Kapitel 16: Die Prophezeiung

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Die Gruppe schritt weiter durch den verbotenen Wald, in dem die Schatten tiefer und die Geräusche der Nacht intensiver wurden. Finn spürte die Anspannung in der Luft, während sie sich auf die nächste Prüfung vorbereiteten. Die Drachen und er hatten die erste Herausforderung gemeistert, und jetzt standen sie vor der Prüfung des Wissens.

„Ich frage mich, welches Rätsel uns die Wächter des Waldes stellen werden", murmelte Finn, als sie eine weitere Lichtung erreichten. Diese Lichtung war anders als die vorherige. In der Mitte stand ein alter Steinhaufen, der von einer geheimnisvollen Energie umgeben war. Die Luft war elektrisch, und Finn konnte die Aufregung spüren.

Plötzlich erschien ein großer, schattenhafter Wächter vor ihnen. Er hatte die Form eines Drachen, doch seine Schuppen waren dunkel und schimmernd, fast als wären sie aus der Nacht selbst gemacht. „Willkommen, Reisende", sprach der Wächter mit einer tiefen, dröhnenden Stimme. „Ich bin der Hüter des Wissens. Nur die Würdigen können die nächste Prüfung bestehen."

Finn trat mutig vor. „Wir sind bereit. Was ist das Rätsel, das wir lösen müssen?"

„Hört gut zu", begann der Wächter. „Ich bin nicht lebendig, doch ich kann wachsen. Ich habe keine Lunge, doch ich benötige Luft. Was bin ich?"

Finn dachte nach. Die Antwort schien ihm auf der Zunge zu liegen, doch er konnte sie nicht fassen. Irathor und Aurelius schauten ihn ermutigend an. Finn schloss die Augen und konzentrierte sich. „Feuer!", rief er schließlich.

Der Wächter nickte. „Richtig. Ihr habt die erste Frage bestanden. Doch die Prüfungen sind noch nicht beendet."

„Was kommt als Nächstes?", fragte Aurelius.

„Die zweite Frage lautet: Je mehr du nimmst, desto mehr hinterlässt du. Was bin ich?"

Finn überlegte angestrengt. „Fußspuren!", rief er und spürte, wie sich ein Gefühl der Erleichterung in ihm ausbreitete.

„Ihr seid weise", sagte der Wächter und sein Schatten schien zu leuchten. „Doch nun kommt die letzte Frage, die entscheidend ist: Ich kann zerbrochen werden, ohne dass ich jemals berührt werde. Was bin ich?"

Finn stand da und dachte nach. Er überlegte, während die Stille des Waldes ihn umhüllte. Plötzlich hatte er eine Eingebung. „Ein Versprechen!", rief er aus.

Der Wächter nickte erneut. „Ihr habt alle Prüfungen des Wissens bestanden. Doch bevor ihr weiterziehen dürft, müsst ihr die Prophezeiung hören."

„Die Prophezeiung? Was bedeutet das?", fragte Finn neugierig.

„Die Prophezeiung spricht von einem Drachen und einem Menschen, die zusammenkommen, um das Gleichgewicht zwischen ihren Völkern wiederherzustellen. Doch sie müssen die Dunkelheit überwinden und die Wahrheit ans Licht bringen", erklärte der Wächter. „Nur dann wird Frieden herrschen."

Finn spürte, wie ein Schauer über seinen Rücken lief. „Das klingt, als wäre es über uns geschrieben."

„Es ist euer Schicksal, Finn. Ihr und die Drachen sind die Schlüssel zu einer neuen Ära. Doch die Dunkelheit, die euch bedroht, ist nicht nur äußerlich. Sie kann auch von innen kommen", warnte der Wächter.

In diesem Moment schoss ein Gedanke durch Finns Kopf. „Meinen Sie die Verräter im Dorf?"

„Ja. Der Verrat ist wie ein Schatten, der sich über das Licht legt. Ihr müsst euch nicht nur gegen die Drachenjäger verteidigen, sondern auch die eigene Gemeinschaft vor den inneren Feinden schützen", sagte der Wächter.

Finn nickte und fühlte, wie sich die Verantwortung auf seine Schultern legte. „Wir werden die Wahrheit ans Licht bringen und die Allianz stärken."

„Die nächste Prüfung wird die des Herzens sein", sagte der Wächter. „Ihr müsst eure Loyalität zueinander beweisen und die Dunkelheit in euren Herzen besiegen. Sucht die Drachenmutter, die im Herzen des Waldes lebt. Nur sie kann euch die Kraft geben, die ihr benötigt."

„Wo finden wir sie?", fragte Finn.

„Folgt dem Licht der Sterne. Sie wird euch führen, wenn ihr an eure Freundschaft und eure Ziele glaubt", sagte der Wächter, bevor er in den Schatten verschwand.

Finn atmete tief durch. „Wir müssen die Drachenmutter finden. Sie ist unsere letzte Hoffnung, um die Dunkelheit zu besiegen."

Die Gruppe machte sich auf den Weg, den Anweisungen des Wächters folgend. Während sie durch den Wald gingen, spürte Finn, dass sie nicht nur gegen äußere Feinde kämpfen mussten, sondern auch gegen ihre eigenen Ängste und Zweifel.

„Was, wenn wir die Drachenmutter nicht finden?", fragte Aurelius, als sie tiefer in den Wald eindrangen. „Was, wenn sie uns nicht helfen kann?"

„Wir müssen an uns glauben und an das, was wir erreicht haben", antwortete Finn. „Die Drachen und die Menschen sind stärker, wenn sie zusammenarbeiten. Wir dürfen nicht aufgeben."

Als sie weitergingen, spürte Finn eine Veränderung in der Luft. Ein sanfter Wind wehte durch die Bäume, und das Licht der Sterne schien den Weg zu erhellen. Es war, als würde der Wald sie führen.

„Wir sind fast da", flüsterte Irathor, während sie den letzten Abschnitt des Weges erreichten. Vor ihnen erstreckte sich eine Lichtung, und in der Mitte stand eine majestätische Drachenmutter. Ihre Schuppen waren in sanften Farben schimmernd, und ihre Augen strahlten Wärme und Weisheit aus.

„Kommt näher, Reisende", sagte sie mit einer Stimme, die wie Musik klang. „Ich habe auf euch gewartet."

Finn wusste, dass sie ihren Weg gefunden hatten. Die Drachenmutter war die Antwort auf ihre Fragen, und er war entschlossen, die Dunkelheit zu besiegen und die Wahrheit ans Licht zu bringen – für die Drachen, die Menschen und die Zukunft ihrer Allianz.

Das Erbe der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt