Kapitel 4 - Wieso lebt Kerta?

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Einen kurzen Moment lang starrte sie mich einfach nur an und wirkte fast so, als würde sie ernsthaft über die Frage nachdenken. Dann prustete sie auch schon lautstark los.

"Meine Güte, Rachella! Das ist nicht Dein Ernst! Glaubst Du etwa immer noch an den ganzen Kram da?" Entgeistert schaute ich sie an. Ihre Wangen waren vor lauter Lachen ganz gerötet und ihre Augen blitzten munter auf.

"Du ... wir ... Du wurdest doch gestern ausgesaugt ...", stotterte ich herum, unfähig wirklich zu glauben, dass Kerta in einem Stück, und vor allem scheinbar lebendig vor mir stand. Kerta schüttelte nur stumm den Kopf und kam die wenigen Schritte auf mich zu, die uns noch voneinander trennten.

"Dir geht es auch wirklich gut?", fragte sie mich dann genau in dem Moment, als ich sie das eigentlich hatte fragen wollen. Ich nickte nur wortlos. Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen. Ganz klar hatte ich gestern gesehen, wie dieser Vampir seine Zähne in ihre Haut gegraben hatte. Ich war doch nicht wirklich Irre und bildete mir am Ende den ganzen Kram hier noch ein?

So langsam begann ich nämlich wirklich an meinem Verstand zu zweifeln.

Der Tag verging relativ ereignislos. Kerta zog mich immer wieder mit meiner regen Fantasie auf, wie sie es ausdrückte und ich faselte irgendwann etwas von komischen Kram geträumt und manchmal wirken Träume so unglaublich realistisch, dass man sie im ersten Moment selbst glaubt. Und damit war das Thema dann auch irgendwann wieder für sie erledigt und wir redeten noch über irgendeinen anderen Mist, auf den ich mich aber nicht wirklich zu konzentrieren vermochte. In einem Fort drifteten meine Gedanken zu dem Vampir und so sehr ich auch darüber nachdachte, ich wurde einfach nicht schlau aus seinem Verhalten. Warum lebten wir beide noch?

Als ich schließlich den Heimweg antrat und mich von Kerta verabschiedet hatte, war ich irgendwie froh, noch einmal für mich alleine zu sein. Meine Nervosität war etwas abgeklungen und ich ging im Kopf noch einmal alles durch, was ich über Vampire wusste, was zugegebener Maßen nicht wirklich viel war. Und insbesondere nach Kertas Reaktion war ich mir selber nicht mehr wirklich sicher, ob ich nicht doch anfing, zu halluzinieren und mir die Begegnung vielleicht wirklich nur eingebildet hatte. Nicht einmal eine Bisswunde hatte ich an ihrem Hals erspähen können!
Sollte ich mir besser einen Psychater zulegen?

Allerdings fand der Gedanke, ich hätte mir das Alles womöglich tatsächlich nur eingebildet, ein jähes Ende, als ich einen unnatürlichen Lufthauch über mein Gesicht streichen spürte und sich direkt vor meiner Nase eine groß gewachsene Gestalt aufbaute, deren leuchtend grüne Augen ich überall wiedererkennen würde. Erschrocken schrie ich auf, als er sich vor mir aufbaute, um mich am Weitergehen zu hindern.

"Hallo Rachella!", begrüßte er mich und hatte wieder dieses Grinsen im Gesicht, dass er bereits am Vortag hervorgebracht hatte. Ungläubig starrte ich ihn an, Mund und Augen sperrangelweit aufgerissen. Hastig wich ich ein paar Schritte zurück, ehe ich auch schon gegen die erste Häuserwand prallte, was der Vampir nur mit einem spöttischen Lachen kommentierte.

Scherben für die Ewigkeit - Kurzgeschichte über einen VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt