Kapitel 11

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Ich muss das Gesicht verziehen, als mir der Geruch von Whiskey und Rauch entgegenstößt. Anders als in der Bar, in der ich für drei Tage gearbeitet habe, ist die Pop-Musik ein wenig lauter. Aber noch nicht so laut, dass man sich nicht unterhalten könnte.

Angst knabbert sich durch meine Knochen. Mein schnellpochendes Herz schlägt Purzelbäume. Wir gehen durch einen schmalen Gang, der hinter den Club in einen großen Raum voller Frauen führt. Ich spüre, wie die Pasta mir wieder hochkommt.

Nach dem mir erlaubt wurde etwas Warmes zu essen – ich habe echt zugelangt – und zu trinken, sind wir in diesen Club gefahren. Nicht ohne mir davor ein knappes Kleid zu geben, welches ich gezwungenermaßen anziehen musste. Nun zweifle ich daran, dass Alessandro sich an seine Abmachung mit seinem Vater hält und mich an alte Säcke verkauft, nur weil ihm es nicht passt mich zu heiraten.

Ein großer breiter Spiegel fällt mir zuallererst auf. Vor ihnen sitzen junge Frauen, die sich hübsch machen und dabei entweder nervös oder selbstsicher aussehen. Ich muss schlucken. Die meisten sind sicher nicht hier, weil es ihnen Spaß macht, sondern, weil sie dazu gezwungen werden Schulden abzuarbeiten oder ihnen etwas versprochen wurde, wenn sie brav die Hure spielen.

Ekel breitet sich durch all meine Zellen und zerfrisst sie, wie eine Made. Ein Schauer kriecht über mein Rücken. Eine Brünette Frau steuert auf uns zu, die sich freudig in Alessandros Armen fallen lässt. Er brummt bloß. Mit gerunzelter Stirn betrachte ich angewidert das Geschehen und versuche dabei keine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch sobald ihr Blick auf mich fällt, kennt mich die ganze Welt. »Na sowas. Ist sie eine Neue?«

Ich schüttle mich bei dem Gedanken mich zu prostituieren. »Nein«, antworte ich, bevor es Alessandro tun kann. Der Dunkelhaarige starrt mich finster an, dafür, dass ich ihn unterbrochen habe.

»Habe ich gesagt, dass du sprechen sollst?«, fragt er mich harsch. Sein Atem peitscht mein Hals, als er sich zu mir herunterbeugt und sein Aftershave stechend in meiner Nase brennt. Ich erwidere nichts, was er als eine Art Bestätigung sieht und sich wieder aufstellt. »Nein, leider nicht«, bestätigt er nur.

Erleichterung mischt sich mit dem entsetzten Gesichtsausdruck in meinem Gesicht. Die Frau sieht mich zwischen ihren stark geschwungenen Wimpern an, mustert mich und nickt. Dann sieht sie zurück zu Alessandro, wartend auf eine Aussage. »Ich möchte, dass du sie dennoch einweihst und ihr alles zeigst. In Zukunft wird sie öfter hier sein.«

Mein Magen dreht sich. Mit geweiteten Augen blicke ich perplex zu Alessandro, der mich keines Blickes würdigt. Er steht da, wie ein perfekter Adonis, der in Licht eingehüllt wird. Ich will ihn anspringen, das Gesicht auskratzen und ihn beleidigen. Dann fällt mir seine Schusswunde ein, obwohl sie mir egal sein könnte.

»Ich werde mich nicht prostituieren lassen«, mahne ich zynisch.

Er schnauft genervt. »Ich habe nicht gesagt, dass sie dich schminken und den Männern zum Fraß vorwerfen soll.« Seine Stimme ist hart, wie ein Peitsch Schlag. »Nana wird dich rumführen.«

Alessandros Blick brandmarkt meine Haut und ich kann nicht anders, als wegzusehen. Ich schaue auf den Boden, beiße auf meine Unterlippe und malträtiere das Fleisch. Er ist unausstehlich! Sein Blick ist wie das Feuer, das sich brennend durch das Holz beißt. Die Gluten sind die Funken zwischen unseren Körpern. Mir ist warm und ehe ich mich versehe, hat er seinen Blick wieder abgewendet. »Ich bin oben«, verkündet er der brünetten Dame.

