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Henry

»Hallo«fragte ich, nur um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich mit Ruby Telefonierte. »Hallo«, antwortete mir eine seidig weiche und klare Stimme. Es war unverkennbar. Es war Ruby. Sie atmete schwer ein. »Wer ist da?«   
Ich bekam fast keinen Ton heraus. »Ich. Henry. Von ähm, gerade«, stammelte ich nur. Offensichtlich hielt sie mich nun endgültig für verrückt, oder sie kannte mich nicht mehr, denn sie machte eine lange Denkpause. Zu lange, für meinem Geschmack. »Ich habe dir dein Portemon...«
Sie unterbrach mich überraschend. »Natürlich weiss ich, wer du bist! Henry. Ich bin übrigens Ruby. Danke noch mal, dass du es mir wiedergebracht hast.« 
»Gerne doch. Ich meine, jeder Zeit!« ›Henry, wenn du bei ihr ne Chance haben willst, musst du unbedingt aufhören, so einen Mist du reden!‹
»Willst du vielleicht rein kommen?«, fragte sie, und ich schaute an mir hinab. Meine Jacke und meine Schuhe waren sauber, der Rest war längst mit dem waschen überfällig. Unter meiner Jacke trug ich ein schmuddeliges, altes T-Shirt, meine Hose hatte mehrere Flecken, und ich roch nach Öl. Die Sachen waren noch von gestern, als ich mein Mofa gereinigt hatte. Kurz gesagt, mit diesen Sachen war es quasi unmöglich, mich noch einmal auch nur in Rubys nähe zu begeben.
»Generell schon, aber ich bin schon fast wieder zu Hause, und meine Mum macht gerade essen, und ich glaube...«, stammelte ich meine Lügen, was Ruby offensichtlich zum lachen brachte. »Was ist los?«, fragte ich halb unsicher, halb enttäuscht.
Sie kicherte. »Ach nichts, mein Bruder hat gerade nur einen Witz gemacht« Ich wusste, dass das nicht die Wahrheit war, und das kränkte mich. Ich wusste nicht auch nur im geringstem, was Sie gerade dachte, ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen, also beschloss ich einfach, dieses Gespräch zu beenden. »Na dann«, flüsterte ich, doch sie antwortete nichts, weshalb ich irgendwann auflegte.
Schon wieder war da dieses Gefühl von Leere, das Gefühl, dass ich alles falsch gemacht hatte. Und irgendwie hatte ich den Verdacht, dass das nicht nur ein Gefühl, sondern eine Tatsache war. Da hatte man schon mal die Gelegenheit, mit einem Mädchen zu telefonieren, mit einem süßem Mädchen, besser gesagt, mit dem Mädchen, und man laberte so einen Stuss, dass man hinterher auflegen musste. Mist.

Solange ich LebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt