war ihm auf der Straße oder in der Bar ein Mann aufgefallen. Wirklich niemals.
Doch jetzt fühlte er sich verunsichert. Irgendwas war anders an Tobias.
Irgendetwas machte ihm Angst und gleichzeitig zog es ihn an.,,Ah, du bist wach."
Im gleichen Augenblick, in dem die Tür aufging, hörte er Tobias Stimme.
Al fühlte sich so unwohl, dass er auf der Stelle am liebsten im Erdboden versunken wäre.
,,Ja." nuschelte er, ohne hochzuschauen. Er hatte das seltsame Gefühl, dass Tobias wissen würde, was er gedacht hatte, wenn er ihm in die Augen sah.,, Sehr gut. Ich war mir nicht sicher, ob ich den Krankenwagen noch einmal hätte rufen sollen. Aber da du ja scheinbar keine Krankenhäuser magst, hab ich es vorerst gelassen. Geht es dir gut?"
,,Ja, danke. Also der ...der Kaffee..."
Noch immer traute Al sich nicht, den Blick zu heben. Tobias beugte sich herunter zu ihm und zwang ihn, ihn anzusehen. ,,War gut?"
Al fühlte sich, als hätte er in eine Elektroleitung gefasst. Ein kurzer, heißer Blitz durchfuhr ihn, als ihre Blicke sich trafen.
Er nickte.Tobias grinste. ,,Freut mich zu hören. Es gibt ein paar Tricks, mit denen man fast in jedem Büro einen unglaublich guten Kaffee bekommen kann."
Er musterte Al von Kopf bis Fuß und konnte die Wut, die in ihm aufkeimte, nur schwer unterdrücken.
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Mariahs Lamm
Mystery / Thriller,,Das...das ist falsch." raunte Al verzweifelt, aber sehr, sehr leise. Er ignorierte es. Genauso, wie er ignorierte, welche Konsequenzen es haben würde, wenn er diese letzte Grenze überschritt. ,,Sie darf es niemals wissen." flüsterte er. Alle 600 J...