Mein Herz hüpft. So sehr ich mich danach sehne, dass er endlich verschwindet, will ich nicht allein sein. Ich wirke hilflos neben den Frauen, die sich fertig machen für ihr Auftritt sich von Männern anbaggern zu lassen. Schon der Gedanke macht mir Unbehagen.

»Hey, ich bin Nana«, stellt sich mir die Brünette nochmal vor, als Alessandro ging.

»Eloise«, ächze ich.

Nana legt ihren Kopf zur Seite, lächelt und verschränkt ihre Finger miteinander. »Eloise«, wiederholt sie probeweise und ich senke meinen Blick auf ihre Stupsnase. »Warum bist du bei Ale, wenn er dich nicht für die Arbeit hergebracht hat?«, möchte sie höflich wissen, doch hinter ihre Stimme verbirgt sich Neid. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man ihn respektieren kann, wenn er das größte Arschloch auf Erden ist.

»Eine lange Geschichte.«

»Ich verstehe schon«, lacht sie. »Dann werde ich dich den anderen vorstellen und dir dann eine kleine Tour geben, bevor ich dann arbeiten muss.«

»Machst du das freiwillig?« Die Frage hat meine Lippen schneller verlassen, als ich darüber nachdenken konnte. Nana lächelt weiterhin und nickt.

»Man gewöhnt sich dran«, meint sie, aber irgendwie vertraue ich ihr nicht. In ihrem Blick liegt etwas Wehmütiges und doch Selbstbewusstes. »Die meisten Männer hören auf ein klares Nein, wenn es etwas gibt, das die Frauen nicht mögen. Zum Beispiel gefesselt zu werden.« Sie zuckt beschwichtigend mit den Schultern.

»Und die, die sich nicht daranhalten?« Gänsehaut überzieht meinen gesamten Körper und mir wird urplötzlich schlecht.

»Werden rausgeschmissen. Alessandro mag etwas harsch sein, aber das heißt nicht, dass er Vergewaltiger toleriert.«

Wieder verziehe ich mein Gesicht. »Und die Mädchen, die unfreiwillig hier sind? Das zählt doch schon darunter.« Mir graut vor der Antwort, während ich ihr zu ihrem Platz folge. Nebenbei werden mir einige Mädchen vorgestellt. Ein Mädchen fällt mir ganz besonders auf, sie ist erst 19 und gerade erst eingestiegen. Ihre braune Iris zeigt kaum noch Lebenswille. Das pechschwarze Haar fließt über ihre schlanken Schultern bis hin zu ihren Hüften. Ihre knallroten Lippen stellen jede andere in den Schatten und als ich ausdruckloser Blick meinen begegnet, bildet sich ein zierliches Lächeln auf den Lippen. Ehe sie aufsteht, sich verabschiedet und geht.

»Sie unterschreiben ein Vertrag. Bevor sie diesen unterschreiben, können sie ihre Meinung noch ändern«, erklärt mir Nana und sieht meinem Blick nach. »Jeder ist aus einem bestimmten Grund hier.«

»Und was ist, wenn sie zwischen Tod und dem«, ich kreise meinen Finger, deute auf alles in diesem Raum. »hier standen? Dann hatte sie sehr wohl keine Wahl.«

Nana lächelt wehmütig. »Das Leben kann man sich nicht aussuchen. Für manche ist es bereits vorbestimmt.«

Irgendwas an ihr macht mich neugierig. Was verbirgt sich hinter der geschminkten Frau? Sie gibt vor Jemand zu sein, der sie nicht ist. Ganz so wie ich. Sie trägt eine Maske auf, versteckt sich hinter all den Farben und aufgetragenen Lächeln, um nicht gesehen zu werden. Fast wie ich. »Wie-« Noch bevor ich sie fragen kann, was sie hergebracht hat, unterbricht sie mich trällernd.

»Lass uns gehen!« Der unerwartete Enthusiasmus in ihrer Stimme lässt mich überrumpelt nicken. Ihre zierliche Hand, mit den rotlackierten Fingernägeln umfasst meine und zieht mich hinter sich her. Wir verlassen den nach Parfum riechenden Raum und gehen durch den dunklen Gang, der mich vorhin zu ihnen gebracht hat. Die Musik wird lauter und dröhnt durch meinen Körper.

»Wohin führst du mich?«, versuche ich zu erfahren.

»Zunächst einmal die Bar.«

Hell's heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt