Es rief doch Aramis meinen Bruder an, denn die beiden hatten genug zu besprechen. Ich befand mich zwar im selben Raum wie mein Mann, allerdings stand ich vor dem Fenster und starrte hinaus. Aramis saß auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch mit dem Handy in der Hand.
Das mit Abbadon machte auch Beno skeptisch. Es war viel zu einfach gewesen. Oder wir waren alle drei paranoid. Darüber diskutierten die beiden eine Weile. Niemand wusste recht wie wir damit umgehen sollten. Es war auch schwer zu glauben, dass der Vampir derart leicht geschnappt worden war.
Mein Mann und mein Bruder beredeten alles bis ins kleinste Detail. Wenn sie so weiter machten, telefonierten sie irgendwann noch gerne. Sie hatten sich sogar schon angeboten, einander beim Vornamen zu nennen. Es wurde stets persönlicher zwischen ihnen.
Ich beobachtete weiterhin die Schneeflocken, auch als unsere Eltern ein Thema wurden. Aramis hatte ihm seine Theorie unterbreitet und seit dem herrschte Stille.
Mein Bruder musste das erst verarbeiten und die Zeit sollte er haben. Der eigene Kopf musste es schaffen das zu verstehen. Ausgerechnet unsere Eltern sollten derart gegen uns arbeiten. Sie wollten Aramis nicht mal akzeptieren, obwohl sie mittlerweile wussten, dass er mein Mate war. Normalerweise sollte das der große Wendepunkt sein. Der Moment, in dem sie wenigstens versuchten echten Frieden zu schließen.
Mit schräg gelegten Kopf, konzentrierte ich mich auf die Landschaft vor mir. Eigentlich waren Schneeflocken etwas faszinierendes. Keine gleichte der anderen. Jede war ein Unikat. In all ihrer Schönheit tänzelten sie vom Himmel hinunter auf den Boden.
Ich wurde wahnsinnig, wenn ich den Schnee als schön bezeichnete. Oder es war die Liebe zu meinem Mann, die mich auch die Umgebung mögen ließ. Oder eine Kombination aus beidem.
Meine Ohren hielt ich stets gespitzt, so hörte ich es, als Beno ein Räuspern von sich gab. Er schien die neueste Theorie halbwegs verdaut zu haben. Falls er seine eigene Theorie erstellt hatte, teilte er sie hoffentlich mit uns.
Endlich fing er an: "Gestern hat Cosima erzählt, dass unsere Eltern im Norden einen Urlaub machen würden. Wenn ich nun darüber nachdenke, vermute ich eine Lüge. Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass sie sich nicht im Norden befinden."
Mein Hirn bestand aus Pampe, weshalb ich das nicht ganz verstand. Die Schlussfolgerung wollte einfach nicht gezogen werden.
Aramis hörte ich aufstehen, als er sagte: "Abbadon war nur eine Ablenkung. Seine Gefangennahme war geplant." Ich drehte mich ihm zu und die Alarmbereitschaft konnte man ihm ablesen. Beno antwortete: "Das war mein Gedanke. Ich gebe die Meldung raus, dass man meine Eltern suchen soll. Mit Glück irre ich mich."
"Deine Großeltern sollen auch gesucht werden. Ich veranlasse dasselbe."
Meine lange Leitung hatte endlich den Anschluss gefunden. Wir waren alle so auf Abbadon konzentriert gewesen, dass es meinen Eltern gelungen sein könnte, ins Königreich zu gelangen.
Meine Eltern hatten Abbadon sicher versprochen ihn wieder aus dem Gefängnis zu holen, sobald der König tot wäre.
Aramis nahm meine Hand, zog mich mit sich und erklärte: "Ich fahre mit Ariela weiter. Wir müssen weit von der Grenze weg."
Im Grunde hatten wir genau das getan, was sie wollten. Wir befanden uns sogar nahe der Grenze, dadurch waren wir schneller zu erreichen. Und keiner von uns hatte das erkannt.
Gut, es war auch vollkommen abwegig. Ausgerechnet zwei Vampirhasser schlossen einen Deal mit einem Vampir. Es klang vollkommen absurd.
Beno sagte eindringlich: "Aramis, falls ihr das Bündnis vervollständigt habt, dann ist Ariela ihr Ziel. Sie ist leichter umzubringen als du." Mein Mann zog mich einfach weiter auf den Gang hinaus, lediglich ich wäre aus Schock stehen geblieben.
Die Theorie, dass meine eigenen Eltern mich umbringen würden, wurde laut ausgesprochen. Es war qualvoll das zu hören. Es fühlte sich an als hätte jemand einen Dolch in mein Herz gerammt.
Wie sehr musste man jemanden hassen? Konnten sie derart verbissen darauf sein, Aramis zu töten? Würden sie ernsthaft ihre eigene Tochter töten?
Eiskalt antwortete mein Mann: "Das ist mir bewusst." Er war höflich genug noch eine Verabschiedung von sich zu geben, bevor er auflegte.
Das Handy verstaute Aramis in seiner Hosentasche und meine Hand ließ er los. Da wir uns vor der Haustür befanden, zog ich mir rasch meine Schuhe an. Das dürfte der einzige Grund sein, warum er mich los gelassen hatte. Aramis tat es mir gleich und schnappte sich danach meine Hand.
Mit Schwung öffnete er die Haustür und die kalte Luft schlug uns entgegen, was ich ignorierte. Bei einer spontanen Flucht akzeptierte ich es ohne Jacke aufzubrechen. Die Heizung im Auto würde mich vertrösten.
Im Ernst der Lage sollte ich dankbar sein, dass wir unsere Schuhe anhatten. Der Beschützerinstinkt meines Mates kannte teilweise keine Grenzen.
Kaum befanden wir uns draußen, hob er mich hoch und trug mich zum Wagen hinüber. Der Herr wollte wohl kein Risiko eingehen, dass ich im Schnee ausrutschte. Seine Sorge war durchaus berechtigt. Das Szenario hatten wir bereits.
Ich legte keine Beschwerde ein und ließ mich gerne bis vor die Beifahrertür tragen. Er stellte mich ab und seine Anspannung war unverkennbar. Unsere Umgebung hielt er stets im Blick. Ich selbst versuchte genauso etwas Ungewöhnliches zu entdecken.
Allerdings schien mir alles in Ordnung zu sein.
Aramis hielt mir sogar die Tür auf. Mit einem Dank setzte ich mich und er schloss sie wieder.
Innerhalb der nächsten Sekunde befand er sich schon neben der Fahrertür und stieg ein. Der Mann wollte auch gar keine Zeit verlieren.
Aramis startete den Wagen, während er sagte: "Unsere Reisetaschen nimmt einer der Wachen mit. Wir müssen so schnell wie möglich von hier weg." Seine Worte wurden mit der Geschwindigkeit verdeutlicht mit der er los fuhr.
Zur Sicherheit sollte ich ein Stoßgebet an die Mondgöttin schicken. Bei dem Wetter und seinem Fahrstil hielt ich das für angebracht.
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Cruel Vampire King
WerewolfWerwölfe und Vampire befanden sich seit jeher in einem erbitterlichen Krieg. An den Erzfeind verkauft zu werden klang für Ariela nach einem grausamen Scherz. Allerdings hatte ihr Vater, Alpha des Rudels, genau das getan um den ewigen Krieg zwischen...