Höllentripp

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Tickinson war schwer.
Nicht, dass er pummelig gewesen wäre, nein, das überhaupt nicht, aber abgesehen von dem Größenunterschied, der sie beide trennte und der stolze dreißig Zentimeter zählte, hatte Tick zu allem Überflüss auch noch ein nicht gerade geringes Gewicht an Muskelmasse und das bekam Tabea jetzt deutlich und schmerzhaft mit jedem verdammten Schritt zu spüren.
Nicht, dass sie etwas gegen seine große, kräftige Gestalt gehabt hätte, nein, ganz im Gegenteil, aber jetzt gerade, als sie ihn über den kochend heißen Wüstensand zog und jeden verdammten, mühsam erkämpften Meter in ihrer Hüfte brennen fühlte wie züngelde Flammen, die sich um ihre Knochen legten, wünschte sie sich, er hätte die letzten Tage etwas weniger trainiert. Oder einfach gar nicht. Nie.

Tabea ließ die massiven Stiefel, in denen Tills Füße steckten und an denen sie sich festgeklammert hatte, los und fiel auf die Knie. Keuchend japste sie nach Lust, spürte den trockenen Staub und die schwarze Asche deutlich ihre Kehle vergiften und begann zu husten.
Sie hustete bis sie schon glaubte, dass da gar nichts mehr hätte sein können in ihrer Lunge, was sie hätte herausröcheln können, dann hob sie das rußbeschmierte Gesicht gen Himmel und ließ die Sonne, die hoch am Firmament stand und auf sie herab brutzelte, ihre Haut verbrennen.

Nein, sie würde jetzt nicht anfangen zu weinen. Nein, nicht sie.
Unter Keuchen und Stöhnen krabbelte sie auf Ticks Gestalt zu, die reglos am Boden lag und dessen, mit feinstem Staub bedeckte Kleidung und Haut mit dem schier endlosen Sand um sie herum zu verschmelzen schienen.
Sein einer Arm hing in einem seltsam schrägen Winkel von dem Rest des Körpers ab und an seinem Schädel klaffte eine riesige Wunde, die einfach nicht aufhören wollte zu bluten.
Tabea betrachtete ihn kurze Zeit stumm und versuchte, das beklemmende Gefühl und den Schmerz in ihrem Herzen zu ignorieren, strich ihm so gut es eben ging den Ruß aus dem Gesicht und versuchte, ein Lebenszeichen in seiner wie festgefrorenen Fassade ausfindig zu machen. Dann legte sie ihren glühenden Kopf auf seine Brust und hörte für eine Weile seinem rasselden Herzschlag zu. Er beruhigte sie. Denn er war noch da.
"Halte durch.".
Doch kurz bevor sie sich wieder erheben wollte, hielt sie inne. Seine Brust war glühend heiß! So heiß konnte sie eigentlich gar nicht sein, es sei denn seine Kleidung hätte Feuer gefangen, aber das hätte sie doch bemerkt, dann hätte sie doch unmöglich so lange auf ihm liegen können.

Und dann endlich verstand sie. Mit zitternden Finger friemelte sie den metallenen Anhänger an der Kette aus Tickinsons Shirt, umschloss ihn fest mit ihren Händen und rollte sich auf die Seite, sodass sie neben ihrem Mann auf dem Rücken im kochenden Sand lag.
Wieso zum Teufel hatte sie nicht voher schon daran gedacht?
Keuchend schloss sie die, von der brennenden Sonne tränenden Augen, und presste den Anhänger ganz dicht an ihre Brust. Er glühte förmlich, doch das machte ihren eh schon geschundenen Händen jetzt auch nicht mehr viel aus.
Es war ein Hilferuf. Ein Hilferuf von ganz oben, der ihnen allen befahl, sofort zum Institut zu kommen. Es musste etwas schreckliches passiert sein, schoss es Tabea noch durch den Kopf, doch dann war sie auch schon vollkommen darauf konzentriert, die empfangene Botschaft zu manipulieren und umzuwandeln. Sie brauchten auch Hilfe. Undzwar dringend und das war der einzige Weg, die anderen von dieser verdammten, einsamen Wüste aus zu erreichen.
Die ersten Tränen kullerten über ihre Wangen und es zischte leise, als sie auf den Sand fielen, dann kam die Antwort.
Jemand hatte sie gehört. Jemand würde kommen.

Tabea hätte sich gerne gefreut, doch stattdessen ließ sie die Kette wieder unter Tickinsons Shirt verschwinden und wandte den Blick nach hinten auf die Ruine der alten Kirche. Nicht mehr lange und das morsche Holz würde Feuer fangen. Waren sie schon weit genug entfernt?
Dann schloss Tabea erneut für einen kurzen Moment die Augen, atmete kurz tief ein, presste ihre zerkratzten, blutigen Hände auf die brennende Hüfte, und hievte sich mit einem kleinen Schmerzensschrei wieder auf die Beine, griff erneut nach Tickinsons Schuhen.
Nur noch wenige Meter, dann wären sie beim Motorrad angelangt.
Sie zog und zerrte ihren bewusstlosen Mann durch den tiefen Sand und musste bei jedem Schritt die Zähne in ihre Lippen rammen um nicht laut aufzuschreien, bis sie endlich mit dem Stiefel gegen etwas hartes stieß.
Das Motorrad.

Die Erleichterung verlieh ihr wieder etwas Kraft und so ging sie in die Knie, schloss die Arme um Tickinsons Brust und hiervte ihn ächtzend auf den Fahrersitz.
Dann sicherte sie noch ein weiteres Mal ihrer beider Schatz, das Jahrhunderte alte Schwert, welches hinten in ihrem Gürtel steckte und schwang sich mit einem kleinen Lächeln hinter den schlaffen Körper von Tick auf das Motorrad.

Der Motor lief heiß und die Räder peitschten voller Vorfreude den Sand rund um sie herum auf, dann vollführte Tabea eine neunzig Grad Wende und peitschte los während im Hintergrund die uralte, heilige Ruine Feuer fing und sich der Tanz der Flammen in der Klinge des majestätischen Schwertes in Tabeas Gürtel widerspiegelte.

After Death, Das GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt