Tabea & Tickinson Thampson

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Die Straße erstreckte sich breit und leer vor ihnen. Die Hitze spiegelte sich auf dem glatten Asphalt wider und erweckte den Anschein von gelegentlichen, schmalen Wasserpfützen wie etwa eine Phatamorgana es tut. Die Welt präsentierte sich weit und in all ihren Formen und Farben vor ihnen und es war einfach nur göttlich.

Tabea Thampson schloss die Augen, nahm den Wind klar und deutlich wahr, der ihr um die nackten Arme und Beine tanzte und mit ihrem kurzen Fransendutt spielte und schlang die Arme fest um die schmale Hüfte ihres Mannes.
Das Motorrad bretterte über den dampfenden Stein und wirbelte zu ihrer Linken dunklen, roten Sand auf. Die gleizende Vormittagssonne feuerte ohne Unterlass auf ihre unbedeckten, braun gebrannten Schultern und es roch nach Feuer, Staub und nach ihm.

Tabea achtmete einmal tief durch, dann öffnete sie die Augen wieder, lehnte den Kopf an Tickinsons Schulter und beobachtete wie die vorbeirauschenden, kleinen Sträucher, die genug Kraft und Ausdauer hatten in dieser Wüste um sie herum zu überleben, zu einem einzigen, dunkelgrünen Streifen verschwammen, während sie immer wieder seine langen Haare spürte, die ihre Haut an Schultern und Armen kitzelten.
Sie nahm eine Hand von seiner Hüfte, friemelte sich mit den Fingern einen Weg frei unter die dicke, braune Lederjacke und das Shirt darunter und begann ihn leicht an Rücken und Schultern zu massieren, was ihr von vorne ein wohlwollendes Grummeln einbrachte. Dann ließ sie ihre Hand weiter gleiten hinunter zu dem Gürtel seiner Hose und weiter zu dem Holster, welches um den rechten Oberschenkel geschlungen war und in dem die Klinge eines Khazar Messers verborgen war. Sein Jagtmesser.

"Halt dich gut fest, Babe.". Tabea ließ den Blick von dem hölzernen, massiven Knauf der Waffe ab und wandte den Kopf wieder nach vorne und der Straße entgegen. Das heißt, dem letzten Rest Asphalt, der noch vor ihnen aufragte, dann hatte die Straße nämlich ein jehes Ende und führte geradewegs auf heißen, roten Wüstensand. Irgendwo im Nirgendwo. Hier führt selbst keine Straße mehr hin. Tabea lachte, dann schmiegte sie sich wieder an Tickinson, schlang beide Arme fest um ihn und lehnte ihr Kinn auf seine rechte Schulter.

Er trat aufs Gaspedal. Das vordere Rad schwebte für Sekunden über dem Boden und Tabea wurde nach hinten gerissen, dann setzte es auf Wüstensand auf und das Motorrad preschte los. Sand peitschte auf und Tabeas Freudenschrei vermischte sich mit dem Geheule des vorbei preschenden Windes, der sich vor ihnen teilte und hinter ihnen wieder in ohrenbetäubendem Gekreische zusammenfloss. Es war einfach nur das Paradis und Tabea schloss, eng an ihren Tickinson geschlungen, zufrieden die Augen.

Eine Stunde später wirbelte der Sand wieder auf. Diesmal allerdings weil Tickinson vor ihr die Bremse durchgetreten hatte. Das gesamte Gefährt vollführte eine mehr oder weniger elegante 120 Grad Wende und kam schließlich qualmend und schnaubend zum Stehen. Sie waren da. An dem Ziel ihrer monatelangen Reise.

Ehrfürchtig schnallte Tabea sich erst ihren Helm ab. Dann schwang sie die Beine über das, schwarz in der Wüstensonne glänzende, Gepäckfach des Motorrads und entfernte ebenfalls den vollgeladenen Waffengurt von ihrer Hüfte. Das hier war eine heilige Städte. Kein Ort für Krieg. Dann schirmte sie die Augen mit der Hand ab und ließ den Blick über die gesamte Erscheinung vor ihnen gleiten.
Ein Gebäude, das wohl am ehesten einer Kriche gleich kam, erstreckte sich vor ihnen und ragte hoch hinaus, sodass seine Spitze den brennenden Sonnenball aufzupiecksen schien. Die Mauern waren schon alt, etwas zerfallen und mit Wüstensand durchsetzt. Alles in allem sah es eher aus wie eine alte Ruine von der man vergessen hatte sie in längst vergangenen Tagen abzureißen. Und doch lag da etwas in der Luft. Etwas uralten, unantastbares, etwas magisches.
Und diese Magie würden sie jetzt stehlen.

Ein leises Grinsen legte sich auf Tabeas Lippen und sie lief mit langsamen Schritten auf das Eigangsportal zu, von dessen Decke der Putz bröckelt und sich mit dem vorbei tanzenden Sand vermischte. Tickinson war direkt hinter ihr. Ihr Schatten. Sie brauchte sich nicht umdrehen um zu wissen, dass er ihr gefolgt war. Er war praktisch immer da wo sie auch war. Entweder klar und deutlich so wie jetzt gerade für jeden sichtbar, aber auch wenn man eigentlich vermuten würde, dass sie ganz allein sei. Denn sie war nie allein. Das machte sie stark.
Er machte keinerlei Geräusche, seine Schritte glichen dem Pfeifen des Windes. Nur gelegentlich streichte sein Atem ihr über den Nacken und beruhigte sie. Ließ sie ganz von selbst ihren Atem an seinen ruhigeren anpassen.

Sie betraten beinah zeitgleich das schmale Gebäude. Sie zuerst, er folgte. Im Gegensatz zu ihr hielt er allerdings nichts von irgendwelchen Heiligen Städten oder gar Magie von Orten oder überhaupt Zauber an sich und so zückte er seine Pistole, ließ sie einmal um den kleinen Finger schwingen und setzte sie dann an. Bereit zum Abschuss. Er würde keine Millisekunden brauchen um abzufeuern. Das wusste sie und das beruhigte sie. Fast so sehr wie sein Atem an ihrem Hals. Als nächstes flog sein Khazar Messer durch die verstaubte Luft und landete in seiner anderen Hand. Dann erst folgte er ihr weiter in den Raum hinein. Sie links, er rechts.

Es dauerte nicht lange, da waren sie auch schon am Ende angelangt und während ihre Augen die riesige Glasvitrine ihrer Begierde fixierten und versuchten, einen Blick durch das schwarze Glas zu erhaschen, wandte er ihr den Rücken zu und beobachtete den Eingang. "Ich kann nicht glauben, dass es so einfach ist.", flüsterte er. Sie stimmte ihm zu. In der nächsten Sekunde prallte ihr Ellenbogen mit voller Wucht in die Vitrine und das Zersplittern des Glases durchbrach die Stille der Städte wie das gleizende Licht des Blitzes die Nacht durchschneidet. Beide warteten. Die Luft schien geladen zu sein. Anspannung knisterte durch den Raum. Stille. Nichts. Absolut nichts.

Tabea fasste sich als erste wieder. Sie spürte ihr Herz laut und schnell gegen ihre Brust schlagen. Sie liebte dieses Gefühl. Das Zittern der Finger, das schwere Atmen. Die Angst kurz vor dem Knall. Herrlich. Doch dafür war jetzt keine Zeit. So kurz vorm Ziel.
Ihre Hand glitt vorsichtig zwischen den Glasspitzen, die wie hartnäckige schwarze Fangzähne immernoch an dem Steinrahmen klammerten, hindurch und ihre Finger schlossen sich um kalten, glatt geschlieffenen Stahl. Endlich.

"Da stimmt doch was nicht. Das kann nicht so einfach sein.". Kam es wieder von Tickinson, der sich mittlerweile mit geladenen Waffen zu ihr umgedreht hatte und argwöhnisch die hohe, bröckelige Wand vor sich musterte.
"Jetzt freu dich doch einfach mal.", erwiederte sie neckisch und genoss seinen anklagenden Blick als sie an der Klinge riss und den Schatz aus seinem jahrhundertelangem Gefängnis befreite.

Die goldene Klinge blendete sie für einen kurzen Moment und durchflutete das gesamte Gebäude mit warmen Licht. Als sie nach ein paar mal Blinzeln wieder einigermaßen klar sehen konnte, war der Anblick einfach nur atemberaubend. Das Schwert war riesig und glänzte als wäre es erst vor Sekunden geschliffen worden. Der Griff lag perfekt in der Hand und ermöglichte die unglaublich lange Klinge wie eine kleine Nadel preziese und leicht durch dem Raum zu schwingen. Er war leicht gebogen und mit winzige, goldene Zähne bestückt. Die Klinge bestand aus einem Stahl, das glänzte wie purer Diamant. Bereit, alles was ihr in den Weg kommen sollte, mit einem gezielten Hieb zu zerteilen.

"Ach du heilige scheiße.". Tickinson war hinter seine Frau getreten und der Glanz des Schwertes spiegelte sich funkelnd und strahlend in seinen dunklen, großen Augen. "Dir ist doch nichts und niemand heilig.". Lachte Tabea und wollte ihm gerade freudestrahlend um den Hals fallen, da passierte es.

Die Wände und der Boden unter ihren Füßen erbebte und das gesamte Gebäude schien wie bei einem Sturm auf hoher See zu knarzen und zu wanken. Dann flog auch schon der erste staubige Brocken aus der Decke und landete mit einem ohrenbetäubendem Dröhnen direkt vor dem Eingang. Staub wirbelte auf, der Boden bekam in Blitzesschnelle kleine Risse, die sich wie ein Lauffeuer ausbreiteten und ein riesiges schwarzes Loch unter ihren Füßen auftaten.
Immer mehr Gesteinsbrocken prasselten auf ihre Köpfe und die Schultern hinunter und nun begann es auch von den meterhohen Wänden her auf sie einzuschlagen. Ein Riesenlärm hüllte die Sand und Staubschicht und das Chaos unter sich ein und vergrub das gesamte Gebäude in Trümmern und Asche.

Tabea und Tickinson standen mitten drin und warfen sich einen hektischen Blick zu. Der Glanz, der eben noch so klar und fröhlich um Tickinsons Pupille getanzt war, hatte nun einem tosenden Sturm Platz gemacht, der in dem dunklen Blau tobte und Tabea verriet, dass er genau das selbe dachte wie sie.

Der Eingang war verperrt und somit auch der einzige Ausgang. Sie steckten fest.

Das, und die Angst und die Sorge um sie selbst sah sie in seinen wunderschönen Augen, bevor ein Krater zwischen ihnen aufriss und seine Gestalt, begleitet vom Dröhnen und Aufschlagen der Steinbrocken um sie herum, in rabenschwarzer Finsternis direkt vor ihren Augen verschwand.

After Death, Das GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt