15 - xilian

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Ich lehnte mich gegen die kalte Metallwand meines Wohnwagens, die Zigarette zwischen den Fingern, und spürte, wie die Nachtluft langsam meinen Kopf klärte. Ob ich ein Arschloch war? Vielleicht. Nein, eigentlich wusste ich es sogar ziemlich sicher. Aber mir blieb nichts anderes übrig, oder? Was wollte sie von mir? Dass ich mich hinsetze und mir ihre Ängste anhöre, so als hätte ich nicht selbst genug, mit denen ich schon kaum klarkam?

Ich zog tief an der Zigarette, spürte den Rauch in meiner Kehle und blies ihn wieder in die kühle Luft. Es war, als würde er den Frust mit sich nehmen. Wenigstens für den Moment. Ich hatte das schon immer gewusst. Seit dem ersten Moment, als ich sie sah und mir dachte, dass sie kein einfaches Mädchen war. So wie ich. Aber das war genau das Problem, oder? Wenn man jemandem begegnet, der genauso kaputt ist, macht einen das nicht plötzlich heil.

Sie will nicht auftreten. Hat Angst davor. Und ich? Ich würde alles dafür geben, wieder in der Manege zu stehen, das zu tun, was mich wieder am Leben fühlen lässt. Das zu tun, was ich damals aufgegeben hatte – und zwar für Leute, die dachten, sie müssten Krieg führen. Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich will leben. Ich will spüren, dass ich da draußen noch was reißen kann, und sie? Sie will sich verstecken.

Meine Hand zitterte leicht, als ich die Zigarette zum Mund führte. Vielleicht war ich tatsächlich der Typ, der abhaut, bevor's kompliziert wird. Aber ganz ehrlich, hatte ich nicht alles Recht der Welt dazu? Ich kann niemanden retten. Ich kann mich nicht um die Probleme anderer kümmern, wenn ich mich kaum um meine eigenen kümmern kann. Und vielleicht machte mich das zum Arschloch, aber wenigstens war ich ein ehrliches Arschloch.

Ich schnaubte leise und starrte in die Ferne.
Was hatte ich mir vorgestellt? Dass ich irgendwie durch sie meinen eigenen Scheiß besser verstehe? So funktioniert das nicht. Das weiß ich. Aber trotzdem, da war dieser kleine Teil in mir, der sich wünschte, ich könnte irgendwas machen. Irgendwas, das uns vielleicht beide rettet.
Aber ich wusste genau, dass das nur eine Lüge wäre. Und ich habe genug von Lügen.

Der Rauch roch vertraut. Er hatte diese beißende Schärfe, die mir mittlerweile irgendwie fast gut vorkam. Als wäre das Brennen in der Kehle genau das, was ich verdient hatte. Verrückt, oder? Ich hatte mir früher mal geschworen, nie zu rauchen. Hab mir eingeredet, dass das nur Loser machen. Leute, die keinen anderen Ausweg sehen. Aber jetzt? Jetzt halte ich dieses elendige Ding zwischen den Fingern, so als wäre es das einzige, was mich in der Realität hält.

Damals, hätte ich mir das nie vorstellen können. Das wäre wie ein Verrat an dem Typen, der ich mal war. Der, der dachte, er könnte alles erreichen, ohne sich an diesen Dreck festzuklammern. Der glaubte, er hätte die Kontrolle. Wie naiv ich war. Alles fing an, als... ja, als was? Als mein Leben angefangen hat, auseinanderzufallen? Nein, das klingt zu dramatisch. Aber irgendwie ist es auch genau das.

Ich erinnere mich noch an das erste Mal.
Die Zigarette, die mir jemand auf einer Party einfach so in die Hand gedrückt hat. „Probier mal." hatte der Dreckskerl gesagt und ich hatte keine Ahnung, warum ich es dennoch getan habe. Vielleicht, weil ich dazugehören wollte. Vielleicht, weil ich zu müde war, immer der zu sein, der „Nein danke." sagt. Keine Ahnung. Ich zog ein paar Mal, hustete wie ein Idiot und dachte, das wär's dann. Eine einmalige Sache. Aber ich lag daneben.

Es gibt eben Momente im Leben, die einfach schwer sind. Momente, die sich anfühlen, als würde alles, was man dachte, was man hätte sein können, in sich zusammenfällt. Manchmal war das der Stress, manchmal das Gefühl, dass einem alle Erwartungen im Nacken sitzen und man keine Ahnung hatte, wie man ihnen gerecht werden sollte. Und wenn man schon keinen Plan hat, wie man seinen Scheiß auf die Reihe kriegt, dann greift man irgendwann nach allem, was irgendwie Erleichterung verspricht. Und das Rauchen wurde meine Art, die Welt für einen Moment stummzuschalten.

Irgendwann fing ich an, es auch alleine zu tun. Nicht mehr nur auf Partys oder wenn ich versuchte, cool rüberzukommen. Sondern einfach so, wenn alle anderen schliefen und die Welt still war. Was ich hätte sein können, wenn nicht alles den Bach runtergegangen wäre.

Es war wie ein Moment, in dem ich nicht an die verpassten Chancen denken musste, an die Leute, die mich aufgegeben hatten, oder an die Träume, die sich irgendwie in Luft aufgelöst hatten. Es war dumm, ich weiß. Ich wusste, dass es mir schadet, dass ich das irgendwann bereuen würde. Aber das machte es irgendwie noch besser. Es war, als würde ich mich selbst bestrafen. Als müsste ich mir beweisen, dass ich das aushalten kann, egal wie sehr es mich kaputt macht.

Jetzt ist es irgendwie zur Gewohnheit geworden. Ein verdammtes Ritual. Ich hab das Gefühl, dass ich mich erst um den ganzen anderen Scheiß kümmern muss, bevor ich auch nur daran denken kann, das Rauchen sein zu lassen.

Den übrig gebliebenen Stummel ließ ich in den Kies fallen und drückte ihn mit der Schuhspitze aus, als könnte ich damit auch diesen ganzen verdammten Knoten in meinem Kopf zerquetschen. Keine Ahnung, wie das hier weitergehen soll. Ich sah sie neben mir sitzen, während sie von ihrem letzten gelungenen Auftritt erzählt hatte. Die Art, wie ihr Blick dabei ins Leere ging, wie ihre Stimme so leise wurde, als ob sie irgendetwas ganz weit weg festhalten wollte, was längst verloren war. Das ist der Unterschied zwischen uns. Sie ist viel zu kaputt. Zu zerrissen von dem, was hinter ihr liegt.
Und ich? Ich will raus, nach vorn, dahin, wo es was zu erreichen gibt.

Immer wieder sehe ich diese kurzen Clips und Edits, die mir ständig auf TikTok vorgeschlagen werden. Ausschnitte von ihr und Jase Eldridge, irgendein lachender Moment zwischen Songs oder das Jubeln der Menge. Ich hatte das nie ernst genommen, dachte immer, das sei nur irgend so ein ferner Traum von Leuten, die sich nicht in meiner Realität befinden. Es war wie eine Parallelwelt. Irgendwas, das man sich anschaut und vielleicht kurz von träumt, aber das war's dann auch. Und jetzt? Jetzt stehe ich hier und es wird immer realer, immer greifbarer. Als könnte dieser Traum von der GCC vielleicht tatsächlich wahr werden.

Mein ganzes Leben lang wollte ich dort hin, wollte das Gefühl haben, dass ich es verdammt nochmal geschafft habe. Und jetzt, wo ich so nah dran bin, ist da nur Chaos.
Chaos in ihrem Kopf, und irgendwie fängt es auch in meinem an. Weil ich sehe, wie sie darunter leidet, wie sie gegen sich selbst kämpft.

Ich will das alles – Manege, Applaus, vielleicht sogar diesen Traum, der mir seit Jahren das Herz zerreißt. Aber wie soll das gehen, wenn sie gleichzeitig so viel Ballast mit sich schleppt, dass sie nicht auftreten kann?

Ich schnaube leise und schüttle den Kopf. Vielleicht mache ich mir das alles zu kompliziert. Vielleicht sollte ich einfach meinen Kram durchziehen und sie ihr eigenes Ding machen lassen.

Es ist, als stünde ich auf dieser unsichtbaren Schwelle. Einer Seite, die mir sagt, dass das mein Ticket sein könnte, mein Durchbruch. Und die andere, die flüstert, dass das alles hier nicht gut enden wird, nicht mit ihr, nicht so. Aber ich hab auch keinen Bock, das einfach aufzugeben.
Nicht wieder.

All Eyes on MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt