o n e (part 1)

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Der zu heiße Kaffee rinnt meine Kehle hinunter. Nach einer Weile setzt die beruhigende Wirkung ein und mein erhitzter Körper kommt etwas zur Ruhe. Der mit Kaugummis 'verzierte' Tisch vor mir hört auf zu wackeln und ich merke erst jetzt, dass meine Knie mal wieder unaufhörlich auf und ab gewippt waren. Nervosität führt bei mir immer zu hyperaktivem Verhalten. Eine sehr schlechte Eigenschaft, wie ich finde.

Um mich herum herrscht reges Treiben. Große Familien, vereinzelte Anzugträger mit Aktentaschen und Stewardessen mit komischen Hüten drängen sich an dem Café vorbei, in dem ich sitze. Viele der Familien sind noch blass, sehen gestresst aus und fliegen vermutlich jetzt in den lang ersehnten Urlaub. Ich war in den letzten Wochen bei meiner Familie in den USA und fliege jetzt wieder nach Hause. Jedoch konnte man die zwei Wochen, die ich hier gewesen bin, nicht als Urlaub bezeichnen. Meine Mutter, die aus New York stammt und immer noch hier lebt, ist letztes Jahr an Krebs erkrankt und macht momentan eine harte Phase durch. Die Krankheit wurde zwar schnell entdeckt, doch die Chemotherapie hat nicht so angeschlagen, wie die Ärzte gehofft hatten. Seitdem ist vieles schief gelaufen und obwohl meine Mutter optimistisch bleibt, schwindet bei mir die Hoffnung jeden Tag ein Stück mehr.

Eine Durchsage reißt mich aus meinen düsteren Gedanken. Ich versuche, über den Tumult des amerikanischen Flughafens, die monotone Stimme zu verstehen. Nachdem die Durchsage nochmal wiederholt wird, höre ich meinen Flug schließlich heraus. Seufzend leere ich meine inzwischen abgekühlte Cappuccino Tasse und stehe auf. Meinen Koffer habe ich vorhin schon abegegeben. Jetzt nur noch durch den Security Check. Ich packe meine große Tasche am Henkel und begebe mich zu der riesigen Schlange. Ungefähr eine viertel Stunde muss ich warten. Dann kann ich meine Tasche zum durchleuchten ablegen und gehe durch den Scanner. Natürlich piepst es. Genervt stöhne ich auf. War ja klar. Ich bin kurz davor, aus Sarkasmus zu sagen: 'Die Atomwaffen sind schon im Koffer'. Aber ich lasse es besser sein. Nachdem, glücklicherweise eine Frau, gekommen ist, um mich abzutasten, kann ich mich mit meinen Sachen in den Warteraum verkrümeln.

Ich falte meine Hände, schließe kurz meine Augen und bete. 'Lieber Gott. Bitte mach, dass ich den Flug gut überstehe, sowie alle anderen Menschen, die heute fliegen! Danke, Amen.' Normalerweise bin ich ein komplett unreligiöser Mensch (ich bin noch nicht mal getauft), doch es ist schon irgendwie Tradition geworden, vor den Flügen zu beten. Bei mir ist das quasi eingespeichert und ich mache es automatisch. Als das Flugzeug zum boarden bereit ist, erhebe ich mich mit zitternden Beinen und gehe durch den langen Zugang und in meine persönlich Hölle.

Aufgesetzt freundlich lächelnde, braunhaarige Stewardessen empfangen mich und ich zeige zum letzten mal mein Flugticket. Ich suche meinen Sitzplatz, der etwa mittig im Flugzeug ist. Jetzt schon völlig am Ende lasse ich mich auf den Plastiksitz fallen und freue mich, weil ich keinen Fensterplatz habe. Ich atme einmal tief durch, spreche mir ein letztes Mal Mut zu und stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren. Ich höre prinzipiell nur Lieder, die ich nicht so gut finde, weil ich sie nach diesem Flug nie mehr ohne die Verbindung mit Angst und Verzweiflung hören können würde.

Nachdem ich etwas ruhiger geworden bin, blicke ich mich einmal kurz um. Das Flugzeug ist, wie eigentlich immer bei Langstreckenflügen, sehr groß und dafür ausgelegt, ein längerer Aufenthaltsort zu sein. Die Sitzreihen sind breit und lassen jedem viel Raum für sich. Es gibt an jedem Sitz einen kleinen Fernseher mit Headset. Toiletten gibt es auch mehr als genug, doch ob es auch Duschen gibt, kann ich nicht sagen. Wie üblich habe ich mich nach dem Ankommen in dem Folterinstrument sofort fest angeschnallt und auch nicht vor, mich viel zu bewegen, weil mir dann richtig schlecht werden würde. Auf dem Flug nach Deutschland würden uns außerdem andauernd Mitarbeiter mit ungesunden Snacks und überzuckerten Erfrischungen versorgen. Ja, das würden eindeutig die besten Stunden meines Lebens werden. Diese in Ironie ertrinkenden Gedanken bringen mich sogar kurz zum Lachen.

Durch die laute Musik meines Handys meine ich ein unzuordbares Geräusch zu hören. Ich wende meinen Kopf nach links zum Gang und schaue in ein amüsiertes Gesicht. Ein junger Mann, etwa in meinem Alter, also um die 25 Jahre alt, steht vor mir und blickt auf mich hinunter. Anscheinend hatte er sich geräuspert, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich im Weg bin. Schnell stehe ich auf, gebe eine kurze Entschuldigung von mir und lasse ihn durch.

So wie es aussieht, wird er für acht Stunden mein Sitznachbar sein...

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Ich hoffe, euch gefällt mein erster Teil. Übrigens geht diese Kurzgeschichte noch weiter. Sie ist etwas zu lang geraten, um sie in einen Teil zu quetschen ;) Also geht es damit auch bald noch weiter.

Danke für konstruktive Kritik und Meinungen zu diesem 'Format'.

xx Carlotta


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